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In der Wirklichkeit angekommen

von Matthias Ackeret

Als «force tranquille» bezeichnet Roger de Weck gemäss «NZZ am Sonntag» die «Republik». Das ist – wie vom langjährigen Ex-SRG-Chef nicht anders zu erwarten – sehr elegant formuliert. Nur ist unsere «Republik» bereits ein Jahr am Drücker, während Mitterand mit diesem Schlachtruf 1981 zuerst die Macht in der fünften Republik gewinnen musste.

Doch ausgerechnet bei der «Republik» liegt die Bezeichnung «tranquille» im Unschärfebereich, wohl kein anderes Medium zelebrierte bei seinen Start so laut und kräftig die Neuerfindung des Journalismus. Ohne Wenn und Aber: Die «Republik» ist eine Erfolgsgeschichte des Marketings, wofür man deren Erfinder rückwirkend den GfM-Marketingpreis überreichen müsste. Einziger Fauxpas: die Realität nach einem Jahr ist eine andere. Ein Defizit von 2,58 Millionen Franken nach nur zwölf Monaten ist fast schon rekordverdächtig. Da mag auch die Erneuerungsrate von 60 Prozent bei den Abonnenten («Verleger») und die «positive» Einschätzung der «Republik»-Macher nicht darüber wegtäuschen. Ich mag mich gut erinnern, wie die beiden «Republik»-Gründer Constantin Seibt und Christof Moser am Medienkongress 2017 in Luzern Tamedia-Verleger Pietro Supino Verrat am Journalismus vorwarfen. Mit dem Lächeln des Siegers. Was dabei wohl vergessen ging: Ein Marathon wird auf 42 Kilometern entschieden und nicht auf dem Gang zur Startnummernabgabe.

 

«Der Verdacht liegt nahe, dass man bei der Republik der eigenen Marketing-Genialität erlegen ist»

Dass die «Republik» nun finanzielle Probleme hat und – gemäss «NZZ am Sonntag» – einen neuen Investor suchen muss, bedarf keiner Schadenfreude. Es tut weh, wenn ambitionierte Verlagsprojekte zu scheitern drohen. Trotzdem sei die Frage erlaubt, ob nicht viele der eingetreten Probleme 99-prozentig voraussehbar gewesen wären. Schliesslich bewältigt man die Schneemassen, wie sie momentan in den Alpen liegen, von Vorteil auch nicht mit Sommerreifen.

Die Erkenntnis, dass Journalismus nicht ganz billig ist, gehört mittlerweile zu solchen Binsenwahrheiten. Gemäss «NZZ am Sonntag» betragen die monatlichen Ausgaben der «Republik» über eine halbe Million Franken. Das ist – mit Verlaub – wahnsinnig viel Geld.  Jeder, der dies selber erwirtschaften muss, weiss das. Vor allem, wenn man ausdrücklich auf andere Einnahmequellen wie Werbung verzichtet.

«Insideparadeplatz macht vor, wie man mit minimalem Aufwand grosse Beachtung erzeugen kann»

Der Verdacht liegt aber nahe, dass man bei der «Republik» der eigenen Marketing-Genialität erlegen ist und sich zu fest auf den Geldbeutel der Investoren verlassen hat. Journalismus zu erfinden, bedeutet nicht, die ganze Welt neu zu konstruieren. Journalismus besteht nicht nur aus blendender Schreibe und relotiusfreier Recherche, sondern auch aus einer monetären Strategie. Dies zum Wohl der Geldgeber und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das mag zwar schulmeisterlich tönen, doch ausgerechnet die «Republik» hat sich zum Ziel gesetzt, uns die Welt zu erklären. Und aus der Praxis: Insideparadeplatz macht vor, wie man mit minimalem Aufwand grosse Beachtung erzeugen kann.

Aber wie gesagt, Häme wäre falsch. Bleibt zu hoffen, dass die «Republik» in den nächsten Monaten die Kurve kriegt. Ein Scheitern wäre wirklich schade, zu fest hat das Portal unsere Fantasie beflügelt. Spätestens jetzt ist aber die Wirklichkeit angesagt. 

 

 


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