13.11.2016

Schweizer Buchpreis 2016

Christian Krachts «Die Toten» ausgezeichnet

Der mit 30’000 Franken dotierte Preis wurde dem 49-jährigen Journalisten am Sonntag im Theater Basel im Rahmen des Festivals BuchBasel überreicht. Die Jury hatte keine leichte Aufgabe und habe «heftig und kontrovers» diskutiert.
Schweizer Buchpreis 2016: Christian Krachts «Die Toten» ausgezeichnet
Der Schweizer Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist Christian Kracht hat für seinen Roman «Die Toten» den Schweizer Buchpreis 2016 erhalten. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Die Shortlist für den Schweizer Buchpreis 2016 war extrem heterogen, die Jury hatte fünf Sorten Obst zu vergleichen. Jede/r Nominierte hätte gewinnen können und die Diskussion dauerte dann auch vier Stunden. Zum besten Deutschschweizer Buch 2016 gekürt wurde der Roman «Die Toten» von Christian Kracht.

Die mit 30’000 Franken dotierte Auszeichnung wurde Kracht am Sonntag im Theater Basel im Rahmen des Festivals BuchBasel überreicht. Vor einem guten Monat hatte der Autor für diesen, seinen fünften Roman, den mit 5000 Euro dotierten Hermann-Hesse-Förderpreis erhalten.

Der am 29. Dezember 1966 in Saanen BE geborene Kosmopolit erzählt in «Die Toten», wie ein unbekannter Schweizer Filmemacher in den frühen 1930er Jahren in Japan helfen soll, eine filmpolitische, japanisch-deutsche Achse gegen den US-Kulturimperialismus, speziell Hollywood, aufzubauen.

Die Sache geht gründlich schief, unter anderem spannt ihm sein japanischer Kontaktmann die Freundin aus. Diese wiederum wird auch nicht glücklich und stürzt später vom berühmten «Hollywood»-Schriftzug zu Tode. Charlie Chaplin hat in dem Mix aus realer Kulturgeschichte und Erfindung eine kleine, aber entscheidende Nebenrolle.

Die Jury würdigte das Buch als eine Hommage an die Ära des Stummfilms. «Filmisch ist auch seine Sprache: Mit grossem Gespür für Perspektiven, Details und Kontraste. Krachts Kameraauge fokussiert den vordergründigen Kulturbetrieb wie den Hintergrund des aufziehenden Totalitarismus.» Die Jury erkannte laut Mitteilung darin «eine gelungene Verknüpfung von grossem literarischen Können mit einer hellsichtigen Diagnose unserer Gegenwart».

Die «Imperium»-Kontroverse

Seit seinem Erstling «Faserland» (1995) gilt Christian Kracht als Tausendsassa der deutschsprachigen Literatur. Bücher wie «1979», und «Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten» erregten Aufsehen, zugleich hielt er sich mit Auftritten zurück. Das Spiel mit den Medien und dem Literaturbetrieb beherrscht er perfekt.

Die heftigste Kontroverse entbrannte 2012 um Krachts Roman «Imperium». Der Spiegel-Kritiker Georg Dietz glaubte darin Indizien für eine reaktionäre Gesinnung des Autors zu entdecken. Er bezeichnete Kracht als «Türsteher der rechten Gedanken». Zahlreiche Kritiker widersprachen, so dass die Querele dem Autor letztlich auch nützte.

Zähes Ringen um Entscheidung

Die weiteren Nominierten Charles Lewinsky, Sacha Batthyany, Michelle Steinbeck und Christoph Höhtker erhielten zweite Preise in Höhe von 2500 Franken. Die Jury hatte keine leichte Aufgabe, wie die Vorsitzende Susanna Petrin vor der Bekanntgabe sagte. Es sei «heftig und kontrovers» diskutiert worden.

In «Andersen» lässt Altmeister Charles Lewinsky, der bereits zum zweiten Mal für den Buchpreis nominiert war, einen Kriegsverbrecher im Heute wiedergeboren werden. In Sacha Batthyanys «Und was hat das mit mir zu tun?» geht es um das Massaker 1945 an 180 Juden in Rechnitz und die Rolle, die möglicherweise seiner Grosstante darin spielte.

Michelle Steinbecks «Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch» erlangte eine gewisse Bekanntheit dadurch, dass Elke Heidenreich das Buch im «Literaturclub» als das Werk einer «Gestörten» abkanzelte (persoenlich.com berichtete). Zu ihrem bizarren Roadmovie mit einer Kinderleiche im Koffer liess sich Steinbeck von ihren Träumen inspirieren.

Ebenfalls eher auf der experimentellen Seite ist Christoph Höhtkers «Alles sehen», eine kurze Reise «durch den magisch-utopischen Dschungel» der Stadt B(ielefeld), wie es in der Laudatio hiess. Der studierte Soziologe Höhtker ist gebürtiger Deutscher, lebt seit 2004 in Genf und ist im Brotberuf angeblich Nachttaxifahrer. (sda)


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