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Hat die Apple Watch die Welt verändert?

Klaus-Dieter Koch

Vor knapp einem Jahr kam die Apple Watch auf den Markt. Ein Gadget, das nicht nur die Aufmerksamkeit von Apple-Jüngern auf sich zog, sondern auch hierzulande, in der Heimat der Horlogerie, viel Unruhe stiftete. Mit dem Auftakt zur Basel World, der Weltmesse für Uhren und Schmuck, ist die Zeit für eine Zwischenbilanz reif.

Die Apple-Leute haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie sind hochprofessionell vorgegangen und setzten herausragende Führungskräfte aus der Luxusindustrie in Schlüsselposten ein. Dann folgten ein innovatives Produktdesign, ein perfektes Interface mit viel noch nie Dagewesenem.

Auch das von der Uhrenindustrie lange sträflich vernachlässigte Thema Uhrenarmbänder wurde perfekt gamanagt und durch die Kooperation mit der französischen Luxusmarke Hèrmes auf die Spitze getrieben. Der Vertrieb, genau richtig portioniert, und das Apple Marketing gehört sowieso zum Besten in der Branche. Resultat: Kaum angetreten, hat Apple bereits eine dominierende Stellung bei den Smartwatches mit einem geschätzten Marktanteil von über 60 Prozent.

Wie haben die verwöhnten Schweizer Uhrenpatrons reagiert? Von vorauseilender Panikinnovation (Hublot, TAG Heuer, Frederique Constant) bis hin zu totaler Ignoranz (Rolex, Patek) und mutigem, ironischen Gegensteuern (Moser Swiss Alp Watch), war alles dabei. Und wie haben die Kunden die «Revolution» angenommen? Von Apple wurden bisher keine detaillierten Zahlen veröffentlicht.

Kein gutes Zeichen, denn sonst werden immer gerne gigantische Millionenverkäufe verkündet. Neben der Early-Adoptor-Hipster-Crowd sind es dann doch eher technik- und weniger stilaffine Menschen, die diese «praktische» Uhr tragen. Die Kernzielgruppe der Schweizer Uhrenhersteller, faszinierende Frauen und charismatische Männer, wurden bisher mit keinem Handgelenkscomputer gesichtet.

Muss sich die Schweizer Uhrenindustrie trotzdem Sorgen machen? Ja. Aber nicht wegen der Apple Watch, sondern wegen der eigenen Unfähigkeit, sich selbst zu erneuern. Die Schweizer Manufakturen waren in den letzten Jahren masslos gierig, haben sich einseitig auf asiatische Märkte ausgerichtet und bekommen jetzt die Quittung dafür. Die Umsatzrückgänge in der Schweizer Uhrenindustrie haben bisher mit der Apple Watch nichts zu tun. Denn sie ist ein Gadget für Menschen, die sowieso keine mechanische Uhr tragen bzw. kein Bedürfnis nach einer Luxusuhr haben.

Es gibt aber Hoffnung. Wie viel Schweizer Haute-Horlogerie-Leistung man für einen guten Preis bekommt, hat Montblanc kürzlich an der Uhrenmesse in Genf gezeigt. Auch Breguet, Longines und Tudor machen einen guten Job. Die Branche lernt wieder, sich um den Kunden zu bemühen, ein nachvollziehbares Preis-Wert-Verhältnis zu bieten, die Handelspartner partnerschaftlich zu behandeln und das eigene Tun kritisch zu hinterfragen.

Trotzdem gibt es noch viele Chancen, die bisher nicht oder nur halbherzig angepackt wurden. Das allgemeine Luxusverständnis hat sich verändert. Aber was bietet eine Luxusuhrenmarke, wenn Luxus immer immaterieller wird? Wie sieht das neue Statussymbol in einer Welt ohne Statussymbole aus? Nach Jahren der Exzesse in der globalen Luxuswelt verdichten sich die Zeichen, dass sich die Luxusmarken erneuern und lernen müssen, welche Art von Luxus sie in die Zukunft trägt. Die Schweizer Uhrenindustrie könnte hier eine Vorreiterin sein. Dann hätte Apple die Welt tatsächlich mal wieder verändert.

 Klaus Koch ist Managing Partner der Managementberatungsfirma Brand Trust und einer der führenden Markenexperten im deutschsprachigen Raum. In der Studie «New Luxury and Brands Reloaded» hat er kürzlich das sich verändernde Luxusverständnis in der Schweiz, Deutschland und Österreich sowie den USA und China untersucht.

 

 

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