15.05.2018

Aus für Publicitas

«Die ‹P› ist an ihrem Untergang selber schuld»

Otto Meier ist ein Publicitas-Urgestein. Von 2002 bis 2007 war er auch CEO der Vermarkterin. Im Interview spricht Meier über das Grounding, die Rolle der Verleger und die neue Firma AdAgent.
von Matthias Ackeret

Herr Meier*, Sie waren während acht Jahren Chef der «P»-Tochter Publimedia und während fünf Jahren CEO der Publicitas Schweiz. Wie haben Sie deren Untergang erlebt?
So ein Untergang geht auch einem ehemaligen «P»-CEO nicht spurlos vorbei. Für die Printmedienbranche war Publicitas während Jahrzehnten systemrelevant. Allerdings hat sich der Untergang seit ein paar Jahren abgezeichnet. So gesehen ist das Grounding für mich nicht wirklich überraschend gekommen. Trotzdem: Es tut weh, auch nach zehn Jahren Distanz.

Bild Otto Meier_2

Wäre der Untergang zu vermeiden gewesen?
Ich denke schon. Allerdings hätten die Verlage mitspielen müssen, und zwar schon vor fünf Jahren, als die «P» zum Verkauf stand. Mit einer Beteiligung oder Übernahme der damaligen Publicitas hätten die Verleger eine eingeführte Planungs- und Abwicklungsplattform und das Gattungsinstrument «P» an Land ziehen können.

«Das Dienstleistungs-Business ist bekanntlich ein People-Business»

Wer ist schlussendlich «schuldig» am Konkurs der «P»?
Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. Man muss auch anerkennen, dass der Printmedienmarkt in den letzten zehn Jahren um mehr als die Hälfte geschrumpft ist. Und der Verkauf der Publicitas an eine ausländische Investment-Firma war sicher nicht förderlich. Der damit verbundene Abgang vieler Mitarbeitenden hat gegenüber Kunden und Verleger zu einem Beziehungs- und Vertrauensbruch geführt. Das Dienstleistungs-Business ist bekanntlich ein People-Business.

Schiebt man dadurch nicht den Sündenbock den Verlagen zu? Oder gab es ernsthafte Bestrebungen, die «P» zusammen mit den Verlagshäusern weiterzuführen?
Nein, nicht Sündenbock! Letztlich ist die «P» an ihrem Untergang selber schuld. Aber ich würde seitens der Verleger von einem Versäumnis mit grosser Konsequenz sprechen. Die Verleger hatten meines Wissens vor fünf Jahren tatsächlich die Gelegenheit gehabt, bei der «P» einzusteigen.

Reisst der Konkurs der «P» nicht noch Verlagshäuser mit sich, da diese plötzlich Liquiditätsprobleme bekommen?
Ich kenne die Ausstände bei den einzelnen Verlagen nicht. Aber der Anteil der Aufträge über «P» ist in den letzten Jahren bei allen Verlagen zurückgegangen. Ich gehe nicht davon aus, dass Verlage allein aufgrund des «P»-Konkurses selber in Konkurs gehen.

Wer wird am meisten unter dem Untergang der «P» leiden?
Ganz klar die Mitarbeitenden, die ihre Stelle verlieren. Allerdings gehe ich davon aus, dass viele bei den Medienanbietern willkommen sind. Unter den Verlegern spüren die mittleren und kleinen Zeitungen den Verlust mehr als die grossen.

Nun realisieren die Grossverlage und interessierte Kreise mit AdAgent eine Auffanggesellschaft. Wird diese die «P» ersetzen können?
Nein. Ich würde auch nicht von einer Auffanggesellschaft sprechen. Es geht wohl viel mehr darum, den Auftraggebern möglichst schnell eine Abwicklunsplattform zur Verfügung zu stellen.

«Das Projekt kann schnell realisiert werden»

Kann man überhaupt in Kürze ein solches Projekt auf die Beine stellen?
Wenn es tatsächlich «bloss» um eine Abwicklungsplattform handelt, kann das Projekt schnell realisiert werden. Umso mehr, als es bestehende Tools auf dem Markt gibt.

Welche Dienstleistungen muss eine solche Firma erfüllen, um reüssieren zu können?
Soll diese Firma effektiv die Dienstleistungs-Palette der früheren «P» anbieten, so braucht sie unter anderem eine Printmediendatenbank, Planungs- und Abwicklungstools, Forschungskompetenz und – ganz wichtig – eine neutrale Abrechnungsstelle. Die Firma muss für überregional und national werbende Kunden den Zugang zu den Printmedien einfach und attraktiv gestalten. Ich würde ein solches Projekt unter Einbezug bestehender Player, wie zum Beispiel der Wemf, aufgleisen.

Was heisst der Untergang der «P» für die Gattung Print?
Nichts Gutes. Schon heute hat die Direktwerbung mehr Gattungsmarketing als die Printmedien – obwohl Print nach wie vor die wichtigste klassische Mediagattung ist.


* Otto Meier ist heute Inhaber einer Beratungsfirma für Medienmarketing.

 



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Kommentare

  • Angelika Baumann, 15.05.2018 16:19 Uhr
    Uns altgedienten Mitarbeiter/ Innen tut das weh. Haben wir doch Jahrzehnte unsere Arbeitszeit und das Wissen der P zur Verfügung gestellt. Und wir hatten immer ein sehr gutes Arbeitsklima, drum tut es uns sehr weh, was da passiert ist. Viele von uns waren 25 Jahre und mehr gerne im Dienste der illustren Kundschaft. Grüsse an Moreno Cavaliere, Otto Meier und all den lieben Kollegen, die mit mir zusammen traurig sind. angelika
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