17.03.2025

Gislerprotokoll

Weniger Stereotype in der Werbung

Die vierte Stereotypen-Analyse zeigt eine positive Entwicklung: Schweizer Werbung wird vielfältiger in der Darstellung von Geschlechtern. Facettenreichere Kommunikation und bewussterer Umgang mit Klischees kennzeichnen den Trend. Bei der Repräsentation genderqueerer Personen besteht allerdings weiterhin Nachholbedarf.
Gislerprotokoll: Weniger Stereotype in der Werbung

Der Verein Gislerprotokoll hat seine jährliche Stereotypen-Analyse für 2024 veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen erstmals einen deutlichen Rückgang bei der Verwendung von Geschlechterstereotypen in der Schweizer Werbelandschaft.

In die Analyse flossen 300 Bewegtbild-Werbungen ein, die 2024 auf persoenlich.com kommuniziert wurden. In lediglich 16 Prozent dieser Spots kamen männliche oder weibliche Stereotype vor. In 253 der untersuchten Werbungen wurden keine Stereotypen identifiziert. Dies markiert einen erheblichen Fortschritt im Vergleich zu den Vorjahren, heisst es in einer Mitteilung, die persoenlich.com exklusiv vorab vorliegt.

Nina Bieli, Präsidentin des Gislerprotokolls, führt den Rückgang auf eine bewusstere Auseinandersetzung mit Gender-Stereotypen zurück. Die Analyse zeigt, dass Unternehmen und Agenturen zwar weiterhin mit stereotypen Darstellungen arbeiten, diese jedoch reflektierter und bewusster einsetzen. Der vom Verein propagierte «Klischeeknick» werde damit immer häufiger Realität.

Bemerkenswert ist, dass traditionelle Geschlechterrollen zunehmend auf verschiedene Geschlechter angewendet werden. Die Anzahl an Spots, in denen sich weiblich oder männlich gelesene Personen um etwas kümmern, ist nahezu ausgeglichen. Auch bei Expert:innen-Rollen hat sich das Verhältnis angenähert, obwohl männlich gelesene Personen hier noch leicht überwiegen.

Lediglich im Bereich Humor bleibt eine deutliche geschlechtsspezifische Diskrepanz bestehen: In nur zwei der analysierten Spots waren weiblich gelesene Personen in humorvollen Rollen zu sehen.

Vielfalt in der Werbung: Erfolge und Lücken

Die Analyse untersuchte auch weitere Diversity-Dimensionen. Homosexuelle Paare wurden in etwa 10 Prozent der dargestellten Paarsituationen gezeigt, was gemäss der Analyse der statistischen Realität entspricht. Genderqueere Personen kamen hingegen in lediglich zwei Spots vor, was weniger als ein Prozent der untersuchten Werbungen ausmacht. Laut einer Studie des Umfrageinstituts Ipsos identifizieren sich 13 Prozent der Schweizer Bevölkerung als Teil der LGBTQ+-Community, weshalb die Analyse hier eine deutliche Unterrepräsentation feststellt.

Nicht-weisse Personen wurden in 17 Prozent der Spots dargestellt. Im Vergleich zum Vorjahr ist diese Zahl leicht gesunken, während der Anteil an Hauptrollen ähnlich geblieben ist. Positiv hervorgehoben wird, dass nicht-weisse Personen häufiger auch ohne Prominenten-Status oder spezifischen Themenbezug Hauptrollen spielten.

Ältere Personen ab 70 Jahren kamen in 15 Prozent der Spots vor. Da in der Schweiz Menschen über 65 Jahre 19,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen, entspricht dies annähernd der demographischen Realität. Die Analyse hebt positiv hervor, dass ältere Menschen meist als vital und lebensfroh dargestellt wurden. «Vielleicht liegt es daran, dass man häufig familiär bedingt Kontakt zu älteren Personen hat und deren Facettenreichtum so direkt erlebt. Wenn das eigene Grosi an Krypto interessiert ist, finde ich es plausibel, das auch in einer Werbung so darzustellen», so Nina Bieli in einem persoenlich.com-Interview.

Klassische Stereotype auf dem Rückzug

Der am häufigsten vorkommende männliche Stereotyp war 2024 der «Mr. Mansplainer» – eine männlich gelesene Person, die etwas erklärt, oft als Experte. Bei weiblich gelesenen Personen war «Die Kümmerin» der häufigste Stereotyp, wobei sich auch die Zahl der männlich gelesenen Personen in fürsorglichen Rollen deutlich erhöht hat.

Der vom Gislerprotokoll eingeführte «Topfpflanzentest», der dekorative Rollen ohne Relevanz für die Handlung erfasst, griff bei 21 Werbungen – auch dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Der Verein Gislerprotokoll wurde 2021 gegründet und setzt sich für eine facettenreiche Darstellung der Geschlechter in Marketing, Kommunikation und Werbung ein. Anfang März 2025 zählte der Verein über 200 Mitglieder. (pd/cbe)


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