31.03.2004

Jahresmeeting 2004 des SWA

Über 190 hochkarätige Gäste schafften es am Mittwochmorgen in das doch etwas entlegene Hotel Hilton Zürich Airport zum Jahresmeeting des Schweizerischen Werbe-Auftraggeberverbands SWA. Von Cash-Chefredaktor Dirk Schütz moderiert, referierten Eleonore Ogrinz (Procter & Gamble), Francis Rivollet (NRJ Group), Viktor Giacobbo und Roland Frauchiger (Amag). "persoenlich.com" war mit dabei.
Jahresmeeting 2004 des SWA

Vermutlich war die Versuchung einfach zu gross. Versammelte vier Milliarden Franken Auftragsvolumen -- so viel repräsentiert der Schweizer Werbeauftraggeber Verband SWA --, wer würde da nicht noch schnell einen Werbespot in eigener Sache zu platzieren versuchen? Von den ReferentInnen zumindest liess sich keineR diese Chance entgehen. Selbst Viktor Giacobbo, der als Unternehmer aufzutreten sich bemühte, kokettierte unverfänglich ironisch mit einem möglichen neuen Sponsor und pries die Vorzüge seines Winterthurer Casino Theaters für -- Firmenanlässe.

So wurde der Erkenntnisgewinn des SWA Jahres-Meeting 2004 von verschiedenen TeilnehmerInnen als nicht eben überwältigend bezeichnet -- wobei möglicherweise auch Sprachbarrieren eine Rolle gespielt haben könnten. Immerhin, ein paar Einsichten von kompetenter Seite konnte das Publikum doch mitnehmen.

Drängender Mentalitätswandel

So zeigte Eleonore Ogrinz, die bei Procter & Gamble in Genf für Media and Communications zuständig ist, in ihrem auf Englisch gehaltenen Vortrag auf, wie sehr die technologische Entwicklung und damit verbunden das Mediennutzungsverhalten in den vergangenen zehn Jahren unterschätzt worden sind. "Als Werbetreibende sind wir immer noch zu stark auf den Dreissig-Sekunden-Spot fixiert", gab sich Ogrinz überzeugt. Ein Mentalitätswandel tue Not.

"Die Zukunft der Kommunikation" -- dies der etwas prätentiöse Titel des Referats -- fusst gemäss Ogrinz auf drei Säulen: Erstens einem "holistischen Marketing", das alle möglichen Kanäle berücksichtige und Partner mit einbeziehe. "Wir dürfen der Technologie nicht bloss hintendrein rennen, sondern müssen sie beeinflussen", zitierte Ogrinz den früheren P&G-CEO Ed Artzt.

Ogrinz' zweiter Pfeiler ist das "Permission Marketing". Der Konsument müsse zum Chef werden, die vom Internet bekannte Mentalität des "Sign-Up" auf alle Formen des Marketings übertragen werden. Die entscheidende Frage laute: Ist Ihre Botschaft genug gut, damit die Konsumenten sie hören wollen?

Drittens, so die P&G-Frau, seien neue Messverfahren zu entwickeln, welche den neuen Kommunikationsmöglichkeiten Rechnung tragen. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass die Leute stets mehrere Dinge gleichzeitig tun, zum Beispiel Radiohören und E-Mail-Lesen. "Die traditionellen Modelle sind obsolet geworden, wir müssen unser Wissen, unsere Ressourcen und unsere besten Talente dafür einsetzen, die neuen Marketing-Kanäle, die uns zur Verfügung stehen, zu messen", schloss Ogrinz mit einem weiteren Artzt-Zitat.

Gelebte Synergien

Alsdann referierte Francis Rivollet, CEO der NRJ Group (Schweiz), auf Französisch zur Frage, welchen Einfluss NRJ auf die Radioszene habe. Die Basis des Erfolgssenders, so Rivollet, sei die Devise "Hits only" -- sei es im Radio, bei Kino oder im Sport. Was nun aber genau ein Hit sei, werde vom grössten Radio-Netzwerk Europas für jeden Markt mit ausgeklügelten Forschungsmethoden ermittelt. Ausschlaggebendes Kriterium sei, dass das betreffende Produkt -- etwa ein Musikstück -- in der angepeilten Zielgruppe kommerziell gut laufe.

Weniger klar war, welche Rolle der Künstler-als-Unternehmer Viktor Giacobbo anschliessend hätte spielen sollen oder wollen -- dies belegten auch die unmotivierten Vorschuss-Lacher im Publikum. Denn als Komiker kann Giacobbo es besser, und von VR-Präsidenten erhofft man sich -- möglicherweise etwas naiv -- mehr. Immerhin war die Sympathie auf Giacobbos Seite, als er sein Casino Theater als "einzige AG mit zwei bekennenden Komikern an der Spitze" bezeichnete.

Unternehmer und Künstler

Neben der fast wissenschaftlich betriebenen Hörerforschung unterstrich Rivollet die Bedeutung des Netzwerks mit seinen Synergie-Möglichkeiten bei Programm, Verkauf und Marketing. Die Macht der Grösse erlaube es, Künstlerinnen wie Shakira oder Jennifer Lopez in die länderübergreifende Promotion einzubinden oder gesamteuropäische Veranstaltungen zu organisieren. Für die Schweiz habe es die Erschliessung der Märkte Genf, Lausanne, Basel, Bern und Zürich ermöglicht, den Werbetreibenden ein klares, gut fokussiertes "Multi-Stadt-Angebot" zu unterbreiten.

Nicht restlos deutlich wurden hingegen die Vorteile des Konstrukts aus zwei Aktiengesellschaften und einem künstlerischen Beirat, welche die Struktur des erfolgreichen Winterthurer Casino Theaters ausmachen. Es gehe darum, die Kernkompetenzen anderer Leute zu respektieren, weshalb für unternehmerische Belange keine KünstlerInnen eingesetzt worden seien, erläuterte Giacobbo. Der Künstlerschaft obliege es vielmehr, den künstlerischen Leiter in monatlichen Sitzungen zu unterstützen. Zudem habe die Bekanntheit der ProtagonistInnen bei der Sponsorensuche geholfen. Inzwischen habe sich das Casino Theater als "Brand" (Giacobbo zwinkerte bei diesem Ausdruck heftig mit beiden Augen) etabliert, die Vorgabe von mindestens 60 Prozent Belegung könne erfüllt werden.

Markenwelten

Die undankbarste Aufgabe wurde an diesem Vormittag dem Amag-Geschäftsleitungs-Vorsitzenden Roland Frauchiger zuteil. Während alle TeilnehmerInnen bereits Brot knabbernd vor leeren Tellern sassen, hatte er über die "Welten der Marken" zu referieren. Dazu wählte er, wenig überraschend, die Amag und die von ihr vertriebenen Automarken. Mit leicht akademischem Duktus definierte Frauchiger die Markenwelt erst als "alles, was über die primäre Funktion des Produktes hinausgeht", um alsdann auf die Besonderheiten von Auto-Marken hinzuweisen.

Darauf basierend skizzierte der Amag-Chef mögliche Botschaften (Emotionen, Investitionspotential, Macht, Sicherheit, Dynamik etc.), die zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel (Produkt, Preis, Showroom, Werbung, Events), die möglichen Ziele (Imagetransfer, Emotionen, Identifikation), um dann mögliche "vertikale" und "horizontal" Kunden-Reaktionen aufzuzeigen.

Illustriert wurden die Überlegungen durch eine Auflistung der Claims der Amag-Marken VW, Skoda, Audi, Seat und Porsche sowie der entsprechenden Käuferprofile, der dazugehörenden Werbe- und Sponsoringaktivitäten und der Showrooms.

Neben den einzelnen Marken stehe auch der Brand Amag im Zentrum, erläuterte Frauchiger, um zum Schluss zwei Entwicklungen zu nennen: Den Trend zur Differenzierung -- etwa zwischen Audi und VW -- und die gegenläufige Tendenz zur Komplettierung, die er mit dem Beispiel des VW-Topmodells Phaetons exemplifizierte.

Was dann auf Frauchigers Ausführungen folgte, war das von vielen heiss ersehnte Essen sowie eine Fortsetzung dessen, was einigen möglicherweise viel wichtiger war als die Referate: ausgiebiges Networking.


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