03.02.2014

Blinq

Hoi oder Tschüss

Blinq-Gründer Alex Zimmermann und Jan Berchtold über ihre "Bieridee".
Blinq: Hoi oder Tschüss

Alex Zimmermann und Jan Berchtold, beide 29, gründeten Blinq: eine App zum Flirten und Daten. Ihre "Bieridee" wurde mit dem Best of Swiss Apps Award 2013 ausgezeichnet.

"Wir wollen eine Dating‐App machen für Leute, die eigentlich keine Dating‐App brauchen." Alex Zimmermann lehnt sich im Ledersofa in seinem Büro im Zürcher Kreis 4 zurück. "Leute, die schon jetzt keine Mühe haben, jemanden kennenzulernen. Das ist dann mehr so on top." Vor dem USM‐Regal steht ein Rennrad, neben dem Fenster ein Kiteboard, es sieht neu aus. "Hab ich Ende des Jahres gekauft, aber Zeit, um es einzuweihen, hatte ich noch nicht. Wir sind immer am Arbeiten."

Blinq heisst die App, die er mit Jan Berchtold entwickelt hat und die seit September 2013 online ist. Beworben wird Blinq bewusst als Flirting‐App, nicht als Dating‐App. Onlinedating, das werde immer noch stark stigmatisiert.
"Da denkt man immer noch an Leute, die es nötig haben."

10'000 Leute haben sich bereits auf Blinq registriert, 60 Prozent davon aus Zürich, Durchschnittsalter 25. Aus den Facebook‐Daten wird ein Profil erstellt ("Dauert nicht mal eine Minute!") – dann muss man warten. Denn, so Jan und Alex, da unterscheide sich Blinq eben grundlegend von all den anderen Angeboten wie Tinder und Badoo, die bereits länger auf dem Markt sind: Nicht jeder kommt rein. Die Community entscheidet, ob jemand in den Blinq‐Kreis passt. Will heissen: Ob seine Fotos ansprechend, die Likes und Gruppen auf Facebook stimmig und die An‐ zahl der Freunde im Rahmen sind. Zusätzlich zu den "Hi's“ und "Bye's", die die User verteilen, berechnet ein Algorithmus die Aufnahmewürdigkeit jedes neuen Bewerbers. "Schon lustig, sobald die Leute hören, dass sie nicht einfach so reinkommen, wollen sie sofort mehr wissen", sagt Jan. Er zeigt das Foto eines aktuellen Bewerbers. 21, Kapuzenpulli, die Augen zusammengekniffen. Würde er ihn aufnehmen? Jan klickt auf "Bye".

"Hi" oder "Bye", so lautet das Blinq‐Prinzip: Gefällt einem das Profil einer Person – angezeigt werden neben Fotos Name, Alter, Entfernung sowie Gemeinsamkeiten auf Facebook –, klickt man auf "Hi", wenn nicht, gibt’s ein "Bye". Erst nach einem gegenseitigen "Hi" kann man chatten.

"Am Anfang war’s recht harzig, wir haben all unsere Freunde genötigt, Mitglied zu werden. Jeder kannte jeden. Passiert ist da noch nicht viel." Natürlich sind Alex und Jan auch bei Blinq, Jan "nur so zum Rumprobieren", Alex testet aktiv. Was testet er denn? "Ja klar, ich gehe auch auf Dates, habe schon ein paar Frauen getroffen. Ich mag das, ein bisschen chatten, dann findest du eine spannend, gehst einen Kaffee trinken. Und schaust, was dann passiert." Ist Blinq denn nicht einfach eine Bums‐App? "Sicher gibt es Leute, die dank Blinq das eine oder andere Sexdate haben. Aber schmuddlig ist’s bei uns nicht."

Blinq startete als "Bieridee" – am Anfang stand eine andere App: Bei Tapster klickt man innerhalb seiner Facebook‐Freunde an, in wen man schon lange heimlich verknallt ist. Gibt’s eine Übereinstimmung, wird diese angezeigt. Über 36'000 Leute haben Tapster bereits runtergeladen – Werbung dafür gab's keine. "Deine Facebook‐Freunde haben sich irgendwann erschöpft. Wir wollten, dass es weitergeht, dass die Leute immer wieder einen Grund haben, auf die App zurückzukommen."

Tim, 28, kam durch einen Freund zu Blinq. "Er sass nur noch vor diesem Ding und klickte sich durch Fotos. Er treffe voll viele Frauen, ich solle es unbedingt  probieren." Schnell war auch er angefixt. "Das ist schon krass, plötzlich verbringst du so viel Zeit auf diesem Ding. Ein Ego‐Boost, ja." Tim versteht die Leute nicht, die sich aus Prinzip nicht bei so was anmelden würden: "Man kann ja nichts verlieren, ist doch spannend." Er hat sich gerade ein bisschen verliebt auf Blinq, war sogar eislaufen mit ihr, "voll das Klischee". Jetzt hofft er, dass da mehr draus wird. "Aber ein bisschen wurmen würd’s mich trotzdem, wenn ich dann sagen müsste: Meine Freundin, die habe ich auf einer Dating‐App kennengelernt."

Alex und Jan hoffen, dass Onlineflirting immer selbstverständlicher wird. "Wenn viele deiner Freunde auch in der Community sind, sinkt die Hemmschwelle." Blinq soll gross werden – "so gross wie's geht". Finanziert haben sie bis jetzt alles selbst – bis auf den Teil, den der TV‐Sender 3+ beisteuerte: Senderchef Dominik Kaiser war so überzeugt von der Idee, dass er sich Anteile sicherte – und eine Partnerschaft mit dem Format "Der Bachelor" einfädelte. Deshalb seien jetzt auch einige der "Bachelor‐Girls“ auf Blinq: Die hätten sie an den Public Viewings persönlich eingeladen. Alex und Jan grinsen.

Bald wollen sie mit ihren Informatikern einen intelligenten Algorithmus entwickeln, der die Auswahl potenzieller Flirtpartnerinnen limitiert, erklärt Alex: "Gerade gestern, als ich selbst online war, fühlte ich mich wie vor dem Zahnpastaregal, wenn du 100 verschiedene Zahnpastas zur Auswahl hast: Da hast du plötzlich keine Ahnung mehr, welche du nehmen sollst."

Text: Leonie Krähenbühl (Tages-Anzeiger)//Bild: Lukas Mäder (lukasmaeder.ch)

Der Text erschien erstmals im "Cicero - ADC Magazin für Kreativkultur", der ADC Galazeitschrift 2014, und wird hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Ringier Verlags in unveränderter Form verwendet.


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