Text: Adrian Schaffner*
Unternehmen reden meist nur dann über Geld, wenn sie es unbedingt müssen. Red Bull muss nicht und tut es auch nicht – zumindest nicht ausgiebig. «Es widerspricht unserer Philosophie, Interna zu kommentieren», heisst es aus der Firmenzentrale in Fuschl am See, wenn zu viel gefragt wird. So viel ist aber bekannt: Das zu 100 Prozent in Privatbesitz befindliche Unternehmen wird 2023 über 12 Milliarden Dosen verkaufen, einen Umsatz von über 10 Milliarden Euro erwirtschaften und beschäftigt weltweit knapp 18 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Red Bull hat weit über 600 Sportlerinnen und Sportler in vielen Trendsportarten unter Vertrag und zieht auch integre Sportikonen wie zuletzt Trainerstar Jürgen Klopp an. Wie macht Red Bull das? Und wie finanziert sich das Geschäft rund um Sport?
Red Bull hat sich längst vom Modell des «klassischen» Sportsponsorings verabschiedet und prägt eine eigene Gangart. Sponsoring-Experte Hans-Willy Brokes von der ESB erklärt es so: «RB schafft Sportmarken und andere immaterielle Güter, baut diese auf, lizenziert sie und ist im Zweifel irgendwann ohne eigene Kosten Nutzniesser.» Ein gutes Beispiel für dieses Prinzip sind die Red Bull X-Alps. Ein über 1200 Kilometer langes Gleitschirmrennen quer durch die Alpen, das sich selbst als «the world’s toughest adventure race» bezeichnet. Kürzlich wurden die Teilnehmenden für die Ausgabe 2025 bekannt gegeben. Allen voran Christian «Chrigel» Maurer, Seriensieger der vergangenen acht Austragungen aus dem Berner Oberland. Die von Hand ausgewählten Pilotinnen und Piloten dürfen nur laufen oder fliegen. Zu Fuss legen sie täglich Distanzen von bis zu 100 Kilometern und Höhen von 4000 Metern zurück. Wenn das Wetter mitspielt, wird geflogen, und zwar so weit wie möglich. Veranstalter ist zooom, eine österreichische Agentur, die ihren Hauptsitz quasi im Hinterhof von Red Bull aufgeschlagen hat und auch das finanzielle Risiko des Events trägt.
Dritte finanzieren Red-Bull-Präsenz
Aktuelle Sponsoren der X-Alps sind beispielsweise VW, Salewa und viele Turnpoint-Partner wie Kitzbühel, St. Moritz oder Zell am See. An einem Turnpoint müssen die Athletinnen und Athleten einen Zwischenstopp einlegen und ein Signboard unterschreiben. Solche Sponsorings und Partnerschaften lässt sich zooom – und damit auch indirekt Red Bull – gut bezahlen. Welche Beträge im Detail fliessen, ist nicht öffentlich bekannt. Klar ist aber: Red Bull tritt nicht wirklich als Sponsor auf, sondern profitiert vor allem als Namens- und Lizenzgeber des Events von der gigantischen Reichweite in den sozialen Kanälen und Medien. Laut Sprinklr-Messung sollen die Red Bull X-Alps 2023 eine Reichweite von über
265 Millionen erreicht haben. Wie Red Bull sportliche Höchstleistung effizient in kostenlose Medialeistung umwandelt, hat das Unternehmen zuletzt mit dem galaktischen Stratosphärensprung unter Beweis gestellt. Red-Bull-Athlet Felix Baumgartner stürzte sich aus 39 Kilometern Höhe aus einer Kapsel, durchbrach die Schallmauer und landete schliesslich unversehrt mit dem Fallschirm unter der Sonne von New Mexico. Der Stunt wurde millionenfach gestreamt, es gab eine weltweite Berichterstattung, und die Verkaufszahlen des Süssgetränks gingen durch die Decke. Der 50 Millionen Euro teure Sprung soll nach unterschiedlichen Quellen einen Werbewert zwischen 6 und 8 Milliarden Euro gehabt haben – eine Milliarde allein am Tag des «supersonic freefall».
Wie viel ist ein Menschenleben wert?
Bei diesen astronomischen Zahlen stellt sich schnell die Frage, was ein Menschenleben wert ist und ob Red Bull bewusst den Tod seiner Sportlerinnen und Sportler in Kauf nimmt, um Brause zu verkaufen. Der Sprung vom Rand des Weltalls ist nur ein Extrembeispiel dafür, wie weit Sportsponsoring gehen kann. Baumgartner soll für seinen mehr als waghalsigen Sprung 10 Millionen Euro erhalten haben. Aber es gibt noch andere Gründe, warum über 600 Sportlerinnen und Sportler täglich ihr Leben bei teilweise halsbrecherischen Aktivitäten riskieren. Es gibt viele tragische Geschichten, in denen «Red Bull verleiht Flügel» einen ungewollten Beigeschmack bekommen hat.
Hans-Willy Brokes sieht die Loyalität der Sportlerinnen und Sportler zu Red Bull vor allem in der Flexibilität des Unternehmens begründet. Kein Engagement sei wie das andere, und die absolute Treue zu den Sportlern und Partnern stehe immer im Vordergrund. Die RB-Familie lebe nach innen hohe Werte, betont Brokes. Das beweise auch die von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ins Leben gerufene und von Red Bull mitfinanzierte Stiftung Wings for Life. Diese fördert medizinische Spitzenforschung auf dem Gebiet der Rückenmarksverletzungen und verfolgt das Ziel, Querschnittlähmung zu heilen.
Red Bull vorzuwerfen, das Leben seiner Sportlerinnen und Sportler bewusst aufs Spiel zu setzen und sie zu Social-Media-Gladiatoren zu machen, greift also etwas kurz. In der NZZ gaben einige zu Protokoll, dass Red Bull zu ihnen halte, selbst wenn die Leistungen nicht stimmen würden. Der Vorwurf, es werde Druck ausgeübt, immer verrücktere Dinge auszuprobieren, stimme so nicht. Mehrere Sportler geben zu Protokoll, dass Red Bull immer wieder hinterfragt, ob eine geplante Höchstleistung auch wirklich einem tiefen Wunsch und Bedürfnis entspricht. Im Zweifelsfall winkt Red Bull sogar ab und empfiehlt, auf eine Aktion zu verzichten. Gleitschirmprofi Chrigel Maurer bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: «Viele Athleten oder ganze Sportarten haben es Red Bull zu verdanken, dass sie dort sind, wo sie heute sind!»
Mit Geld allein ist es nicht getan
Natürlich ist es einfach, sportlichen Erfolg zu triggern, wenn man viel und regelmässig Geld investiert. Und das tut Red Bull mit der grossen Kelle. 30 Prozent der Ausgaben werden in Marketingmassnahmen inklusive Sportsponsoring investiert. Das sind derzeit geschätzte 2,5 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr. Doch mit Geld allein kann man keinen Erfolg kaufen. Bestes Beispiel ist RasenBallsport Leipzig. Red Bull kaufte 2009 den Fünftligisten SSV Markranstädt, und der spielt heute als RB Leipzig in der Champions League auf europäischem Topniveau. Dazu braucht es mehr als teuer eingekaufte Einzelspieler. Es braucht Einsatz, Engagement und Teamgeist – alles Dinge, die man nicht kaufen kann, die Red Bull aber im Kern auszeichnen. In dieser Wertehaltung dürfte ein wichtiges Zahnrad des Perpetuum mobile von Red Bull liegen. Und sie erklärt auch, warum es bisher niemandem gelungen ist, die Sportsponsoring-Maschine zu kopieren – und vielleicht auch, warum ein Jürgen Klopp ausgerechnet zu Red Bull geht.
* Adrian Schaffner ist Managing Partner bei der evoq communications AG.
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