17.09.2024

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«Ein Meisterstück in Marketing ist Ikea»

Sarah Schmid, Head of Marketing Kingfluencers AG, ist bei aller Kritik ein Migros-Kind geblieben. Und schwört sonst auch auf grosse Namen. Die gebürtige Bündnerin und langjährige Eiskunstläuferin sieht die Welt vor allem positiv, sogar die künstliche Intelligenz.
Ausgabe 08/09 2024: «Ein Meisterstück in Marketing ist Ikea»
Sarah Schmid, Head of Marketing Kingfluencers AG.

Interview: Jean-Marc Grand Bild: zVg

Welches waren die drei Markenikonen in Ihrer Kindheit oder Ihrer Jugend?

1. Disney: Eine Ikone mit zeitlosen Animationsfilmen wie «Der König der Löwen», «Aladdin» und «Mulan». Nicht nur waren die Filme fester Bestandteil meiner Kindheit, sondern auch deren Produkte und Unterhaltungsoptionen wie das magische Disneyland in Paris oder Musicals und Shows, basierend auf den Charakteren und Geschichten von Disney.

2. Die Sims: Ein Videospiel von Electronic Arts, das mich an nächtelanges Gaming mit meiner besten Freundin in der Jugend erinnert – ein bahnbrechendes Spiel, das damals eine völlig neue Art von «seine eigenen Geschichten kreieren» bot.

3. Migros: Ein Migros-Kind durch und durch. Vom berühmten Migros-Eistee bis zur Seehund-Vanille-Glace – mit der Migros verbinde ich wunderschöne Momente meiner Kindheit. Die Migros hat demnach einen Ort geschaffen, an dem ich mich immer willkommen und zu Hause fühlte, da ich viele der Produkte mit glücklichen Erlebnissen verbunden habe.

Mit welchem Produkt, mit welcher Marke beginnt Ihr Tag am Morgen und endet der Tag am Abend? 

Mein Tag beginnt mit einem Blick auf mein iPhone – mein treuer Begleiter, der mich jeden Morgen weckt. Während ich in den Tag starte, vervollständigt meine Thommy-Hilfiger Brille (Fielmann) nicht nur meinen «Morning-Look», sondern sorgt auch dafür, dass ich die Welt um mich herum klar sehe, bevor ich dann oftmals zu meinen Tageslinsen greife.

Welches Produkt oder welche Firma steht heute für exzellentes Marketing?

Ich konnte mich nicht entscheiden, deshalb zwei meiner Favoriten:

Nike: Nikes Marketingstrategie ist weltklasse und definiert(e) die Branche neu. Durch eine geschickte Kombination aus kraftvollen Geschichten und emotionalem Storytelling gelingt es Nike, eine tiefe Verbindung zu seinem Publikum aufzubauen. Statt die Produkte direkt zu bewerben, rückt Nike Athleten und ihre inspirierenden Geschichten in den Fokus, sowohl auf Social Media als auch über andere Kanäle. Diese Herangehensweise unterstreicht Nikes Verständnis dafür, dass hinter jeder erfolgreichen Marke menschliche Geschichten stehen. Denn letztendlich folgen und vertrauen Menschen um ein Vielfaches mehr Menschen als Marken. Diesen Schlüssel zum Erfolg hat Nike früh entdeckt und eine hochgradig treue Kundenbasis geschaffen, welche die Marke mit Inspiration, Ausdauer und dem unermüdlichen Streben nach Höchstleistung verbindet.

IKEA: Wenn es um ein Meisterstück im Marketing geht, steht meiner Meinung nach auch IKEA zweifellos an vorderster Front. Ihr Marketing ist dank ihrer Fähigkeit, sich in aktuellen Memes und Popkulturphänomenen zu verankern, immer «on trend & on brand» und somit äusserst relevant für die Zielgruppe. Von cleveren Social-Media-Kampagnen bis hin zu inspirierenden Werbekampagnen treffen sie immer den Nerv der Zeit und schaffen es, ihre Botschaft auf eine mitreissende, simple, aber sehr kreative Art und Weise zu verpacken.

Welche Geschäftsidee oder welches Produkt hat Sie in letzter Zeit am meisten begeistert?

Zwar keine Geschäftsidee, aber eine äusserst geniale und doch so einfache Art von Kampagne: Die allerneueste McDonald’s-Kampagne, die ein innovatives Konzept verwendet, bei dem ein Billboard den Duft von Pommes verströmt, hat mich letzthin besonders beeindruckt. Die Marke oder das Produkt wird somit auf einzigartige Weise erlebbar gemacht, sei es durch Fühlen oder in diesem Fall sogar Riechen. Es ist erstaunlich, wie einfach und doch genial diese Idee ist. Schon immer fand ich es faszinierend, wenn Kunst und Werbung miteinander verschmelzen. Auch im vierteljährlichen Trends Guide von Kingfluencers habe ich auf einen meiner Lieblingstrends, «Kunstinstallationen in der Werbung», aufmerksam gemacht, wobei die Verschmelzung von Kunst und Werbung die Botschaft in einem künstlerischen Kontext präsentiert und somit eine einzigartige Verbindung zum Publikum schafft. Ein beeindruckendes Beispiel dafür erlebte ich auch im offiziellen Stranger-Things-Store in Las Vegas, wo Produkte mit allen Sinnen erlebt werden konnten und eine neue Welt entsteht, die die Grenzen zwischen Kunst und Werbung verschwimmen lässt. 

Welcher Marketingtrend oder welches Marketingthema ist für Sie momentan am wichtigsten? Warum?

Ehrliche Nachhaltigkeit statt Greenwashing. Inspiriert wurde ich insbesondere durch den beeindruckenden Vortrag von Klimaaktivistin Luisa Neubauer auf der OMR 2023. Ihr eindringlicher Appell, alte, festgefahrene Strukturen in Frage zu stellen und konsequent auf Nachhaltigkeit zu setzen, hat bei mir Spuren hinterlassen. Laut Neubauer ist es an der Zeit, uns kritisch zu hinterfragen: Wie gross ist beispielsweise der CO₂-Fussabdruck unserer CRM-Software oder unserer Marketingkampagnen? Welche konkreten ökologischen Ausgleichsmassnahmen ergreifen wir? Statt uns mit Alibi-Projekten zu begnügen, müssen wir echte, messbare Nachhaltigkeit anstreben. Denn Unternehmen, die sich hier nicht glaubwürdig engagieren, riskieren, den Wettbewerb zu verlieren, denn bereits die Zielgruppe von heute, aber besonders diejenige von morgen schaut nicht mehr weg und hält Brands für ihre Taten oder Untaten verantwortlich. Luisa Neubauer hat uns eindrücklich vor Augen geführt, dass wir alle in der Verantwortung stehen, unser Handeln zu überdenken – beruflich wie privat. Es reicht nicht aus, nur gelegentlich auf Flüge zu verzichten oder Öko-Kleidung zu tragen. Entscheidend ist, wofür wir unsere Arbeitskraft und Zeit investieren. Es ist an der Zeit, «to cut the bullshit» (wie ihre Keynote so schön hiess) und konsequent für eine nachhaltige Zukunft einzutreten.

Wie kommunizieren Sie hauptsächlich mit Ihrer Kundschaft (direkter Kundenkontakt, Social Media etc.)?

Unsere Hauptkommunikationskanäle sind vielfältig, wobei wir einen starken Fokus auf direkten Kundenkontakt legen, um Nähe und Austausch zu fördern. Dennoch spielen Social Media und andere Plattformen eine zentrale Rolle, insbesondere für den ersten Kontakt oder unterbewusste Top-of-Mind-Go-to-Partner im Bereich Influence(r)-Marketing. Dabei spielt auch bei uns Employer Branding eine entscheidende Rolle, dessen Potenzial oft unterschätzt wird, obwohl die Authentizität der Mitarbeitenden, die die Werte unserer Agentur verkörpern, unschätzbar wertvoll ist. Unsere eigenen Mitarbeiter tragen durch ihre Präsenz auf ihren eigenen Kommunikationskanälen und die Einblicke hinter die Kulissen dazu bei, unsere Agentur und unsere Dienstleistungen nach aussen hin greifbarer zu machen. Denn letztlich basiert auch (E-)Word of Mouth, das nach wie vor die stärkste Form von Werbung darstellt, auf Authentizität.

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen künftig die grössten Chancen?

Für Kingfluencers sehe ich in der Nutzung von künstlicher Intelligenz und der Entwicklung von Web 3.0 mit dem Metaverse eine der grössten Chancen für die Zukunft. Ich glaube fest daran, dass wir diese neuen Technologien nicht nur als Möglichkeiten sehen sollten, sondern auch als Herausforderungen, die wir selbst und auch mit Kunden mutig angehen müssen. Es erfordert Offenheit, Neues auszuprobieren und auch mal zu scheitern, um daraus zu lernen und weiterzukommen. Nur so können wir sicherstellen, dass wir am Puls der Zeit bleiben und die Communitys von morgen in den neuen digitalen Welten erreichen, bevor es die Konkurrenz (besser) tut. Gleichzeitig sehe ich die Nutzung von künstlicher Intelligenz als einen Weg, unsere Prozesse produktiver, effizienter und kreativer zu gestalten. Es ist wichtig, dass wir diese Technologie für uns nutzen, um innovativ zu handeln und uns kontinuierlich weiterzuentwickeln, um den sich wandelnden Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen künftig die grössten Risiken?

Mögliche Risiken sehe ich im aufkommenden Trend zur Nostalgie und dem Shift zu «Back to the Basics» und Trends wie 80er/90er. Es ist verlockend, sich in die vermeintlich einfachere Zeit zurückzusehnen, auch angesichts der zunehmenden Cyberkriminalität, die durch die Möglichkeiten von AI neue Grenzen testet und zunehmend gefährlicher wird. Dieser Trend könnte bedeuten, dass sich Menschen vermehrt auf physische Erfahrungen konzentrieren und sich von der digitalen Welt abwenden, auch wenn meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich. Ich bin hingegen überzeugt, dass der Schlüssel zum Erfolg darin liegt, digitale und physische Welten zu verschmelzen, statt sie gegeneinander auszuspielen. Es ist wichtig, die Balance zwischen Nostalgie und Innovation zu finden, um den Bedürfnissen und Erwartungen unterschiedlicher Zielgruppen und Communitys gerecht zu werden und gleichzeitig einem sich wandelnden Zeitgeist treu zu bleiben. Denn neue Entwicklungen wie AI bringen zwar Gefahren mit sich, aber als optimistischer Mensch betrachte ich die Möglichkeiten und das Potenzial, das solche Technologien bieten, mit Vorfreude. Solange Unternehmen bereit sind, Grenzen neu zu definieren und kreativ zu denken, sehe ich für Marken und Agenturen kein Risiko darin, sondern vielmehr eine Chance, einen stärkeren phygitalen (Verschmelzung von physisch und digital) Space aufzubauen.


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