22.09.2017

Regula Bührer Fecker

«Tränen haben im Büro nichts zu suchen»

Ist das Buch «#Frauenarbeit» ein brauchbarer Ratgeber für junge Frauen? Oder rückt sich Regula Bührer Fecker damit einfach nur selber ins Rampenlicht? Im Gespräch erklärt die 39-jährige Mit-Inhaberin der Werbeagentur Rod ihr Engagement für Karriere-Frauen.
Regula Bührer Fecker: «Tränen haben im Büro nichts zu suchen»
Soeben ist ihr Buch «#Frauenarbeit» erschienen: Regula Bührer Fecker. (Bild: Ornella Cacace)
von Edith Hollenstein

Frau Bührer Fecker, sind Sie eine Frauen-Förderin?
Ja, mit diesem Buch bin ich das auf jeden Fall geworden.

In der Geschäftsleitung Ihrer Firma sitzt aber neben Ihnen keine andere Frau.
Nein, derzeit nicht. Aber wir haben bei Rod generell sehr viele Frauen angestellt: über die Hälfte unserer Belegschaft sind Frauen.

Die Frauen fehlen ja vor allem in Führungsfunktionen, gerade etwa bei Werbeagenturen (persoenlich.com berichtete).
So schlimm ist die Situation nicht. In der Branche ist vieles im Gang: Bei Wirz beispielsweise gibt es mit Petra Dreyfus eine Co-CEO, Ruflanz, Werbeanstalt und Contexta haben seit eh und je auch Frauen an der Spitze.

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So rosig wie Sie sagen, ist die Situation nicht.
Auch ausserhalb der Branche. Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Unternehmen liegt bei 8 Prozent. In den Verwaltungsräten sind es 17 Prozent. Warum ist das so?
Meine These, an der ich auch mein Buch festmache, ist: Frauen müssen im Beruf früh Gas geben. Denn wenn eine Frau beruflich etwas erreicht hat, ist sie eher bereit, weiterzuarbeiten, auch wenn sie Kinder bekommt. Wenn eine Frau realisiert, dass Arbeit Leidenschaft sein und beflügeln kann, verfolgt sie ihre Karriere weiter, auch wenn sie eine Familie hat.

Was heisst das?
Frauen müssen zwischen 20 und 30 fleissiger sein als Männer, denn ihnen bleiben ein paar Jahre weniger als männlichen Kollegen, um gut zu werden. Den Mutterschaftsurlaub macht in der Regel noch immer die Frau. Eine Frau muss bis dahin ein höheres Level erreicht haben, wenn sie eines Tages in Verwaltungsräte oder Geschäftsleitungen aufsteigen will.

In Ihrem Buch schreiben vor allem über sich selber, zitieren weder Studien, noch Erfahrungen oder Interviews von oder mit anderen Frauen. Es ist also mehr Autobiografie, denn ein Sachbuch.
(lacht) Das Buch hat bestimmt autobiografische Züge, denn ich musste ja darlegen, inwiefern es berechtigt ist, dass ich Karriere-Tipps gebe. Ich wollte mich zurückbesinnen auf das, was ich zwischen 20 und 30 erlebt und gelernt habe und diese Tipps, also meine persönlichen Erfahrungen, weitergeben an die junge Generation.

Sie beschreiben Techniken und Tipps, wie etwa: sich Gedanken darüber machen, welche Personen im Umfeld einen unterstützen und welche nicht. Gibt es Personen, von denen Sie sich knallhart und bewusst abgewendet haben, weil sie Sie in Ihren Plänen zu wenig unterstützt hatten?
Ich glaube extrem an das Prinzip der Reduktion und zwar in verschiedenen Lebensbereichen – so auch bei den beruflichen Kontakten. Es lohnt sich zu überlegen, wer einem gut tut. Die inspirierenden Kontakte sollte man pflegen, weniger inspirierende nicht. Manchmal hilft es, wenn man sich auf diejenigen Menschen konzentriert, die zu einem passen. Das habe ich getan. Ich habe mir selber gesagt: «Mit dem will ich mich jetzt nicht mehr zum Mittagessen treffen».

Wie gehen Sie da vor: Sprechen Sie das offen an oder suchen Sie Ausreden?
Es gibt immer Gründe dafür, eine Einladung nicht anzunehmen und auf andere Prioritäten wie die Familie oder so zu verweisen. Was ja auch stimmt. Aber ja, das kann auf Gewisse hart wirken. 

Dann raten Sie, dass man sich Listen mit Leuten anlegen soll, die man zum Lunch treffen will. Diese solle man laufend mit Stichworten ergänzen, also dazu notieren, ob jemand Vegetarier ist oder einen Hund hat. Das tönt alles verbissen strategisch und unpersönlich.
Ja, diese Liste! Auch wenn ich im Buch von einer Liste schreibe: Ich selber führe keine solche Liste, denn ich habe wirklich ein Gedächtnis wie ein Elefant. Ich interessiere mich für Menschen, will aus Neugier immer wissen, ob sie einen Hund haben, welche Rasse er ist und wie der heisst. Das ist so ein Strategenspleen. Und solche Details vergesse ich dann halt einfach nicht. Wenn ich jemanden wiedersehe und mich an solche Kleinigkeiten erinnere, sind die meisten Leute erstaunt. Darum mein Ratschlag an junge Frauen: Interessiert euch für die Menschen, erinnert euch an die Details und macht eine Liste, wenn ihr euch das alles nicht merken könnt. Aufmerksamkeit schafft Nähe.

Daneben sei eine eigenständige Positionierung wichtig. Was meinen Sie damit?
Man muss innerhalb einer Firma für etwas stehen. Etwas besonders gut können. Idealerweise etwas, das alle brauchen und niemand kann. Zu Beginn meiner Karriere war ich immer diejenige, die Videos schneiden musste. Das machte mich unentbehrlich, weil es Probleme löste und Kosten sparte. 

Ihr Buch richtet sich an 20- bis 30-Jährige, da wären mindestens ein, zwei Sätze über diese Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn zu erwarten, aber: Darüber verlieren Sie kein Wort.
Ja, das stimmt! Das müsste in einer zweiten Auflage unbedingt auch ins Buch. Andererseits, und das tönt jetzt vielleicht etwas naiv, aber: Ich selber bin überhaupt nicht der Social-Media-Typ. Ich habe mich fast vollständig von diesen Plattformen zurückgezogen. Bewusst, allerdings.

Junge denken doch stundenlang darüber nach, ob sie ihrer Chefin eine unpersönliche oder persönliche LinkedIn-Anfrage schicken sollen.
Natürlich sind Facebook und LinkedIn extrem relevant. Aber am Ende das Tages sind es Telefonbücher und Chats. Anfragen über Social Media zu schicken, ist zwar einfach und bequem. Es ist aber auch nicht besonders einfallsreich und differenzierend. Ich suche meistens den anderen, ungewöhnlicheren Weg. Derjenige, der bemerkt wird. Und der ist heute halt persönlich. 

Ein anderes gross abgehandeltes Thema im Buch ist Mentoring.
Mentoring ist ein gutes Stichwort. Gratis, unglaublich hilfreich, vollkommen massgeschneidert. Dennoch habe ich noch kaum eine Frau getroffen, die sich getraut hat, jemanden als Mentor oder Mentorin einzuspannen.

Und Männer schon?
Nein, stimmt: Männer tun das auch nicht. Ich finde Mentoring einfach eine grossartige Methode. Sie ist gratis. Sie steht grundsätzlich allen offen und ist sehr effektiv. Und wenn eine junge Frau jemanden um ein Mentoring anfragt, dann ist das sehr unerwartet, da selbstbewusst und damit besonders. 

Wenn nur schon 1000 Frauen aufgrund Ihres Buches ihre Vorbilder für ein Mentoring anfragen, können sich einzelne Personen nicht mehr vor Anfragen retten.
Das wäre doch gut. Es sollen ruhig mehr Leaderinnen und Leader mehr ehrliche Erfahrungen weitergeben.

Sie haben Mentoring in New York gelernt.
Mentoring war in New York über Werbeclubs ein mehr oder weniger selbstverständliches Angebot, gerade für den Nachwuchs. Da konnte man sich Mentoren von Konkurrenzagenturen aussuchen, und das war gar kein Problem. In der Schweiz dagegen ist es sehr unüblich.

Wahrscheinlich fragt niemand, weil man doch in dieser vollgepackten Zeit von keinem Gratis-Leistungen beziehen will.
Ja, aber das ist doch tragisch! Fragen kostet nichts, darum sollten das viel mehr Leute tun. Natürlich muss man Absagen hinnehmen, viele sogar. Das gehört dazu.

In Ihrem Buch liest man Tipps, die abschreckend wirken: «Beisse die Zähne zusammen, schlucke den verletzten Stolz herunter» oder «In 5 Jahren hatte ich wohl Arbeitsstunden von 10 angehäuft. Ich sah das nie als Ausbeutung». Und: «Nie weinen. Keine Tränen vor Kollegen oder Chefs im Büro».
Das tönt hart, braucht aber auch immer Kontext drumherum. Aber es ist schon so, man muss etwas investieren, um was zurückzukriegen. Das Buch ist nach meinem Schnabel geschrieben: direkt, ohne Blatt vor dem Mund. Es wird nichts schöngeredet. Es erstaunt mich aber schon, dass die Stelle mit den Tränen im Büro so viele Diskussionen anstösst. Tränen haben im Büro einfach nichts zu suchen. Eine Frau, die immer gleich weint, stellt sich selber ins Abseits.

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Und mit der Stiftung #Frauenarbeit wollen Sie Ihrem Buch zusätzlich Substanz verleihen?
#Frauenarbeit bildet einen logischen Schritt aus dem Buch heraus. Es soll sich etwas bewegen, darum habe ich zusammen mit meiner Freundin Judith Weber Günter diese Stiftung gegründet. Unser erstes Projekt, das wir mit dem Buch finanzieren, ist ein Coaching-Programm in Zusammenarbeit mit «20 Minuten Friday», bei dem zehn junge erfolgreiche Berufsfrauen ein Jahr lang gratis je einer jungen Frau ihr Wissen weitergeben. Ich bin sehr dankbar, dass «Friday» diese Sache so toll unterstützt hat. 

Auffällig ist beim Blick auf die Coaches, dass es sich zur Hälfte um Frauen handelt, die bei Kunden von Rod arbeiten – etwa Siroop, Credit Suisse, SBB oder Swisscom. Wollen Sie diese Frauen so an Rod binden?
Ich habe logischerweise auch meine Kontakte angeschrieben. Doch die meisten dieser Talente kannte ich vorher nicht persönlich, sondern sie wurden mir weitervermittelt. Diese Aktion ist keine Kunden-Promo-Geschichte.

Und wie garantieren Sie die Qualität des Coaching-Programmes?
Alle Coaches sind ausgewiesene Fachfrauen und alle führen Menschen. Carmen Spielmann ist 30 Jahre alt und CEO von Sharoo. Sarah Brunner ist erster weiblicher Kompanie-Kommandant einer Gebirgsschützen-Kompanie und führt 250 Rekruten, und das mit 28 Jahren. Die Coaches werden persönlich aus allen Bewerbungen eine junge Frau auswählen, die am besten zu ihnen passt. Wie das Coaching dann gestaltet wird, das wird sehr individuell auf die Bedürfnisse der jungen Frauen ausgerichtet sein.

Und Sie selber? Sie sind nicht einmal 40 Jahre alt. Welches sind Ihre Vorbilder für den Karriereweg, der noch vor Ihnen liegt?
Alle Leute, die das was Sie tun, mit Leidenschaft machen und eine mentale Freiheit haben zu entscheiden, was Sie wie tun wollen.


Regula Bührer Fecker ist Mitgründerin der Agentur Rod. 2010 und 2014 wurde sie zur «Werberin des Jahres» gekürt. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern in Zürich.

 



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