23.01.2004

"Corporate Identity und Werbung arbeiten oftmals gegeneinander"

Thomas Ramseier (Bild), ehemals Unitleiter und Mitglied der Geschäftsleitung Wirz Werbung, macht sich selbständig. Als "Brückenbauer zwischen Markenentwicklung und Kommunikation" gründet der 34-Jährige in Zürich die Agentur BrandPulse. "persoenlich.com" wollte von dem frischgebackenen Agenturchef wissen, warum die "jungen Wilden" gerade jetzt gehäuft den Sprung in die Selbständigkeit wagen, ob der Branche nun ein eigentlicher Strukturwandel blüht und warum er sich gegen eine Netzwerk-Kooperation entschieden hat. Das Interview:
"Corporate Identity und Werbung arbeiten oftmals gegeneinander"

Zur Zeit häufen sich die Meldungen von Agentur-Gründungen. Ist das auf den berühmten Silberstreifen am Wirtschaftshorizont zurückzuführen?

Ich glaube nicht, dass alleine der Silberstreifen am Wirtschaftshorizont dafür verantwortlich ist. Viel wichtiger scheint mir der Umstand, dass die Rezession einen Strukturwandel der Kommunikationsbranche eingeleitet hat. Dadurch entstehen Chancen für neue Angebote und Agenturformen. Die derzeitige wirtschaftliche Situation ist also ein guter Zeitpunkt für eine Agenturgründung. Ausserdem sind aus meiner Erfahrung viele Auftraggeber momentan verunsichert und deshalb bereit, neue Wege zu gehen.

Auffällig ist, dass vorallem jüngere Kadermitglieder renommierter Agenturen den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Wie erklären Sie sich diesen "Auszug der jungen Wilden"?

Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie vielfach wenig Möglichkeiten hatten, tradierte Strukturen und Prozesse in den etablierten Agenturen zu verändern. Vielleicht sind die jungen Wilden diejenigen, welche die Chance der strukturellen Veränderung gewittert haben und den Stier nun an den Hörnern packen.

Viele Agenturen werden noch immer von eigentlichen Patrons geleitet und weniger von Managern. Erwartet uns jetzt ein Umbruch der Schweizer Werbeszene?

Die Chefs der Grossagenturen, welche diese in den vergangenen 20 Jahren zu bedeutenden Unternehmen gemacht haben und meist auch Inhaber oder zumindest gewichtige Teilhaber waren, sind in die Jahre gekommen. Hier ist es als logische Folge zu einem Wechsel in Richtung Manager-geführte Agenturen gekommen. Andererseits werden jung gegründete Agenturen natürlicherweise von den Gründern -- und nicht von extern geholten Managern -- geführt. Von einem Umbruch kann deshalb kaum die Rede sein.

Im Gegensatz zum Beispiel zu den Noch-Publicis-CDs Daniel Krieg und Uwe Schlupp, die mit Springer & Jacoby kooperieren werden, machen Sie einen Alleingang. Ist der Markt für Netz-Werk-Kooperationen ausgereizt?

Wenn Sie die Werbebranche ansprechen, denke ich schon, dass die Luft im Bereich Netzwerk-Kooperationen dünner geworden ist. Fast alle in Europa erfolgreichen Agentur-Netzwerke sind mittlerweile in der Schweiz vertreten. Im Markt der Markenberatungs- und Corporate Identity-Agenturen gäbe es da aber noch einige Möglichkeiten.

Wäre ich mit BrandPulse eine Netzwerk-Kooperation eingegangen, so hätte ich an meinem Konzept inhaltliche Abstriche machen müssen. Damit wäre BrandPulse zur klassischen Corporate Identity- oder Design-Agentur geworden. Das wollte ich auf keinen Fall. Und so habe ich mich für den Alleingang entschieden.

Sie definieren sich als "Brückenbauer zwischen Markenentwicklung und Kommunikation". Deutschen Sie das bitte aus.

In meiner 14-jährigen Tätigkeit in nationalen und internationalen Corporate Identity- und Werbeagenturen bin ich immer wieder auf das Problem gestossen, dass Markenstrategie, Markenkommunikation und Markendesign vielfach zu wenig eng zusammen spielen. Markenführung wird dadurch nicht konsequent und nicht zum Vorteil der Marke betrieben. Eines von vielen Beispielen aus der Praxis: Corporate Identity und Werbung beanspruchen die Markenführungshoheit jeweils für sich selber und arbeiten dadurch oftmals aneinander vorbei oder gegeneinander. Da ich die Erfahrung aus den verschiedenen Kommunikationskompetenzen mitbringe, kann BrandPulse hier eine Brücke schlagen und die verschiedenen Disziplinen perfekt aufeinander abstimmen. Wenn man diese Tätigkeit in einen Begriff verpacken möchte, kommt wahrscheinlich der Begriff "Brand Direction" am nächsten.

Ein weiteres Standbein wollen Sie sich mit dem Thema "Second opinion" schaffen. Was umfasst Ihr Service?

Die "Second Opinion" ist neben klassischen Leistungen in der Markenstrategie, der Markenkommunikation und im Markendesign eine der BrandPulse-Dienstleistungen. Aus meiner Erfahrung besteht bei vielen Kunden die Unsicherheit, ob im Bereich Kommunikation alles so läuft, wie es sollte. Hier bietet BrandPulse als unabhängige Markenagentur an, eine "Auslegeordnung" vorzunehmen und die einzelnen Kommunikationsdisziplinen auf ihr Zusammenspiel zu überprüfen. Dabei geht es nicht darum, den derzeitigen Agenturpartner in die Pfanne zu hauen. Vielmehr kann BrandPulse in solchen Fällen helfen, Markenstrategie, Markendesign und Markenkommunikation zu harmonisieren und Sparring Partner für markenstrategische Fragen sein.

Sie waren bis im Sommer Partner von Wirz. Welche Kunden nehmen Sie mit?

ch war bei Wirz Werbung tätig und habe dort klassische Werbung gemacht. Da BrandPulse ganzheitliche Markenberatung anbietet und sich nicht auf klassische Werbung fokussieren will, ist es nicht mein Ziel, Wirz Werbekunden wegzunehmen. Ich betreue bereits seit letztem Herbst einige Mandate im Bereich der strategischen Markenführung. Die Akquisition dieser BrandPulse-Kunden ist über andere Wege als über Wirz erfolgt.

BrandPulse ist eine AG. Wer sind Ihre Mitstreiter?

Ich habe mit verschiedenen potenziellen Partnern Gespräche geführt -- mit Einzelpersonen, aber auch mit grösseren Agentur-Netzwerken, bin jedoch zum Schluss gekommen, dass das Konzept der "Brand Direction" mit diesen Partnern nicht in meinem Sinne umzusetzen gewesen wäre. Deshalb habe ich mich für einen Alleingang entschieden. Das heisst aber nicht, dass ich abgeneigt bin, zukünftig Partner einzubinden. Mit einer AG als rechtliche Form besteht die Grundlage für ein professionelles, wachstumsorientiertes Unternehmen.

Mit wievielen Mitarbeitern starten Sie?

Nebst der strategischen Dimension der Markenführung, die für BrandPulse im Vordergrund steht, bieten wir auch Kommunikations- und Designumsetzungen an. Denn jede Strategie ist bekanntlich nur so gut wie der konkrete Nutzen, den die Umsetzung bringt. Deshalb wird BrandPulse mit einem Designer, einem Projektmanager und mir als Markenberater starten.

Wann wollen Sie den Break-Even erreichen?

Am liebsten morgen Dienstag.

(Interview: Almut Berger).

Thomas Ramseier

Der 34-jährige Thomas Ramseier trat 1995 als Unitleiter in die Wirz Identity ein und wechselte 1999 zur Wirz Werbung, wo er ebenfalls eine Beratungsunit leitete. In dieser Funktion zeichnete er unter anderem für Kunden wie Sulzer Medica, IWC, sunrise, Schweizer Illustrierte und Eschenmoser verantwortlich. Ab Sommer 1999 amtete er als Partner der Wirz Partner Holding AG, Zürich.


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