27.06.2018

Bindella

«Immer mehr Unbedarfte schreiben Restaurantkritiken»

Hans-Jörg Degen, Kommunikationschef der Bindella-Gruppe, hat diese Woche seinen letzten Arbeitstag. Im Interview spricht er über die Höhepunkte seiner Tätigkeit und sagt, was ihm Sorgen bereitet.
Bindella: «Immer mehr Unbedarfte schreiben Restaurantkritiken»
Hans-Jörg Degen tritt nach 15 Jahren als Kommunikationschef der Bindella-Gruppe zurück. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Degen, Sie treten nun mit 75 Jahren als Kommunikationschef der Bindella-Unternehmungen zurück. Ist dieser Entscheid wirklich definitiv?
Ja, ich denke, dass es genau der richtige Zeitpunkt ist. Bei Bindella findet aktuell ein Generationenwechsel statt, und da soll man mit 75 Platz für junge Ideen machen.

Ich frage, weil Sie in der Vergangenheit Ihre Anstellung immer wieder verlängert haben. Warum?
Rudi Bindella ist ein sehr ungewöhnlicher und auch sehr erfolgreicher Unternehmer. Er versteht es meisterhaft, Leute an sich zu binden. Und es gibt wohl nicht viel Genussvolleres als Gastronomie- und Weinthemen via Medien zu verbreiten.

Wie sind Sie eigentlich zu Bindella gestossen?
Ich wurde in einem Bindella-Ristorante – sagen wir mal so – suboptimal bedient. Am nächsten Tag habe ich mich deshalb telefonisch beschwert. Überraschung: Nur wenige Minuten später erhielt ich einen Anruf von Rudi Bindella, der exakt wissen wollte, was vorgefallen sei. Danach verabredeten wir uns zu einem Abendessen, bei dem wir spontan übereinkamen, dass ich für sein Unternehmen tätig werde. Er hat mich engagiert «zur Pflege der deutschen Sprache». Daraus ist dann auch die Medienarbeit entstanden.

Was war für Sie der Höhepunkt Ihrer Tätigkeit?
Die umfangreichen Medienberichte über Restaurant-Neueröffnungen wie zum Beispiel dem Più in der Alten Sihlpost oder – ganz aktuell – dem Ristorante Ornellaia an der Bahnhofstrasse. Aber auch eine neue Santa Lucia am Paradeplatz wurde sehr gut aufgenommen. Vielleicht, weil der etwas provokante Slogan «Neu: Die Santa Lucia am Paradeplatz – auch für Banker ohne Boni» für Schmunzeln gesorgt hat.

Und der Tiefpunkt?
Es gibt keinen Tiefpunkt, aber mit Sorge erfüllen mich gewissen Tendenzen im Gastro- und Weinjournalismus: So die vielen Anfragen für eine Berichterstattung, die aber nur erfolgen kann, wenn allermindestens zwei Leute gratis essen dürfen. Immer mehr Unbedarfte schreiben Restaurantkritiken ohne das nötige Hintergrundwissen. So hat sich einmal eine so genannte Journalistin darüber mokiert, dass bei uns die Spaghetti vongole mit den Muschelschalen serviert wurden.

Sie waren früher als Autojournalist tätig. War es nicht ein abrupter Wechsel in die Gastronomie?
Ich hatte früher mit Autos und Motorsport zu tun, habe damals aber schon nebenbei über Essen und Reisen geschrieben. Als mir eine Stelle bei der «Vinum»-Redaktion angeboten wurde, habe ich gerne zugegriffen. Weinreisen sind wesentlich entspannender als Rennplatzbesuche.

Was hat sich in Ihrer 15-jährigen Tätigkeit als Kommunikationschef verändert?
Ich bin kritischer geworden – zum Beispiel den vielen Luxusmagazinen gegenüber, die mit unbeglaubigten Auflagenzahlen operieren und die alle angeblich in Flughafen-Lounges und Top-Hotels aufliegen. Auch Angeboten bei denen Rudi Bindella sich mit einem absoluten Star-Koch zusammen präsentieren sollte, stand ich kritisch gegenüber. Umso mehr, als einer dieser Star-Köche nach wenigen Monaten als Pleitier geoutet wurde. Unverändert aber ist meine Hochachtung vor seriösen Journalisten und seriösen Medien.

Was sind nun Ihre Pläne?
Jetzt ziehen sich meine Frau und ich zuerst für einige Monate in unser Häuschen im Piemont zurück. Pläne für die Zukunft? Werden nicht verraten.



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Kommentare

  • Victor Brunner, 27.06.2018 12:35 Uhr
    Da gebe ich Hans-Jörg Degen recht. In jeder Zeitung und jedem Dorfblättli, auch auf SRF DRS, Mini Beiz dini Beiz, werden Restaurants kritisiert. Vielfach von Leuten die von den Produkten wenig Ahnung haben äussern sich, meistens pure Wichtigtuerei. Auc der Gault Millau der Schweiz ist nur noch eine Peinlichkeit. Flächendeckend werden Punkte vergeben nur um jedes Jahr einen dicken "Gastroführer" zu präsentieren. Da lob ich Restaurants die auf eine Bewertung verzichten, nicht weil sie schlecht sind sondern einfach nur weil sie auf Kommentare von Dilletanten und Gratisessen verzichten können!
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