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Wann gibt es in der Debatte ein «new normal»?

von Regula Bührer Fecker

Vor fünf Jahren habe ich ein Buch geschrieben mit dem Titel «#Frauenarbeit – Tipps und Tricks für junge Berufsfrauen». Ein Ratgeber, inspiriert von meinem Leben. Aus dem Buch hat sich eine 12'000 Frauen starke Instagram-Community entwickelt. Seither bin ich Exponentin und Teil der Schweizer «Frauen-Bubble», die sich vor allem auf Social Media rege austauscht. Und ich werde gefühlt wöchentlich an Frauen-Netzwerkevents eingeladen. Sowieso: Die Bewegung «Frauen für Frauen» ist in unserem Land stark wachsend. Das finde ich gut. Denn ja, wir haben einiges verschlafen und aufzuholen als Land. Das wissen wir alle. Denn auch Schweizer Breitenmedien berichten regelmässig über das Thema.

So sehr ich diese #Sisterhood schätze, empfinde ich sie doch nur als kleinen Teil der Lösung. Was ich bemängle? Wir sind zu sehr in einem geschlossenen System, in einer Bubble gefangen, die sich wahnsinnig einig ist, die sich bestärkt, auf Themen und Probleme aufmerksam macht, aber darin auch einfach unter sich bleibt. Ein Beispiel: Ein älterer Verwaltungsratskollege von mir meinte kürzlich, nett gemeint, er kenne eine tolle Frau, mit der ich mich vernetzen müsse. Hm. Ich vernetze mich gern mit Frauen, don’t get me wrong, aber wieso soll ich mich primär mit Frauen vernetzen? Ich vernetze mich gern mit Menschen – egal, welcher Herkunft und welchen Geschlechts –, wenn wir thematisch zusammenpassen.

Ein anderer Kollege von mir meinte, die «Gleichberechtigungsdebatte» sei seit Monaten so aufgeheizt, dass er sich als Mann gar nicht mehr getraue, etwas dazu beizutragen. Man könne gar nichts sagen. Und wenn ich die gehässigen Kommentare – egal, ob von Männern oder Frauen – unter entsprechenden Artikeln betrachte, dann macht mich das traurig: so viel Kampf und Krampf, gegeneinander statt miteinander.

Und ich frage mich: Wann erreichen wir in der Gleichberechtigungsdebatte ein «new normal»? Sicher nicht, wenn wir Frauen uns nur in der Frauen-Bubble verkriechen. Sicher auch nicht, wenn Männer unbeteiligt am Rande des Geschehens bleiben. Je länger wir so weitermachen, desto mehr werden sich die Geschlechterfronten verhärten. Und das ist doch eigentlich das Allerletzte, was wir brauchen. Ich wünsche mir ein «new normal». Eine Schweiz, in der sich Männer genauso offen zur Gleichberechtigung äussern, der Dialog wieder in Fluss kommt. Ja, wir stehen mitten in einer grossen gesellschaftlichen Veränderung. Die Missstände und Fakten sind bekannt. Aber es braucht einfach beide Seiten, die unbefangen miteinander darüber sprechen können, wie wir weiterkommen.

Was meinen Sie? Reden wir wieder miteinander?



Regula Bührer Fecker ist Strategin von Rod Kommunikation, zweifache Werberin des Jahres und Initiantin der Stiftung #Frauenarbeit.

Diese Kolumne erschien zuerst in der «persönlich»-Sonderausgabe zu den Swiss Diversity Awards 2022.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.


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