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Die Kraft der einfachen Sprache

Marcus Knill

Trotz abgehackter Sätze und stetiger Gedankensprünge wurde Trump zur Überraschung der gesamten Medienwelt zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Er konnte es sich leisten, sich zu verhaspeln. Seine Art zu Reden hat jedenfalls nichts mit dem üblichen Sprechen von Magistraten zu tun. Trump nimmt sich das Privileg, so zu reden, wie es ihm passt. Er reiht die Gedanken aneinander, wie sie ihm gerade einfallen. Erstaunlicherweise übt seine supersaloppe Art zu sprechen für viele einen sonderbaren Reiz aus. Noch nie hat ein Präsident so geredet, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Wenn Trump sich öffentlich äussert, hat man stets das Gefühl, er unterhalte sich beim Bier.

Linguisten bezeichnen Trumps Sprache als schludrig. Seine Art zu Sprechen entspricht aber dem Zeitgeist der 60er-Jahre, als Mode, Sexualität und vieles mehr zwangsloser geworden war. Gestelztes Reden ist heute nicht mehr gefragt. Kommt dazu, dass die Medien einfaches und verständliches – strassengängiges – Reden schätzen. Der Trend lautet: Echtheit, freies Reden. Trump überträgt den Twitter-Stil – Aussagen auf 140 Zeichen begrenzt – auf seine Alltagsrhetorik. Es gab noch nie einen Präsidenten, der gar keine sprachlichen Ambitionen hatte. Nach der Wahl wird nun aber nach und nach klar, welche Risiken planloses Drauflosreden birgt. Trumps Aussagen sind übrigens gar nicht immer so verständlich, wie es die «volksnahen» Wortfetzen vortäuschen. Man fragt sich oft: Was wollte er eigentlich sagen?

Sprachwissenschaftler ordnen die Einfachheit von Trumps Sprache unter dem Begriff «basic level cognition» ein. Damit sind Wörter gemeint, die sinnlich wahrnehmbar sind. Ich bezeichne diese Art sich auszudrücken als «sinnvolles Kommunizieren». Aussagen sind beim sinnvollen Reden wahrnehmbar (anfassen, sehen, hören schmecken). Wer so spricht oder schreibt, dass die Sinne angesprochen werden, spricht wirksamer. Im Gegensatz zu Trump hat Hillary Clinton vor allem mit Statistiken argumentiert, statt so zu reden, dass man ihre Aussage «sah». Nicht umsonst wird in der Medienrhetorik empfohlen: Erzählt ein Beispiel. Koppelt die Botschaft mit einer Geschichte. Konkrete Details haften erfahrungsgemäss im Langzeitgedächtnis. Trumps Populismusstorys haben sich in der Wahlkampfphase bewährt. Nun müsste er jedoch den Übergang zu einer angemessenen Amtssprache schaffen. Im weissen Haus gelten andere Regeln. Die Aussage «Krumme Hillary, sperrt sie ein!» hat Trump bereits in der Wahlnacht geändert. Er sagte, er wolle Hillary nicht weiter verfolgen, sie müsse genesen. Doch seine grosszügige Haltung dauerte nicht lange an. Er wiederholt kurz darauf, Clinton sei eine Kriminelle.

Ich bezweifle, dass sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten einer anderen Rhetorik bedienen kann als während der Wahlkampfphase. Die rhetorischen Muster wird (oder kann) wohl Trump nicht mehr ablegen. Wenn er frei – ohne Manuskript – spricht, redet Trump recht schnell und folgt impulsiv dem Lauf seiner Gedanken. Das zeigt sich vor allem in seinen Interviews. Er benötigt fast eine Minute für eine spontane Antwort. Generell steht fest: Trump reiht kurze Gedanken – meist Hauptsätze – aneinander. Diese bestehen aus eingängigen kurzen Wortfetzen. Er kann Sätze abbrechen, um sie später wieder aufzunehmen. Was ferner auffällt, sind seine Abschweifungen, die Randbemerkungen und Fussnoten. Es besteht bei seinen Formulierungen immer die Gefahr, dass der Zusammenhang fehlt. Trump vermeidet Satzgefüge mit Nebensätzen. Er nutzt auch immer wieder die Macht der Wiederholung.

Fazit: Donald Trump dient, dass er sagen kann, was ihm gefällt, und dass es für ihn keine Konsequenzen gibt. Deswegen wurde er von vielen nicht ernst genommen. Einen Typ wie ihn kann am Ende des Tages eigentlich niemand ernst nehmen. Das war die gängige Meinung, sie lag komplett daneben. Mit seinen Provokationen und fragwürdigen Aussagen bringt er die Medien zum Tanzen. Trump will seinen Anhängern zeigen: Ich bleibe mir treu und verbiege mich nicht. Vermutlich wird er sein sonderbares Verhalten gar nicht ablegen. Ich prognostizierte schon vor Monaten: Trump ist die Medienpräsenz wichtig, er ist unberechenbar und man kann bei ihm mit weiteren Überraschungen rechnen. Er muss im Rampenlicht stehen und könnte es – das ist nicht ausgeschlossen – geniessen, wenn man ihn fürchtet.

Dass sich Trump mit seinem exzentrischen Verhalten selbst das Grab schaufelt, ist gar nicht sicher (Es gibt Prognostiker, die bereits ein Amtsenthebungsverfahren prophezeien). Es muss weiterhin damit gerechnet werden, dass der Präsident nicht von der Bildfläche verschwinden wird. Er hat die Medienwelt gewaltig aufgemischt. Kritik perlt an ihm ab. Sie bestärkt ihn höchstens, dass er berufen ist, Amerika wieder gross zu machen. Eines ist sicher: Dank seiner Provokationen ist Trump die Medienpräsenz noch lange gesichert. Denn auch Trump-Bashing ist Medienfutter.

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