05.04.2016

Affäre Hildebrand

«Eine schwere Attacke auf die journalistische Arbeit»

Der Journalist Urs Paul Engeler hat für die «Weltwoche» den «Fall Hildebrand» aufgedeckt. Obwohl die Zürcher Staatsanwalt behauptet, Engeler sei telefonisch nicht abgehört worden, hat der ehemalige "Journalist des Jahres" Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht. Und hält an seiner Version fest.
Affäre Hildebrand: «Eine schwere Attacke auf die journalistische Arbeit»
von Matthias Ackeret

Herr Engeler, Sie wurden während der Affäre Hildebrand als einer der Hauptakteure telefonisch überwacht. Hat Sie dies überrascht?
Ja, völlig. Gemäss allgemeiner Lehre und Beteuerung der Politik darf eine Telefonüberwachung nur zur Aufklärung schwerster Verbrechen (Terrorismus, Mord, Drogen- oder Menschenhandel) eingesetzt werden, und zwar nur als letztes Mittel, wenn andere Methoden nicht greifen. Journalistische Recherchen und Publikationen zur Affäre Hildebrand gehören sicherlich nicht zu dieser Kategorie von Gräueltaten. Das Zürcher Obergericht selbst hat festgehalten: «Eine inhaltliche Überwachung der geführten Gespräche setzt eine Strafverfolgung betreffend einen in Art. 269 Abs. 2 lit. a – h StPO abschliessend aufgeführten Straftatbestand voraus. Dazu gehört die Verletzung des Bankengesetzes nicht.»

Werden Sie dagegen juristisch vorgehen?
Ich habe eine Strafanzeige gegen Unbekannt aufgesetzt wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und des Amtsgeheimnisses. Nach der Konsultation eines Anwalts habe ich sie nun auch abgeschickt. Im Visier habe ich die Zürcher Staatsanwaltschaft, die richterliche Instanz, welche die illegale Massnahme angeordnet hat, und allenfalls Drittpersonen, welche die Inhalte meiner Kommunikation einer Zeitung zugetragen haben. Kommt dazu, dass ich auch nachträglich nicht über diesen massiven Eingriff informiert worden bin. Ich fühle mich nicht nur in meiner Privatsphäre verletzt, sondern vor allem in meiner journalistischen Arbeit behindert. Sollten diese Überwachungsmethoden Schule machen, müsste man allen Menschen dringend von Medienkontakten abraten.

Nun behauptet die Zürcher Staatsanwalt auf Anfrage der sda, Sie seien gar nie telefonisch überwacht worden. Sie seien vielmehr «Kommunikationspartner» von Herrn Lei gewesen, der das Einverständnis zur Auswertung der Daten und deren Verwendung durch die Strafverfolgungsbehörden abgegeben habe.
Das ist eine Ausrede respektive ein übler Witz. Fakt ist, dass die Kommikation zwischen mir und Herrn Lei wortwörtlich aufgenommen, protokolliert, zu den Akten gegeben und schliesslich veröffentlicht wurde. Ob ich nun «Kommunikationspartner» war oder Hauptabgehörter, spielt doch keine Rolle. Grundlegende journalistische Rechte wie Quellenschutz, Redaktionsgeheimnis oder das Zeugnisverweigerungsrecht wurden eindeutig verletzt. Auch ein Herr Lei kann diese mit seinem Einverständnis zur Abhörung nicht aushebeln. Kommt dazu, dass gemäss Urteil des Zürcher Obergerichts vom 3. November 2013 eine Telefonüberwachung bei vermuteter Verletzung des Bankengesetzes überhaupt gar nicht hätte zum Einsatz kommen dürfen.

Wurden Sie bereits einmal telefonisch überwacht?
Ja, und zwar während dreier Monate, angeordnet vom Gesamtbundesrat, durchgeführt von Bundesanwältin Carla del Ponte. Die Aufzeichnungen meiner Telefongespräche und Fax-Kontakte füllten mehrere Bundesordner. Der Verlag Tamedia, für den ich damals tätig war, hat den Fall bis vor Bundesgerichts gezogen und den wichtigen Entscheid erwirkt, dass die Überwachung von Medienleuten illegal ist. Dieses Urteil sollte immer noch gelten.

Wie beurteilen Sie das Verhalten der Medienverbände in diesem Fall?
Schlafen sie, oder wollen sie nichts tun? Die Abhöraktionen rund um den Fall Hildebrand (die mich nicht allein, aber am explizitesten treffen) sind die schwersten Attacken auf die journalistische Arbeit und auf die geschützte Sphäre des Redaktionsgeheimnisses der letzten Jahre. Ich staune und staune und staune nochmals, dass ich nicht die leisesten Töne eines Aufschreis der Medienbranche vernehmen kann.

Sie waren lange Jahre der Starschreiber der «Weltwoche». Glauben Sie, dass Journalisten dort ungleicher behandelt werden als solche anderer Medien?
Das kann ich nicht beurteilen. Auffallend ist sicher, dass sich kaum jemand für die Rechte der «Weltwoche»-Journalisten einsetzen will.

Was sind die Lehren für die Journalisten aus diesem Fall?
Sollte das Vorgehen der Zürcher Justiz nicht explizit verurteilt werden, heisst es: nicht mehr telefonieren, nicht mehr mailen, keine SMSs oder Faxe mehr verschicken, nicht mehr recherchieren. Punkt.


Nun behauptet die Zürcher Staatsanwalt, Sie seien gar nie telefonisch überwacht worden. Sie seien vielmehr „Kommunikationspartner“ von Herrn Lei gewesen, der das Einverständnis zur Auswertung der Daten und
deren Verwendung durch die Strafverfolgungsbehörden abgegeben habe.

Das ist eine Ausrede respektive ein übler Witz. Fakt ist, dass die Kommikation zwischen mir und Herrn Lei wortwörtlich aufgenommen, protokolliert, zu den Akten gegeben und schliesslich veröffentlicht wurde. Ob ich nun "Kommunikationspartner" war oder Hauptabgehörter, spielt doch keine Rolle. Grundlegende journalistische Rechte wie Quellenschutz, Redaktionsgeheimnis oder das Zeugnisverweigerungsrecht wurden eindeutig verletzt. Auch ein Herr Lei kann diese mit seinem "Einverständnis" zur Abhörung nicht aushebeln. Kommt, ganz prinzipell, dazu, dass gemäss Urteil des Zürcher Obergerichts vom 3. November 2013 eine Telefonüberwachung bei vermuteter Verletzung des Bankengesetzes überhaupt gar nicht hätte zum Einsatz kommen dürfen!

Bild: Keystone



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Kommentare

  • Lahor Jakrlin, 05.04.2016 18:09 Uhr
    Grauenhaft. Egal ob Wewo oder WoZ, das Vorgehen der Behörden darf nicht toleriert werden. Und Engeler ist ja nicht ein Nobody, sondern eines der Aushängeschilder der Zunft. Wurde er nicht zum Journalisten des Jahres gekürt?
  • Guido Tognoni, 05.04.2016 16:00 Uhr
    Hätte diese illegale Abhöraktion einen Mitarbeiter des Tages-Anzeigers oder der WOZ getroffen statt einen Weltwoche-Redaktor, wäre der Fall journalistisch sogleich und richtigerweise als Staatsaffäre behandelt worden.
  • René Staubli, 05.04.2016 13:15 Uhr
    Skandalös. Die Journalistenverbände müssten für U. P. Engeler zumindest die Anwaltskosten übernehmen, besser noch: einen Top-Medienanwalt auf den Fall ansetzen.
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