21.02.2024

Steff Gruber

«Kulturwerbung trägt zum Image der Stadt bei»

Den Plakatservice Alive Media gibt es seit 50 Jahren. Sein Gründer erzählt anlässlich des Jubiläums, wie er die Kultursäule in Zürich durchgesetzt hat und was Digital Screens bringen.
Steff Gruber: «Kulturwerbung trägt zum Image der Stadt bei»
«Am Anfang fand die Stadt Zürich die Idee der Kultursäulen völlig absurd», erinnert sich Steff Gruber. (Bild: Dominique Meienberg)

Herr Gruber, Ihr Unternehmen Alive Media AG feiert sein 50-Jahr-Jubiläum. Gestartet sind Sie 1973 mit dem Plakatservice. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Damals war ich Kameraassistent bei Alex Jent. Da die Miete für meine erste Wohnung fällig wurde und Alex gerade keinen Job für mich hatte, meldete ich mich auf ein Stelleninserat im Tages-Anzeiger. Das Bernhard Theater suchte einen Hilfsbeleuchter. Als ich mich im Theater vorstellte, musste ich erfahren, dass der Job bereits vergeben war. Offensichtlich war mir meine Enttäuschung anzusehen: Der damalige Direktor, Herr Dewald, bot mir an, seine Plakate in Ladengeschäften, Hotels und Restaurants zu verteilen. Nicht gerade der Traumjob für einen zukünftigen Filmemacher. Trotzdem nahm ich das Angebot an. Schon am zweiten Tag traf ich beim Plakatieren einen anderen jungen Plakateur. Er stellte sich vor: Er heisse André Béchir und betreibe die Konzertagentur Good News. Er fragte mich, ob ich nicht auch seine Plakate aufhängen könnte, da er dringend ans Telefon in seiner Agentur müsse. Ich dachte mir: Ob ich ein oder zwei Plakatsujets aufhänge, kommt aufs Gleiche heraus, verdoppelt aber meinen Verdienst. Nach einer weiteren Woche hatte ich bereits so viele Plakatverteilaufträge, dass ich das nicht mehr allein schaffte. Ich musste Leute anstellen. Kurze Zeit später kontaktierte mich André Berner und bot mir an, dreimal wöchentlich seine Cinema-Plakate (ein Kollektivwerbeplakat der Zürcher Kinos) zu verteilen. Ich nahm das Angebot an, und nach dem zweimonatigen Bestehen meiner nicht beabsichtigten Firma hatte ich bereits ein Büro, zehn Angestellte, zwei Motorräder und mehrere Telefonlinien. Und, notabene, das alles ohne eine entsprechende Ausbildung, ohne Businessplan und ohne Startkapital.

Kamen Sie den grossen Plakatgesellschaften nie ins Gehege?
Ganz im Gegenteil: Die APG vermittelte mir viele Kunden. Die grossen Aussenwerbefirmen wollten damals von den Minibudgets der Kulturveranstalter nichts wissen.

Sie haben schon bald in andere Städte expandiert. Wie ging dies vonstatten?
Die Modul AG mit Sitz in Luzern gehört heute zur Hälfte Alive und deckt die gesamte Innerschweiz ab. In den ersten Jahren haben wir mit eigenem Personal von Zürich aus die anderen Schweizer Städte plakatiert. Erst als es dann auch in anderen Städten ähnliche Firmen wie Alive gab, haben wir mit diesen zusammengearbeitet.

«Die Stadt fand die Idee damals völlig absurd, und ich wurde belächelt»

Bemerkenswert ist, dass ein Grossteil Ihrer Plakate in der Stadt Zürich auf öffentlichem Grund aufgehängt wird. Gab das nie Reibereien?
Seit 2003 gibt es die Kultursäulen in ihrer heutigen Form in Zürich. Das geht ganz wesentlich auf mein persönliches Engagement zurück. Anfänglich haben wir lediglich in Ladengeschäften, Hotels und Restaurants plakatiert. Erst als die Nachfrage so gross wurde, dass wir auf Privatgrund keinen Platz mehr fanden, plakatierten wir auch «wild», also überall, wo es ging, an Leitungsmasten, Fassaden usw. Das gefiel mir persönlich nicht, und aus diesem Grund habe ich bereits 1976 der Stadt Zürich das Konzept der Kultursäulen präsentiert. Die Stadt fand die Idee damals völlig absurd, und ich wurde belächelt. Daraufhin haben wir natürlich weiterhin wild Plakate aufgehängt. Das sah die Stadt nicht so gern. Erst in den 1990er-Jahren kam der Stadtrat, das heisst die Stadträtin Ursula Koch, auf mich zu, und ich konnte ihr mein Konzept von 1976 erneut präsentieren. Sie war sofort begeistert. Sie und ich mussten dann jedoch feststellen, dass ein solches Vorhaben, also Plakatsäulen exklusiv für die Kultur auf öffentlichem Grund zu errichten, politisch nicht einfach werden würde. Erst Jahre später konnte ich in langen Sitzungen mit einer ihrer Nachfolgerinnen, Stadträtin Martelli, das Projekt weiter vorantreiben.

Wie erleben Sie die zunehmende Werbefeindlichkeit in den grossen Städten?
Kulturwerbung ist in erster Linie Information und trägt wesentlich zum Image und zum kulturellen Leben einer Stadt bei. Ich denke, das muss man klar von kommerzieller Werbung unterscheiden. Ich glaube, dass dies dem Stadtrat und vor allem auch dem Amt für Reklame bewusst ist. Die Kommunikation und das Verständnis der verantwortlichen Behörden sind recht umfassend. Ich hoffe, dass bald eine entsprechende Einsicht und Akzeptanz der Behörden bezüglich der digitalen Werbeformen eintreten wird, um den Kulturstandort Zürich nicht zu benachteiligen.

«Bereits in den 1990er-Jahren habe ich der Stadt Zürich ein Konzept mit Monitoren präsentiert»

Neu schalten Sie Ihre Werbung auch auf Digital Screens. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Gerade noch vor der Covid-19-Pandemie gelang es mir, mit den VBZ einen Vertrag über Kultur-Screens abzuschliessen. So bewirtschaften wir nun Screens an absoluten Toplagen. Für die Stadtzürcher Kultur ist das ein wichtiger Schritt; nun können die diesbezüglichen Veranstaltungen vor allem auch einem jungen Publikum grossräumig bekannt gemacht werden. Auch mit dieser Werbeform war ich übrigens Pionier: Bereits in den 1990er-Jahren habe ich der Stadt Zürich ein Konzept mit Monitoren präsentiert. Rückblickend bin ich froh, dass es damals nicht geklappt hat: Die schweren Röhrenmonitore – es gab damals noch keine LED Screens – waren wirklich nicht sehr geeignet, um überall in der Stadt montiert zu werden. Im Jahr 2017 habe ich in Tokio, wo es bereits damals kein einziges analoges Plakat mehr gab, ausgiebig recherchiert und das Resultat anschliessend einem Gremium der Stadt präsentiert. Das kam offensichtlich gut an, und in der Folge konnte ich erste Screens, vorerst auf Privatgrund, montieren. Allerdings waren die kommerziellen Konkurrenten wie Clear Channel oder APG schneller als ich, ich musste das nötige «Kleingeld» erst beschaffen. Dabei ist übrigens wichtig zu wissen: Unsere Screens sind umweltfreundlicher als analoge Plakate. In die Ökobilanz muss man Papierherstellung, Papiertransport, Druckfarbe, erneuten Transport, Bewirtschaftung auch mit Fahrzeugen, Entsorgung der abgelaufenen Plakate (ebenfalls mit Fahrzeugen) usw. einrechnen.


Das ausführliche Interview können Sie in der aktuellen Printausgabe von «persönlich» lesen.


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KOMMENTARE

Béatrice Götz
01.03.2024 08:03 Uhr
Es freut mich, dass Wertschätzung für entscheidend Geleistetes für Kreativität und Deren Umsetzung Steff Gruber endlich auch öffentlich entgegengebracht wird in den Medien mit einem informativen Beitrag.?‍♀️
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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