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Lovebrand? Gewinnen wird der Trustbrand

Wir leben in einer Zeit, in der das Undenkbare zur Normalität wird. Sei es global, wo zwei Kriege und die Pandemie uns überraschten oder lokal, wo wir den Untergang der Credit Suisse mit ansehen mussten. Die Konsumentenstimmung ist auf dem Tiefpunkt. Das Mindset der Menschen ist definitiv nicht mehr das der 10er Jahre. Werte, Einstellungen und Verhalten haben sich markant verändert. Und die Unternehmungen stehen vor der Aufgabe, ihre Strategien dementsprechend neu auszurichten. Dabei ist ein zentrales Dogma des Marketings aus der Zeit gefallen: Der Lovebrand.

Die Schweizerinnen und Schweizer lieben Alfa Romeo. Regelmässig liegt die Marke bei der Sympathie ganz vorne: Und beim Absatz? Alfa Romeo hat gerade mal einen Marktanteil von 0,6 Prozent. VW wird weniger geliebt, verkauft aber fast 20x mehr Fahrzeuge. Toyota kommt noch weit weniger Liebe entgegen, aber verkauft fast 10x mehr als Alfa Romeo. Weil VW und Toyota Trustbrands sind. Eine Telecom-Anbieterin bat mich einmal aus ihrer Marke ein Lovebrand zu machen. «Wozu?», war meine Antwort. Die Marke war immer ein echter Trustbrand. Berechenbar, man kann sich auf sie verlassen. Das ist das höhere Gut und rechtfertigt einen Aufpreis.

In der Phase der Verunsicherung sehnen wir uns wie nie zuvor nach Vertrauensankern. Darum setzen die Menschen jetzt auf sichere Werte: In Deutschland hat sich während der Pandemie die Anzahl Konsumentinnen und Konsumenten, die vertraute Marken bevorzugen, innerhalb eines Jahres verdoppelt. Weltweit sagen 60 Prozent, dass sie in unsicheren Zeiten auf vertraute Marken setzen. Als man nach der Pandemie in der Schweiz die Bevölkerung befragt hat, was sie an ihrem Einkaufsverhalten ändern wollen, war «ich kaufe häufiger Schweizer Produkte» an erster Stelle. Man bringt der Swissness grösstes Vertrauen entgegen. Eine aktuelle Untersuchung von 2023 von Link zeigt klar, dass wahrgenommene Swissness und Vertrauenswürdigkeit korrelieren.

Weshalb ist das Vertrauen in Marken heute so wichtig:

  • Erstens, weil man keine Enttäuschung, sondern ein sicheres Erfolgserlebnis haben will. Der Alltag liefert genug Unsicherheit. Man will nichts weniger als «satisfaction guaranteed».
  • Zweitens weil man im Onlinehandel die Ware nicht mehr physisch prüfen kann und sich auf die Marke als Qualitätsgarantie verlassen muss. Und mit dem Aufkommen der chinesischen Billig-Plattformen wird das immer wichtiger.
  • Drittens, weil man einer starken Marke mit einer klaren Haltung das Vertrauen schenkt, dass sie die Umwelt so wenig wie möglich belastet. Der Trend zur Nachhaltigkeit stärkt die Purpose-getriebenen Vertrauensmarken.
  • Und viertens, weil wir mit dem Aufkommen von Generative AI Wahres von «Fake» nur noch schwer unterscheiden können. Gerade in dieser Situation ist eine vertrauenswürdige Quelle entscheidend. AI macht nicht Liebe wichtiger sondern Vertrauen.


Der Trustbrand wird das Erfolgsrezept der Zukunft. Damit sind wir wieder bei den Ursprüngen der Markenführung. Das erste umfassende Werk dazu verfasste Hans Domizlaff 1939. Es hiess: «Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens – Ein Lehrbuch der Markentechnik»

Der deutsche Markensoziologe Arnd Zschiesche bringt die Situation kompromisslos auf den Punkt: «Die einzig relevante Emotion in Bezug auf eine Marke ist das Vertrauen ihrer Kundschaft» Zu Recht geisselt er die unverbindliche Emotion in der Werbung und fordert, dass man – ganz einfach – wieder sagt, welchen einmaligen Nutzen ein Produkt stiftet. Ich denke, wenn man das nicht kann, sollte man nicht an der Kommunikation arbeiten, sondern am Angebot.


Dominique von Matt ist Präsident der Gesellschaft für Marketing (gfm) und Mitgründer der Kommunikationsagentur Jung von Matt Limmat.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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