04.06.2002

Spillmann/Felser/Leo Burnett

Eine neue Agentur entsteht

Im Februar kündigte die gesamte Geschäftsleitung von Advico Young & Rubicam, um dem "Wunsch nach unternehmerischer Freiheit" nachzugehen. Seither rätselt die Branche, was das bedeuten könnte. "persoenlich.com" lüftet das Geheimnis: Martin Spillmann, Peter Felser, Rolf Zimmermann, Peter Brönnimann und Michael Waeber (Bild) gründen an der Zürcher Ämtlerstrasse eine Agentur mit 15 Mitarbeitern und schliessen sich dem Netzwerk von Leo Burnett an. Die Jungunternehmer Felser und Spillmann haben "persoenlich.com" exklusiv Auskunft über ihre Pläne gegeben. Das Interview:
Spillmann/Felser/Leo Burnett: Eine neue Agentur entsteht

Die Verbindung mit Leo Burnett startete ja mit Michael Conrad, dem Chief Creative Officer von Leo Burnett Worldwide. Wann entstand der erste Kontakt zu ihm?

Spillmann: In Cannes haben wir ein bisschen miteinander gesprochen, als ich Juror war. Ich musste neidlos eingestehen, dass Leo Burnett im Moment weltweit das Netzwerk mit den besten Filmen ist. Es hatte über 60 Filme in der Shortlist, und das ist mir natürlich aufgefallen.

- Felser: Ich lernte Michael Conrad vor einem Jahr anlässlich einer ADC-Veranstaltung im Kongresshaus kennen. Dort hat Conrad sein Interesse kundgetan, in der Schweiz einmal eine anständige Geschichte aufzubauen. Wir sagten damals noch, es gehe uns gut, wir seien in einer erfolgreichen Agentur und es bestehe kein Anlass zur Veränderung. Und wenn es eine Veränderung gäbe, so müsste sie gross sein -- nicht einfach ein Wechsel zu einer anderen Agentur oder einem anderen Netzwerk. Vielmehr müsste der nächste Schritt ein unternehmerischer mit einer grossen Idee sein. Die konkrete Idee entstand viel später.

Wie ist es dann weiter gegangen?

Felser: Wir haben uns getroffen, da war Steve Gatfield, der COO weltweit, dabei. Da haben wir vor allem über das kreative Produkt und die Ambitionen geredet. Wir haben dann gesagt, dass für uns auch die unternehmerischen Ambitionen wichtig sind. Für uns kommt nur eine klare lokale Mehrheit in Frage. Für sie war das kein Problem, in ihrem Netzwerk sei das nicht unüblich.

Der Wechsel betrifft die ganze Führungsspitze der Advico. War das nicht heikel zu besprechen und koordinieren?

Spillmann: Ja und nein. Peter Felser, Rolf Zimmermann und ich arbeiten schon über 16 Jahre zusammen, Peter Brönnimann ist etwa zehn Jahre bei uns -- natürlich bespricht man Absichten miteinander. Nach so langer erfolgreicher Zusammenarbeit ist es nur logisch, dass sich gemeinsame Ziele und Ambitionen entwickeln und wir uns blind verstehen. So war der Konsens schnell gefunden. Im Übrigen haben mehrere Netzwerke ihr Interesse bekundet, nicht nur Leo Burnett. Auch hier waren wir uns schnell einig.

In der Pressemitteilung anlässlich ihrer Kündigung bei AY&R wurde auch ein bestimmter Frustrationsgrad gegenüber der Young & Rubicam-Gruppe spürbar. Wie spielt das in einander hinein, Frustration auf der einen Seite, Lust auf etwas Neues auf der anderen?

Felser: Natürlich gab es eine gewisse Frustration aber eigentlich keinen konkreten Anlass zum Aussteigen. Die Frage war mehr, was das mittelfristig, für die nächsten zehn Jahre bedeutete. Da hatten wir das Gefühl, es sei langfristig interessanter, eine Agentur selber im Griff zu haben. Jetzt ist die Konstellation natürlich ganz anders, als wir sie vorher hatten.

Wie sieht denn die neue Konstellation aus, wer hat die Mehrheit?

Felser: Insgesamt liegen 80 Prozent bei den Schweizer Partnern.

Wieviel haben Sie beide genau? Mehr als 66 Prozent der Aktien?

Felser: Nein, nur eine absolute Mehrheit. Rolf Zimmermann, Peter Brönnimann und Michael Waeber sind ebenfalls beteiligt.

Ist das nicht unüblich? Normalerweise wollen die Amerikaner doch die Mehrheit.

Spillmann: Das hat sich, so glaube ich, bei gewissen Agenturen geändert. Im Fall von Leo Burnett ist klar, dass sie weltweit als DAS kreative Netzwerk dastehen wollen. Und das merkt man daran, dass sie jetzt rund um die Welt sehr viele sehr gute Leute engagieren, und mit ihnen neue Agenturen eröffnen, an denen sie die Mehrheit den lokalen Partnern überlassen. Bartle Bogle Hegarty ist ein Beispiel, da ist Leo Burnett mit 49 Prozent beteiligt. Joakim Jonasson, der für Diesel in Cannes auch schon den Grand Prix gewann, ist genau der gleiche Fall. Das heisst, Leo Burnett schaut, wer ein gutes kreatives Produkt hat und versucht dann, diese Leute einzubinden.

Ist das nicht eine Trend-Umkehr?

Spillmann: Gewisse Amerikaner haben umgedacht, weil sie wissen, dass das Einzige, mit dem sich ein Netzwerk heute noch differenzieren kann, das kreative Produkt selber ist.

Leo Burnett hatte in der Schweiz lange Zeit keinen Partner. Davor hatten sie einen, sind jetzt aber nie mehr richtig zum Schuss gekommen. Warum eigentlich nicht?

Felser: Sie haben es wohl gar nie richtig versucht. Deshalb haben sie sich jetzt auch gesagt, dass wenn sie es hier versuchen, dann richtig und in einer anständigen Grösse. Wir haben ja auch selber überlegt, ob wir ganz klein anfangen wollen oder richtig. Um ganz klein anzufangen, brauchen wir Leo Burnett gar nicht. An etwas Kleinem hätte auch Leo Burnett kein Interesse gehabt -- entweder richtig, oder gar nicht.

- Spillmann: Uns war von Anbeginn wichtig, dass wir dem Markt das Signal geben können, dass wir für grosse Brands arbeiten wollen; und nicht die ersten zwei, drei Jahre für das kleine Restaurant um die Ecke -- also für kleine Kunden, womit man wohl Awards gewinnen kann, aber als Agentur trotzdem gar nicht richtig ernst genommen wird. Wir wollen von Anfang an bereit sein, grosse Brands zu betreuen.

Gegenwärtig hat Leo Burnett seine grossen Budgets in der Schweiz an verschiedene Agenturen verteilt. Welches sind denn die grossen Budgets von Leo Burnett in der Schweiz?

Felser: Es gibt schon ein paar grosse Brands im Netzwerk. Wir machen aber eine Schweizer Agentur auf -- mit Anschluss an das kreativste Netzwerk der Welt. Und wir haben uns nicht so dafür interessiert, welches die Netzwerk-Kunden von Leo Burnett sind. Wir haben die Situation bisher eigentlich gar nicht im Detail analysiert. Das hat für uns im Moment nicht erste Priorität.

Ist das nicht ein heikler Punkt? Mit internationalen Kunden -- und sei es Adaptation -- könnte man doch eine gewisse Geschäftsbasis legen?

Spillmann: Wir wollen zuerst unsere Fähigkeiten ausspielen, das was wir können: Brand-Ideen selbst entwickeln, und nicht Brand-Ideen adaptieren.

- Felser: Dasselbe gilt auch für Leo Burnett. Das Bedürfnis war, in der Schweiz an einem kreativen, heissen Laden beteiligt zu sein.

Weshalb brauchen Sie Leo Burnett dann überhaupt an Bord?

Felser: Wir haben nie grundsätzlich bestritten, dass es interessant ist, einem Netzwerk anzugehören. Das hat viele Vorteile: Einerseits tatsächlich für die Betreuung internationaler Mandate. Andererseits für die Ressourcen und den Informationsaustausch. Dann sehe ich aber auch den Vorteil, dass man sich im Bezug auf das kreative Produkt gegenseitig fordert. Beispielsweise war Martin Spillmann in meinen Augen weltweit der beste CD im bisherigen Netz. Das wird er jetzt nicht mehr sein...

- Spillmann: Das werden wir noch sehen.

- Felser: Aber es ist auf jeden Fall gut, wenn eine Messlatte besteht und man sich gegenseitig fordert.

- Spillmann: Einer der Hauptpunkte, auf die ich mich freue. In diesem Netzwerk gibt es sehr viele Leute, mit denen ich zusammenkommen und mich austauschen kann. Das finde ich ganz wesentlich. Falls ich Ressourcen anderer Länder anzapfen will, habe ich den Zugang auch.

Das heisst, Kunden wie McDonald?s oder Kellogs interessieren Sie gar nicht?

Felser: "Nicht interessieren" ist falsch gesagt. Natürlich sind das tolle Brands, und die werden vielleicht einmal ein Thema sein. Aber nicht am Anfang. Es ist nicht unser Ziel, möglichst schnell möglichst viele Kunden zu akquirieren.

Wie werden Sie es mit Media machen?

Felser: Im Leo-Burnett-Netzwerk gibt es die Media-Agentur Starcom, die in der Schweiz von Josi Bauer geleitet wird. Das ist eine gute Option.

Wie wollen Sie die fünfzehn Nasen Ihrer Agentur ernähren, wenn Sie auf die grossen Kunden von Leo Burnett nicht angewiesen sind?

Spillmann: Dass wir mit fünfzehn Leuten beginnen, ist ein gutes Signal an jeden grossen Kunden: Wir haben von Anfang an die Kapazität und können an jeder Kundenevaluation mitmachen, die uns interessiert -- und danach auch liefern.

Gibt es schon Kunden?

Felser: Äääh -- im Moment gibt es die Agentur noch nicht. Sie wird am 1. Juli offiziell starten. So gesehen sind wir mit diesem Gespräch auch noch sehr früh dran, und es ist zu früh, um schon über Kunden zu reden.

- Spillmann: Es gibt Leute, die rufen uns bereits an und fragen: "Gibt es euch schon?" Da müssen wir sagen, nein, es gibt uns noch nicht.

Was machen Sie denn in dieser Zeit bis zum 1. Juli?

Spillmann: Wir fragen uns, ob die Tischplatten schwarz sein sollen, oder ein mittleres Grau oder ein helles Grau (lacht).

Aber Sie haben noch keinen einzigen Kunden?

Felser: Es gibt uns noch nicht.

Haben Sie ab dem 1. Juli schon einen Kunden?

Das wissen wir jetzt noch nicht.


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