20.01.2015

Nzz.at

"Konsequent digital gedacht und umgesetzt"

NZZ-CEO Veit Dengler zur Strategie hinter dem innovativen Start-up-Projekt.
Nzz.at: "Konsequent digital gedacht und umgesetzt"

Herr Dengler, bei den Diskussionen um Druckereischliessung und Chefredaktoren-Stelle: Beschäftigen Sie heute eher diese beiden Themen oder steht der Start von nzz.at im Vordergrund?
Das Druckzentrum Schlieren beschäftigt mich sehr, weil es hier um unsere Mitarbeiter und die Wirtschaftlichkeit der Mediengruppe geht. Meine Verantwortung als CEO ist es, die NZZ-Mediengruppe operativ erfolgreich zu führen. Die Chefredaktoren-Bestellung fällt in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsrats.

Als NZZ-CEO haben Sie sicher eine gut gefüllte To-Do-Liste.
Ja, wir sind wie alle Medienhäuser in einem Wandlungsprozess, da müssen wir Verschiedenes parallel anpacken: Technologie, Prozesse, Produkte. Wichtig ist, dass wir das im Rahmen einer klaren Strategie tun. Diese haben wir Anfang 2014 verabschiedet. Im Unterschied zu vielen anderen Medienhäusern fokussieren wir uns klar auf das Kerngeschäft Publizistik.

Nun lancieren Sie am Mittwoch nzz.at. Dabei handelt es sich um ein "digital-only Bezahlprodukt". Was genau heisst das?
Zunächst heisst es, dass nzz.at – zumindest bis auf Weiteres – nur in digitaler Form erscheint und konsequent digital gedacht und umgesetzt ist. Wir haben nicht einfach eine Qualitätszeitung ins Internet übertragen, sondern ein Produkt kreiert, das die Möglichkeiten von Digital voll nutzt. Dieses bieten wir als Bezahlprodukt an, weil wir überzeugt sind, dass es für qualitativ hochwertige Inhalte einen Bezahlmarkt gibt.

Wer soll nzz.at lesen?
Unsere Zielgruppe sind die "smart and busy people", also Menschen, die wenig Zeit haben, aber qualitativ hochwertige Information suchen, die für sie persönlich von Interesse ist. Bei nzz.at können sie sich ihre Digitalzeitung individuell zusammenstellen. Der Leser entscheidet, was für ihn relevant ist, welche Themen und Autoren er folgen will.

Wie ist die Stimmung in Österreich?
Die Aufbauarbeit mit dem Team von nzz.at hat sehr viel Spass gemacht. Michael Fleischhacker, der Chefredaktor von nzz.at, meint, es sei das beste Team, das er je geführt habe. In diesem Sinne freue ich mich sehr auf spannende Lektüre und die weiteren Entwicklungsschritte.

Nzz.at verspricht, auf Augenhöhe mit den Abonnenten zu kommunizieren. Redaktoren können genauso Abonnenten folgen wie umgekehrt. Warum soll ein Redaktor einem Leser folgen?
Weil unsere Leser über Expertise und Fachwissen verfügen und etwas zu sagen haben. Ich bin überzeugt, dass das journalistische Produkt der Zukunft nicht einfach der Bericht oder Artikel sein wird, sondern eher eine Art Blog, in dem Artikel immer auf Leser antworten und Antworten von Lesern herausfordern. "News is the first rough draft of history", Nachrichten sind ein erster Entwurf der Geschichte, lautet ein gern zitierter Satz zur Funktion des Journalismus. Das Internet sorgt dafür, dass dieser Entwurf nicht mehr einseitig von Journalisten vorgegeben wird, sondern eine Dimension gemeinsamer Deutungsarbeit erhält.

Leser haben die Möglichkeit, Themen, Phänomene und Autoren selbst auszuwählen und damit nur jenen Inhalten und Journalisten zu folgen, die für sie interessant und relevant sind.
Ja, wir setzen auf eine Themen- anstelle einer Ressort-zentrierten Struktur, weil dies der digitalen Logik entspricht. Digital suchen die Leser nicht nach einem Ressort sondern nach Themen – wir nennen es bei nzz.at "Phänomene" –, um die wir die Informationen für sie bündeln. Ausserdem bietet die Seite einen schnell zugänglichen Nachrichtenteil und einen sogenannten Club.

Wozu dieser Club?
Im Club können sich Leser und Autoren online austauschen. Wir veranstalten aber auch offline Club-Abende zu Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Club-Idee ist ein zentraler Gedanke von nzz.at: Man will zu einem Kreis von Leuten gehören, die sich auf hohem Niveau mit spannenden Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

Ist nzz.at eine Art Versuchslabor für nzz.ch und oder auch andere Newssites, resp. Titel der NZZ-Mediengruppe? Wäre eine Adaption auch tagblatt.ch oder luzernerzeitung.ch möglich?
nzz.at ist für uns spannend, weil wir ein Projekt abseits unserer Konzernstruktur auf die grüne Wiese stellen. Mit nzz.at können wir mit kalkulierbarem Risiko neue Ideen entwickeln und umsetzen. Die Erkenntnisse werden wir auch für die Schweiz nutzen. Wir sehen bereits, dass die gesamte Gruppe vom Projekt nzz.at lernt; erste Erkenntnisse fliessen in die Entwicklung anderer neuer Produkte ein, an denen wir derzeit arbeiten.

... oder machen Sie sich in Österreich fit, um in einem nächsten Schritt im deutschen Markt Fuss zu fassen?
Nein. Nzz.at ist ein Schritt in einen Markt, in dem wir eine Lücke im Qualitätsbereich identifiziert haben. Deutschland ist ein völlig anderes Umfeld. Wir haben bereits ein bestehendes Angebot in Deutschland. Ob und wie wir allenfalls darüber hinaus tätig werden, entscheiden wir im Rahmen unserer generellen strategischen Entwicklung. Hierzu gibt es keine konkreten Pläne.

Kritische Stimmen sagen, Sie würden nzz.at lancieren um sich selber in eine gute Position zu bringen für eine Politkarriere bei der  Partei "Das Neue Österreich und Liberales Forum" (Neos). Was sagen Sie dazu?
Dass das keine kritischen Stimmen sind, sondern unwissende. Unsere Statuten verbieten den Redaktionen jegliche Parteinahmen. Die nzz.at-Redaktion fühlt sich zwar einer bürgerlich-liberalen Meinungsbildung verpflichtet, aber sicher keiner Parteilinie. Sie arbeitet vollständig unabhängig. Die publizistische Leitung rapportiert im Übrigen in inhaltlichen Belangen direkt an den Verwaltungsratspräsidenten der NZZ-Mediengruppe, nicht an den CEO.

Offenbar ist nzz.at für zwei Jahre vorfinanziert. Bis wann ist Break Even vorgesehen?
Das Projekt ist solide finanziert, muss aber in vernünftiger Frist selbsttragend werden.


Das digitale Bezahlangebot nzz.at der NZZ-Mediengruppe startet in Österreich offiziell am 21. Januar 2015. nzz.at existiert nur online und die Seite hat von Anfang an eine Paywall. Das Angebot kostet im Monat 14 Euro. Das Abo ist monatlich kündbar. Die Seite basiert auf einer responsiven HTML5-Lösung. Das Design ist vom mobilen Bildschirm her konzipiert und auf einen möglichst intuitiven Zugang ausgelegt. (eh)

Fragen: Edith Hollenstein, Bild: zVg


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