17.01.2022

Tabakwerbeverbot

«Für legale Produkte muss Werbung möglich sein»

Der Mitte-Nationalrat Philipp Kutter engagiert sich gegen die Initiative «Kinder ohne Tabak». Im Interview spricht er über den «groben Fehler» im Abstimmungsbüchlein und eine mögliche Beschwerde. Zudem erklärt der ehemalige Journalist sein klares Nein zum Medienpaket.
Tabakwerbeverbot: «Für legale Produkte muss Werbung möglich sein»
«Ein Werbeverbot öffnet eine Büchse der Pandora», sagt Mitte-Nationalrat Philipp Kutter vom Nein-Komitee gegen die Initiative «Kinder ohne Tabak». (Bild: zVg)
von Michèle Widmer

Herr Kutter, das Nein-Komitee hat einen «groben Fehler» im Abstimmungsbüchlein gefunden. In einer Tabelle steht beim Gegenvorschlag Werbung in Zeitungen und im Internet sei «erlaubt». Warum ist das falsch?
Die Übersichtstabelle ist beliebt. Das erkennt man daran, dass sie von den Medien schon oft wiedergegeben wurde. Wer sich schnell informieren sowie Initiative und Gegenvorschlag vergleichen möchte, macht dies mithilfe dieser zentralen Tabelle. Nun steht darin, dass der Gegenvorschlag Werbung in Presse und Internet erlaubt. Das ist falsch. Der Gegenvorschlag untersagt Werbung in Presse und Internet, wenn sich diese an Jugendliche richtet.

Ausgenommen sind Produkte, die Kinder als Zielpublikum haben – also zum Beispiel die Zeitschrift Spick. Und dort findet man wohl schon jetzt keine Tabakwerbung.
Es ist richtig, dass man im Spick keine Tabakwerbung findet. Das ist auch gut so. Der Jugendschutz liegt uns allen am Herzen. Uns stört aber, dass die gesetzlich garantierte Einschränkung nicht erwähnt ist. Beim Sponsoring, in der gleichen Tabelle, macht die Bundeskanzlei diese zusätzlichen Anmerkungen. Übrigens auch überall bei der Initiative. Warum nicht im Abschnitt Presse und Internet beim Gegenvorschlag? Es ist ganz klar eine unsachgemässe Information.

Die Bundeskanzlei negiert einen «Fehler» und sagt, es werde an anderer Stelle im Büchlein ausführlich und richtig informiert. Was sagen Sie dazu?
Es fehlt eine wichtige Information an der wichtigsten Stelle im Abstimmungsbüchlein. Nicht alle Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lesen den ganzen Text. Wer sich schnell einen Überblick verschaffen möchte, dem wird suggeriert, dass mit dem Gegenvorschlag Tabakwerbung in Presse und Internet ohne Einschränkungen erlaubt ist. Und das stimmt nicht, weil der Gegenvorschlag hier klare Regeln beinhaltet. Wenn Jugendliche angesprochen werden, ist Werbung in Presse und Internet mit dem Gegenvorschlag verboten. Das hätte die Bundeskanzlei so vermerken müssen.

«Die Bundeskanzlei steht nun in der Pflicht, sachgerecht zu informieren»

Sie erwägen nun eine Abstimmungsbeschwerde. Was ist da der Stand? Wie gehen Sie vor?
Es ist klar: Die Bundeskanzlei steht nun in der Pflicht sachgerecht zu informieren. Der Gegenvorschlag verbietet ganz klar Werbung in Presse und Internet, die sich an Jugendliche richtet. Diese Information darf den Stimmenden nicht vorenthalten werden. Beharrt die Bundeskanzlei weiter auf ihrem Standpunkt, werden wir eine rechtliche Überprüfung einleiten. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Bundeskanzlei das Abstimmungsbüchlein zum Werbeverbot bereits einmal korrigieren musste, weil sich Falschinformationen eingeschlichen hatten.

Die Initiative «Kinder ohne Tabak» geht noch einen Schritt weiter und will Werbung nur dann erlauben, wenn sie ausschliesslich für Erwachsene sichtbar ist – also in Mailings, Prospekten oder mit gezielter Werbung im Internet oder sozialen Medien. Das ist doch kein vollständiges Werbeverbot, wie Sie es nennen.
Die Initiative will jegliche Werbung verbieten, «die Kinder und Jugendliche erreicht». Da es kaum Orte gibt, in denen sich Jugendliche nicht aufhalten, und kaum Medien, welche nicht auch von Jugendlichen eingesehen werden könnten, führt die Initiative in der Praxis zu einem vollständigen Werbeverbot.

«Ein Werbeverbot öffnet eine Büchse der Pandora»

Das Nein-Komitee wirbt mit einem Cervelat gegen das sogenannte Tabakwerbeverbot. Ist das Sujet nicht etwas weit hergeholt?
Das Gegenteil ist der Fall. Das Sujet thematisiert eine grundlegende Frage. Haben in einem liberalen Land wie der Schweiz Werbeverbote für legale Produkte eine Berechtigung? Auf Verfassungsebene? Wir sagen dazu Nein. Ein Werbeverbot öffnet eine Büchse der Pandora. Über ein Werbeverbot für Fleisch wird bereits ganz konkret diskutiert. Ebenfalls laufen in verschiedenen Kantonen Diskussionen über Werbeverbote für Autos oder Flugreisen. Dasselbe gilt für Süssgetränke, Alkohol oder fetthaltige Speisen. Zur Wirtschafts- und Gewerbefreiheit gehört die Informationsfreiheit.

Nun geht es aber vorerst einmal um Tabakwerbung. Die Initiative kommt beim Volk offenbar gut an. Erste Umfragen zeigen, dass es zum Jahresanfang ein klares Ja gegeben hätte. Wie versuchen Sie, das Ruder nochmals herumzureissen?
Die Initiative hat einen verlockenden Namen. Wer ist schon dagegen, dass Kinder vor Tabakwerbung geschützt werden. Wer ins Detail geht, merkt schnell, dass die Initiative zu einem Totalverbot von Werbung führen würde. Bundesrat und Parlament haben deshalb einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Dieser setzt auf zielgerichteten Jugendschutz – ohne die freiheitlichen Grundsätze über Bord zu werfen. In der verbleibenden Zeit bis zur Abstimmung ist es nun unsere Aufgabe, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern aufzuzeigen, dass der Gegenvorschlag für unser Land die bessere Lösung ist. Wir sind zuversichtlich, dass uns dies gelingt.

Wen wollen oder müssen Sie in der Schlussphase noch überzeugen?
Natürlich möchten wir noch möglichst viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger überzeugen. Dabei ist unsere Botschaft klar: Wer einen griffigen und zielgerichteten Jugendschutz will, ohne die Wirtschafts- und Informationsfreiheit zu torpedieren, sagt Ja zum Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament – und Nein zur Initiative.

Sie haben nebst ihrer Tätigkeit als Politiker eine eigene Kommunikationsagentur. Inwiefern würde Sie ein Ja zur Vorlage als Unternehmer treffen?
Die Vorlage trifft mich als Unternehmer nicht, ich habe keine Aufträge aus der Tabakindustrie. Es geht mir um Grundsätzliches. Als Vertreter der Kommunikations- und Werbebranche weiss ich, dass Werbeverbote äusserst schädlich sind. Sie untergraben die Marktwirtschaft. Werbung ist Konsumenteninformation. Für legale Produkte muss Werbung möglich sein. Verbote ziehen immer einen Rattenschwanz nach sich. Es leidet ja nicht nur der Werber, der keine Aufträge mehr hat. Nein, es leiden auch die Medien, die keine Inserate mehr haben. Es leidet die Kulturveranstaltung, welche die wegfallenden Sponsoringbeiträge ersetzen muss. Auch der Kioskbetreiber, der seinen ganzen Kiosk umbauen muss, leidet.

«Nur schon der Anschein von zu viel Nähe zwischen Politik und Medienhaus ist fatal»

Ein anderes Thema: Sie engagieren sich noch für eine zweite Vorlage vom 13. Februar und sind im Nein-Komitee gegen das Medienpaket. Als ehemaliger Journalist: War für Sie das Nein von Anfang an klar und was ist Ihr Hauptargument?
Mit dem Medienpaket erhalten Verlage erstmals direkt Geld vom Staat. Für mich war sofort klar – das geht nicht. Die Befürworter meinen etwas Gutes zu tun, schaffen aber neue Abhängigkeiten, mit denen die journalistische Unabhängigkeit infrage gestellt wird. Als ehemaliger Journalist weiss ich: Nur schon der Anschein von zu viel Nähe zwischen Politik und Medienhaus ist fatal. Das hat der Fall Ringier gut gezeigt. Im Parlament habe ich mich übrigens für eine Aufteilung des Pakets eingesetzt. Den Ausbau der indirekten Presseförderung hätte ich akzeptiert.

Zum Schluss: Sie haben selbst zwei Töchter. Wie verhindern Sie, dass die beiden als Jugendliche zu rauchen anfangen?
Natürlich will ich nicht, dass sie mit dem Rauchen beginnen. Extreme Werbeverbote gehen von Menschen aus, die keine Verantwortung für ihren Konsum übernehmen können. Ich sehe das anders. Als Vater stehe ich in der Verantwortung, meine Töchter so zu erziehen, dass sie selbstbestimmt durchs Leben gehen und eigenständig entscheiden können. Man kann diesen Erziehungsauftrag nicht an den Staat delegieren. Zum Glück sind sich die allermeisten Schweizerinnen und Schweizer ihrer Eigenverantwortung bewusst.



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Kommentare

  • Reto Wiesli, 18.01.2022 08:40 Uhr
    Solche Beschwerden sind einfach peinlich. Es geht um die Frage, ob Tabak zu Kindern kommt. Kutter sagt ja dazu, weil er die Werbekanäle zu den Kindern, die Tabak aber nicht kaufen sollen (meimei...), offen hält. Verlogen.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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