23.01.2003

Ruedi Wyler ist der "Werber des Jahres"

Ruedi Wyler (Bild) ist mit dem "Egon" ausgezeichnet worden. Damit wird der 60-jährige Luzerner bereits zum zweiten Mal "Werber des Jahres" -- das schaffte vor ihm nur Reini Weber (1987 und 1991). Im Finale obsiegte Wyler, der seit Jahrzehnten aus Überzeugung eine Kleinstagentur führt, gegen Markus Gut (Geschäftsführer Kreation bei Publicis) und Euro RSCG-CEO Frank Bodin. "persoenlich.com" sprach mit dem "Egon"-Träger über die Bedeutung des Preises, die Vorzüge einer kleinen Agentur und über ein Paradox. Das Interview:

Hat Sie der Preisgewinn überrascht?

Nicht übermässig. Chancen hatten alle, am Schluss trifft es dann halt einen davon.

Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Ich freue mich darüber. Gleichzeitig müsste ich ihn jedoch weitergeben an die "Kunden des Jahres", nämlich meine. Sie sind es, die uns unterstützen und auch mal ein Wagnis eingingen. Wobei eigentlich nur langweilige Werbung ein Wagnis ist.

Sie erhalten den Preis bereits zum zweiten Mal. Wie interpretieren Sie das?

Er ist eine Bestätigung dafür, dass wir die letzten 23 Jahre durchgehalten und die Qualität beibehalten haben. So haben wir im Rahmen des Möglichen auch im vergangenen Jahr gute Sachen gemacht, Krise hin oder her. Der Egon ist aber auch eine Auszeichnung für meine MitarbeiterInnen, die ich immer sorgfältig ausgesucht habe. Ohne sie wäre ich nicht, was ich bin.

Sind Sie der klassische Patron, der für seine Leute da sein, aber auch die Kontrolle behalten will?

Vielleicht ein bisschen. Ich sehe, wie sie sich einsetzen und loyal sind, und das schafft ein gewisses Verhältnis.

Was erwarten Sie von Ihrem neuen Titel?

Es wird sich nicht sehr viel ändern. Natürlich hoffe ich auf zusätzliche Kunden. Ich wünsche mir, dass wir ein bisschen grösser werden können, so um maximal drei Leute.

Mehr als sechs Personen soll Ihre Agentur also nie zählen?

Nein. Eine Zeit lang wollten verschiedene Leute mit uns zusammenarbeiten, da musste ich mich gegen Wachstum wehren. Ich möchte weiterhin klein bleiben, für mein Naturell stimmt das so. Ich stelle keine Leute ein, wenn ich einen grossen Kunden gewinne, und ich stelle sie auch nicht auf die Strasse, wenn ich einen verliere. Für mich sind Menschen keine Kapazitätspuffer. Das gilt nicht nur für die Werbung. Auch will ich nicht um jeden Preis für jeden beliebigen Kunden arbeiten müssen, nur damit ich Ende Monat meine Leute füttern kann. Mein Problem ist nicht, dass ich nichts zu essen habe, sondern dass ich abnehmen muss. (lacht)

Dann interessiert Sie also auch die Zusammenarbeit mit einem Netzwerk nicht?

Nein. Denn das hat mit Kontrolle zu tun. Kommerziell wäre es zwar interessant, aber die Netzwerke, die welt- oder europaweit hochkreativ sind, wollen so einen kleinen wie uns nicht ins Netz aufzunehmen.

Ist "small is beautiful" ein Trend, gehört die Zukunft den Kleinen?

Nein, es gibt beide Seiten. Grosse Agenturen werden immer noch grösser und vernetzter und irgendwann zu weltweiten Kolossen. Und die Kleinen braucht es, weil sie Nischen und sie manchmal trendiger und beweglicher sind.

Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Branche?

Es wird noch schwieriger. Man hat mich diese Woche schon gefragt, ob das Niveau der Werbung einen Zusammenhang mit der Konjunktur habe. Ich glaube nicht, denn auch die schlechte Werbung, die wir zuweilen sehen, wurde ja bezahlt. Gleichzeitig sehe ich Werbung für eine Condomeria, ein Blindenheim, ein Restaurant, in dem man scharf essen kann -- das ist die Werbung, die hervorragt in der Schweiz, die, welche nicht bezahlt wird. Das ist ein unheimliches Paradox für mich.

Je weniger Geld da ist, desto besser wird die Werbung?

Ja, und wo Millionen investiert werden, ist die Werbung manchmal sehr unansehnlich und langweilig. Das ist ein völliger Irrsinn. Das hat zu tun mit der Ignoranz und Dummheit der Auftraggeber. Auf solche bin ich auch nicht scharf. Viele verwechseln ja bei einer Marke Penetrieren und Profilieren. Natürlich kann man einen Brand mit genügend Geld bekannt machen, Inhalt hat er damit aber noch keinen. Nike hat vorgeführt, wie man es richtig macht. Schlechte Gegenbeispiele mag ich nicht nennen, die will ich aber auch nicht als Kunden -- ausser ich verdiene wahnsinnig viel dabei. (lacht)

Ist es nicht ein Widerspruch, wenn Sie einerseits langweilige Werbung als dumm anprangern, andererseits für genügend Geld bereit wären, solche zu machen?

Die grossen Sachen bringen eben Geld, aber wenn ich nicht unbedingt muss, möchte ich sie nicht machen. Andererseits muss auch ich leben. Ich habe einige Kunden wie Das Magazin, das schon anderthalb Jahre lang nichts mehr gemacht hat und die mir eröffnete, dass auch dieses Jahr nichts kommt. Solche Kunden gibt es mehrere. Da liegt wohl der Widerspruch: Ich führe zwar grosse Worte und mache auch gutes Zeug. Aber ich wäre bis zu einem gewissen Grad auch bereit, mal etwas zu machen, das mich nicht zu fest belastet und doch Geld gibt. Man kann nicht päpstlicher sein als der Papst.

(Interview: Alain Egli).

Ruedi Wyler

Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Luzern und einer Grafikerlehre bei Fritz Kaltenbach in Luzern wurde Ruedi Wyler Atelierchef bei der Agentur Biland. Danach arbeitete er bei Wiener Deville, bei GGK, Basel und bei Advico, bevor er 1979 in Zürich seine eigene Agentur Wyler Werbung gründete. Als Kunden betreute er Tamedia (Das Magazin, du), den Sport, die Aargauer Zeitung, die Werbewoche, die Einkausfszentren Glatt und Schoppi & Tivoli, Digicomp oder das Museum für Kommunikation in Bern. Ruedi Wyler wurde bereits einmal Werber des Jahres, und zwar vor genau zwanzig Jahren.

Wyler Werbung ist eine Kleinstagentur, zählte sie doch nie mehr als vier Mitarbeiter. Dennoch erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen und ist -- gemessen am Quotienten von Auszeichnung pro Mitarbeiter -- die kreativste Werbeagentur der Schweiz.

Egon / Werber des Jahres

Die Auszeichnung "Werber des Jahres" wurde 1977 vom Gründer der Werbewoche, Detlef Thierling, kreiert und seither jeweils im Januar verliehen. 27 Persönlichkeiten wurden seither mit dem Titel geehrt (1977, 1980 und1986 wurden je zwei Kandidaten ausgezeichnet). Fünf Prämierte sind Frauen, vier mal wurden Leute ausgezeichnet, die nicht in Werbeagenturen arbeiteten. Seit dem Jahr 2000 wird eine vom Künstler Max Grüter kreierte Trophäe abgegeben, welche von den Werbewoche-Leser auf den Namen Egon getauft wurde.


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