02.02.2015

Branded Content – angebrannter Inhalt

Content is King, das ist das Mantra der meisten Medienhäuser der Welt, auch in der Schweiz. "Content Provider" nennt sich neuenglisch jeder der wenigen überlebenden Schweizer Nachrichtenhersteller. Ein schönes Modewort, aus dem orwellschen Double Speak abgeleitet ein Euphemismus für "zu Tode sparen".
von René Zeyer

Content is King, das ist das Mantra der meisten Medienhäuser der Welt, auch in der Schweiz. "Content Provider" nennt sich neuenglisch jeder der wenigen überlebenden Schweizer Nachrichtenhersteller. Ein schönes Modewort, aus dem orwellschen Double Speak abgeleitet ein Euphemismus für "zu Tode sparen".

Während vom "Magazin" aufwärts jede Form der Verabschiedung von selbst erarbeiteten Inhalten als "Qualitätsverbesserung" schöngeredet wird, ist noch Platz für geheuchelte Erregung darüber, dass der internationale Konzern Condé Nast, der weitgehend die Lufthoheit über das Schöne und Edle hat ("Vogue", "New Yorker"), ankündigte, dass sich seine Journalisten auch der Herstellung von "Branded Content" widmen werden. Darunter versteht man die von Firmen bezahlte Herstellung von Inhalten, die in journalistischem Gewand daherkommen und so diskret wie möglich als Werbebotschaften gekennzeichnet sind.

Welche Heuchelei. Schon längst sind die Zeiten vorbei, als wenigstens noch ein unscheinbarer Hinweis auf ein "Advertorial" oder eine "Publireportage", was die meisten Leser sowieso nie verstanden, darauf aufmerksam machte, dass es sich hier nicht um eine journalistische Eigenleistung handelt, sondern um ein bezahltes Inserat.

Seit Menschengedenken folgen Berichte über neue Automodelle oder "Reisereportagen" nicht dem journalistischen Ansatz, eine aus dem Redaktionsbudget bezahlte kritische Darstellung zu sein. Als Gipfel der Transparenz wird da lediglich gelegentlich verschämt darauf hingewiesen, dass diese Probefahrt, dieser Ausflug in dieses Ferienressort mit freundlicher Unterstützung der Automarke XY oder des Reiseveranstalters YZ zustande kam.

Ganz wild wird’s, wenn ein "Content Provider" neue Wertschöpfungsketten profitabel macht, indem er an Veranstaltungen von Stars und Sternchen mitverdient, die er gleichzeitig in seinen Organen abfeiert – in aller journalistischen Unabhängigkeit, versteht sich.

Aber damit hört’s ja nicht auf. Wer wie ich das eine oder andere kritische Wort über Finanzdienstleister wagt, erlebt häufig, welcher Gehirnschmalz darauf verwendet wird, eine Begründung zu erfinden, wieso dieser zwar gut geschriebene und überzeugend recherchierte Artikel nun leider doch nicht zur Veröffentlichung geeignet ist. Ich könnte da Namen und Beispiele nennen, aber ich will mir ja nicht meine letzten Plattformen selber abfackeln.

Und nun "Branded Content", also der bestellte und bezahlte Artikel, der das Redaktionsbudget entlastet und den Leser im Glauben lassen soll, dass er hier einen professionell-journalistischen Gegenwert für den Ankauf der Ware Information erhält. Das Problem besteht darin, dass sich Konsument und Produzent die Wahrheit schönlügen. Der Konsument bezahlt immer häufiger nichts für die Medienware, indem er sie sich im Internet gratis abholt. Der Produzent kann sie aber nicht gratis herstellen, solange er noch Journalisten, Büros, Infrastruktur und sogar Druckereien bezahlen muss.

Als "last man standing" bleibt da nur der Inserent, der seine Botschaft ja gerne im Huckepack über mediale Plattformen unter die Leute bringen möchte. Das kann er in Form von klassischen Inseraten, Bannern, Pop-Ups und anderen Werbeformen tun, wobei er aber fürchterliche Streuverluste in Kauf nehmen muss. Da liegt es doch auf der Hand, dass er in den sogenannten redaktionellen Inhalt eingreift, also die Trennung zwischen bezahlter Werbung und Eigenleistung aufhebt.

Schon immer ging der Journalismus auf dem Strich, der Eigenleistung und Einflussversuche von Inserenten trennt. Niemals wagte der Journalismus einen Artikel, in dem stünde: "Also was Ihnen, liebe Leser, das Inserat links von diesem Bericht aufschwatzen will, ist nun aber der letzte Schrott, kaufen Sie das ja nicht." Also was soll die Aufregung. Statt sich über die Vermischung von News und Werbung zu erregen, soll der Leser sich doch lieber darüber freuen, dass ab und an noch Storys durch alle Bedenkenträgerei durchrutschen, die tatsächlich einen Erkenntnisgewinn beinhalten. Wenn er die Ware schon weitgehend gratis bezieht, darf man ihm die Denkarbeit doch zumuten, da unterscheiden zu können.

Was gratis ist, kostet, was angebrannt ist, ist weniger bekömmlich als ein gut gekochtes Gericht; da zu differenzieren kann doch nicht so schwer sein.



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