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24.10.2018

SRF

Hat #MeToo etwas verändert?

Was hat das Hashtag gebracht? Der SRF-«Club» versuchte sich an einer Bilanz – mit mässigem Erfolg.

Vor einem Jahr wurde der Weinstein-Skandal bekannt. Vorwurf an den Hollywood-Produzenten: Sexuelle Nötigung bis hin zur Vergewaltigung. Der Prozess beginnt im November. Mit einem Hashtag berichten seit 2017 Millionen von Frauen von Sexismus und sexueller und Gewalt. Die meisten Opfer hatten jahrelang geschwiegen. Aus Angst. Aus Scham. Was hat die weltweite MeToo-Debatte ausgelöst? Und hat sie etwas verändert? Darum ging es im «Club». Gebracht hat die von Barbara Lüthi moderierte Diskussion wenig. Aber sie war differenziert. Keinerlei Hysterie. Und das ist doch was.

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Nicht überraschend: Die Runde war sich ausnahmslos einig, dass die Diskussion bedeutsam ist. Publizistin Esther Girsberger: «Die MeToo-Debatte ist wichtig, hat aber viele Trittbrettfahrerinnen zur Folge.» Dem stimmte die in dieser Frage besonders engagierte «Tages Anzeiger»-Autorin Michèle Binswanger zu: «MeToo hat auch problematische Seiten.»

Über den Nutzen sagte Binswanger später: «Die Gesellschaft ist nicht mehr gewillt, Übergriffe hinzunehmen. Man kümmert sich darum. Ein gutes Zeichen.» Schauspielerin Melanie Winiger findet es wichtig, dass Frauen dank der Auseinandersetzung selbstbewusster wurden und den Mut fanden, zu berichten, was ihnen passiert ist.

Der Psychoanalytiker Jürg Acklin war vor einem Jahr kritischer gegenüber #MeToo. Jetzt sagte er im «Club»: «Es gibt fürchterliche Männer. Das hatte ich unterschätzt.» Positiv stimmt ihn hingegen: «Wir haben eine Dialogbereitschaft entwickelt. Wenn wir auf gleicher Ebene das Gespräch finden, auch ein erotisches Gespräch, dann ist das ein grosser Gewinn.»

Zu einem kurzen Disput kam es wegen einem Artikel über den Ringier-Journalisten Werner De Schepper. In einer ganzseitigen Tagi-Story hatte Michèle Binswanger geschrieben, dieser habe Mitarbeiterinnen sexuell belästigt (persoenlich.com berichtete). Binswanger wunderte sich, dass ihre Geschichte von anderen Medien nicht aufgenommen worden war und vermutet, dass De Schepper geschützt wurde.

Daran glaubt Esther Girsberger nicht: «Ich hatte Mühe mit dieser Geschichte. Wenn es zu Exzessen gekommen wäre, würde er sich nicht immer noch in einer Chefposition befinden. Auch glaube ich nicht, dass er von Michael Ringier oder anderen Verlegern gedeckt wurde.»

Single-Coach Janos Horvat meinte zum Schluss, dass die Männer durch #MeToo verunsichert worden sind, «vor allem die Feinfühligen». Doch die Männer sind nicht plötzlich anders. Aber manche von ihnen haben durch den globalen Aufschrei wohl erfahren, dass ihr Verhalten gegenüber Frauen inakzeptabel war – oder immer noch ist. Was im «Club» nicht diskutiert wurde: Auch gegen Männer gibt es bekanntermassen sexuelle Übergriffe. Und auch da muss vieles anders werden, wenn es besser werden soll.


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