Nach acht Minuten hatte Bundesrat Berset am Mittwochmittag gesagt, was er zu seinem Rücktritt zu sagen hatte. Danach bot er den Medienschaffenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Zuerst wollte ein Journalist wissen, ob der Rücktritt mit den diversen Affären der letzten Jahre zu tun habe, was der scheidende Bundesrat kategorisch verneinte.
«Warum haben Sie das gesagt?»
Als zweiter meldete sich ein SRF-Bundeshausjournalist: «Herr Bundespräsident, Sie haben vor zwei Wochen, am 8. Juni, uns in einem Interview gesagt, Sie treten nicht zurück auf Ende der Legislatur. Warum haben Sie das gesagt?» Darauf Berset: «Ich habe das nicht gesagt.» Und, zwar nicht ganz verständlich, aber dem Sinn nach ergänzte der Bundesrat Folgendes: Er könnte die Frage auch zurückstellen, wie es um die Qualität der Medien stehe. Was ist geschehen?
Am 8. Juni fand in Interlaken das Swiss Economic Forum SEF statt. SRF war dort als Medienpartner engagiert und befragte alles, was Rang und Namen hatte; so auch Bundespräsident Berset. Am Ende des Interviews stellte Moderator Reto Lipp eine Reihe von Fragen in Form von angefangenen Sätzen, die der Gesprächspartner beenden sollte. Eine davon lautete: «Ich trete im Dezember wieder zu den Bundesratswahlen an, weil …». Berset antwortete ohne Umschweife und sagte: «Es ist noch so viel zu tun. Es gibt sehr grosse Dossiers auf dem Tisch, die ich zu Ende bringen will.»
Der Bundesrat sagte zwar nicht, ja, ich trete wieder an, das hat Lipp gesagt, aber er verneinte es auch nicht, sondern lieferte eine plausible Begründung für die Absicht, im Amt verbleiben zu wollen.
«Kein Rücktritt!»
Andererseits: Wenn Berset am 8. Juni schon entschieden hatte, im Dezember nicht mehr zur Wahl anzutreten, wie hätte er dann reagieren sollen? Kurz: Er konnte nicht anders, als den Satz von Lipp im Sinne einer Bestätigung zu beenden.
Dass die Medien daraufhin Schlagzeilen setzten wie «Kein Rücktritt! Alain Berset tritt im Dezember erneut als Bundesrat an» (Watson), ist ihnen nicht zu verübeln. Die Quelle war verlässlich und die Aussage eindeutig.
Post festum erscheint es nachvollziehbar, dass Berset möglicherweise nicht die Wahrheit sagen wollte, weil er zwar den Entscheid schon getroffen hatte, aber mit der Kommunikation zuwarten und nicht bei einem plauschigen Interview die Bombe platzen lassen wollte. Seine Medienschelte an der Rücktrittspressekonferenz war aber nicht angebracht.
KOMMENTARE
23.06.2023 16:09 Uhr