12.07.2022

Frauenfussball

«Es ist jetzt wichtig, den Aufschwung zu nutzen»

Der Start der EM hat eine Begeisterung um den Schweizer Frauenfussball ausgelöst. Sportmarketing-Experte Christian Lang erklärt, wie dieser Hype auch auf die Vermarktung überschwappen kann. Zudem spricht er über Möglichkeiten, den Gender Pay Gap zu verkleinern.
Frauenfussball: «Es ist jetzt wichtig, den Aufschwung zu nutzen»
«Jedes Unternehmen muss sich mit einem Engagement im Frauensport beschäftigen, wenn es die auf der Webseite so schön beschriebenen Werte wie ‹Diversität› ernst nimmt», sagt Christian Lang, Sportmarketing-Experte an der HSG. (Bilder: Keystone/AP/Dave Thompson, zVg)

Herr Lang*, am Mittwochabend bestreiten die Schweizer Fussballfrauen ihr zweites EM-Gruppenspiel gegen Schweden. Wo schauen Sie sich die Partie an?
Ich werde die Partie wohl zu Hause auf dem Sofa anschauen. Public-Viewing-Angebote sucht man in vielen Schweizer Städten vergebens (lacht). 

Das EM-Auftaktspiel der Schweiz gegen Portugal (2:2) erreichte hohe Marktanteile auf SRF. Woher kommt diese Faszination für den Frauenfussball?
Der Frauenfussball hat sich über die letzten Jahre stark weiterentwickelt. Vor allem das ganze Drumherum hat sich laufend professionalisiert. Auf der anderen Seite ist die Faszination in einem Land immer grösser, wenn die eigene Nationalmannschaft an der Endrunde vertreten ist.

Aber weshalb genau jetzt? Nur an der Europameisterschaft kann es ja nicht liegen, 2017 war das Frauennationalteam erstmals an einer EM dabei …
… nein, nicht nur. Aber allzu oft waren die Schweizerinnen noch nicht vertreten. Man darf aber schon sagen, dass vor allem die Qualität der Spiele zunehmend besser geworden ist.

«Jetzt gilt es, den Aufschwung zu nutzen und in die Strukturen des Frauenfussballs zu investieren» 

Lässt sich Frauenfussball nun besser vermarkten wegen der aktuellen Genderdebatte und weil es einfach ziemlich hip ist?
Gute Frage. Man spürt schon, dass aktuell gewisse Strömungen in Richtung Frauenfussball zu beobachten sind. Schliesslich bleibt der Fussball ein Zuschauersport und da muss das Produkt stimmen. Falls dem nicht so ist, wird das Interesse am Frauenfussball wie schon so manch ein anderer Trend über die Zeit wieder verschwinden, was schade wäre. Umso wichtiger ist es, jetzt den Aufschwung zu nutzen und in die Strukturen des Frauenfussballs zu investieren und da ist es aus meiner Sicht elementar, bei der Jugend anzusetzen. Denn wenn die Qualität der Spiele weiterhin steigt, werden auch das Zuschauerinteresse und die Vermarktungsmöglichkeiten nochmals einen Aufschwung erleben.

Für welche Marken eignet sich Frauenfussball perfekt? 
Ob es die eine passende Marke gibt, bezweifle ich. Jedes Unternehmen muss sich mit einem Engagement im Frauensport beschäftigen, wenn es die auf der Website so schön beschriebenen Werte wie «Diversität» ernst nimmt. 

Könnte sich dieser Hype auch auf die Vermarktung anderer Sportarten der Frauen übertragen?
Auf jeden Fall. Aber auch hier gilt wieder: Schliesslich ist der Konsum von Sport Entertainment und da muss das Produkt stimmen. Langfristig schaut sich der neutrale Betrachter beziehungsweise die Betrachterin die Spiele des weiblichen Geschlechts nur an, wenn sie spannend, unterhaltsam und qualitativ hochstehend sind.

«Dieselben Prämienauszahlungen bei den Nationalteams der Männer und Frauen sind ein grosser Schritt» 

Ein Manifest für den Schweizer Frauenfussball fordert unter anderem, dass Medien- und Werbeauftritte von Fussballerinnen und Fussballern gleich entschädigt werden. Ist das wirklich ein realistisches Szenario?
Die Chance besteht definitiv, jedoch ist dieser Ansatz aus meiner Sicht ein wenig zu eindimensional gedacht. Der Lohn der Profifussballerin ist nur eine Komponente beziehungsweise eine Resultierende. Viel wichtiger ist es jedoch, nachhaltig in den Frauenfussball zu investieren und ihn dadurch weiterzuentwickeln. Nur durch ernsthafte und langfristige Bestrebungen, den Frauenfussball auf das «Next Level» zu führen, kann auch die Gender Pay Gap im Fussball verkleinert werden.

Es scheint sich aber doch etwas zu tun: Die Credit Suisse, Hauptsponsorin der Schweizer Nationalteams, zahlt den Männer- und Frauenteams ab sofort dieselben Prämien (persoenlich.com berichtete). Inwiefern ist das auch aus Vermarktungssicht ein grosser Schritt?
Das ist auf jeden Fall ein grosser Schritt, da es früher verpönt war, dass Frauen Fussball spielen dürfen, geschweige denn gleich viel verdienen. Dies war in anderen Sportarten schon deutlich früher der Fall. Während in Sportarten wie Leichtathletik oder Ski alpin dies schon umgesetzt worden ist, hinken etwa die Fifa und die Uefa hinterher.

Zurück zum Spiel vom Mittwochabend: Wie wird das Spiel gegen Schweden ausgehen?
Um ehrlich zu sein, rechne ich mit einer Niederlage der Schweizerinnen. Aber ich lasse mich selbstverständlich gerne vom Gegenteil überzeugen.

Und wie weit wird es die Schweiz an der Europameisterschaft schaffen?
Aus meiner Sicht wird das Erreichen des Viertelfinales bei dieser Hammergruppe eine Mammutaufgabe. Umso schöner wäre es, wenn es unsere Schweizerinnen tatsächlich schaffen. Ich drücke auf jeden Fall die Daumen.


*Christian Lang ist Leiter des Centers für Sportmanagement an der Universität St. Gallen (HSG). Er ist unter anderem als Studienleiter zuständig für das CAS Sportmanagement, eine Weiterbildung für ehemalige Spitzensportlerinnen, Manager aus Sportorganisation sowie sportaffine Führungskräfte aus der Wirtschaft. In seiner Forschung und Lehre beschäftigt er sich schwerpunktmässig mit den Themen Sportmanagement, Sportmarketing sowie der Führung von Hochleistungsteams in Wirtschaft und Sport.


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