13.10.2003

"Manchmal sollte man ein Shoppingcenter abbrechen und neu aufbauen"

Verpassen Schweizer Shoppingcenter den Trend Richtung Erlebniscenter? "persönlich" hat Professor Thomas Rudolph (Bild) befragt, der den Gottlieb-Duttweiler-Lehrstuhl an der Universität St. Gallen innehat. Rudolph erwartet im Food-Bereich drastische Veränderungen, einen Preiseinbruch von bis zu 30 Prozent aufgrund der anstehenden bilateralen Verträge. Zudem wird die neue RFID-Technologie die Wertschöpfungskette total verändern. In voller Länge erscheint das Interview im aktuellen "persönlich blau", "persoenlich.com" bringt einen Auszug:
"Manchmal sollte man ein Shoppingcenter abbrechen und neu aufbauen"

Mit dem Westside soll die Schweiz ein erstes Erlebniscenter erhalten. Welche Chancen geben Sie diesem Projekt?

Zweifelsohne wird die Architektur von Daniel Libeskind einer der Gründe für einen Besuch sein. Damit die Leute aber immer wiederkommen, braucht es mehr. Der Angebotsmix zwischen Waren- und Freizeitangebot muss attraktiv sein. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Center auch wegen der üppigen Verkaufsfläche neue Massstäbe setzen kann und Konsumenten in Scharen anzieht.

Die Architektur wirkt wohl zu Anfang spektakulär. Aber ist nicht der Mietermix entscheidend?

Die Atmosphäre hat eine sehr grosse Bedeutung und wird oftmals unterschätzt. Wenn Sie den Kunden fragen, warum er gekommen ist, wird er zwar kaum das Gebäude als Grund angeben, er wird das Sortiment als Grund für sein Kommen benennen, trotzdem ist das Einkaufsfeeling stark mitentscheidend bei der Wahl der Einkaufsstätte.

Schweizer Einkaufscenter wirken eher langweilig. Was müsste man ändern?

Auch ein Einkaufscenter hat einen Lebenszyklus. Wenn ein Center 30 Jahre alt ist, hat sich viel im Umfeld verändert. Einige Mieter und Konkurrenten sind gegangen, neue sind hinzuge-kommen. Doch in der Architektur ist oft alles beim Alten geblieben. Wir haben in der Schweiz viele Betonbauten, die für 100 Jahre gebaut sind und für den Konsumenten nach 20 bis 30 Jahren eben alt aussehen. Es braucht öfter als nur alle 10 Jahre ein Facelifting. Manchmal sollte man radikal sein, das Center abbrechen und neu aufbauen.

Ist das realistisch?

Das beeinträchtigt natürlich die Rentabilitätsrechnung. Doch vor 30 Jahren, als die meisten Center entstanden, baute man stark funktional und alles aus Beton, darum kann man kaum etwas verändern. Natürlich ist meist nur eine Teilrenovation möglich; man baut einen neuen Teil oder eine Lichtkuppel. Das hat die deutsche Warenhauskette Kaufhof bei einigen Liegenschaften gemacht. Mit viel Glas versuchte man mehr Leben in die Lokalität zu bringen. Trotzdem wäre ein Abbruch dort zu prüfen, wo ein Facelifting kaum eine Verbesserung bewirken kann.


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