05.08.2016

Wortspiel

«Sogar die Budgetdiskussion wird sekundär»

Die Kunden von Stefan Vetter bezahlen nur, wenn bestimmte Ziele erreicht werden. Und seine Mitarbeiter arbeiten nur, wenn sie wollen. Wie das funktioniert, hat der CEO der AdWords-Agentur persoenlich.com erzählt.
Wortspiel: «Sogar die Budgetdiskussion wird sekundär»
Freiheit ist wichtiger als Geld: Wortspiel-CEO Stefan Vetter (Bild: Boris Baldinger).
von Lucienne Vaudan

Herr Vetter, Ihre Agentur hat ein spezielles Geschäftsmodell: Ihre Kunden bezahlen Sie nur für den tatsächlichen Erfolg, den Ihre Dienstleistung einfährt. Wie sind Sie darauf gekommen?
Wir haben unterschiedliche Bezahlmodelle ausprobiert. Mediaagenturen beispielsweise werden mit einem bestimmten Prozentsatz des Werbevolumens entlöhnt. Das ist nicht immer im Interesse des Kunden, denn je mehr Geld er ausgibt, desto mehr Geld verdient auch die Agentur. Ein anderes Modell wäre die Verrechnung auf Stundenbasis. Hier besteht der Nachteil darin, dass Ineffizienz lukrativ ist. Und bei einem festen Budget verdient die Agentur umso mehr, je weniger Zeit sie in ein Projekt investiert. Wir haben aber nach einem Modell gesucht, das die Leistung honoriert und uns deswegen für die erfolgsbasierte Leistungsabrechnung entschieden.

Was bedeutet das genau?
Je mehr Umsatz oder je mehr Leads wir für den Kunden generieren, desto mehr verdienen wir auch wir. Werden Erfolgsziele nicht erreicht, erhalten wir auch weniger Honorar. Dieser Ansatz eignet sich aber nicht für jedes Produkt. Sobald das Ziel eine Offlineaktivität ist, funktioniert es nicht. Man muss den Erfolg online messen können. Wir wenden das erfolgsbasierte Modell für Dienstleistungen an, bei denen ersichtlich ist, wie viele Leute sich beispielsweise auf einer Website angemeldet oder etwas Bestimmtes angeklickt haben.

Spielen da aber nicht auch Faktoren in den Erfolg, die nicht direkt durch Ihre Arbeit beeinflusst werden können?
Ja, das stimmt. Wir werden natürlich abhängiger von dem, was der Kunde sonst noch macht. Deswegen braucht es beidseitig ein grosses Vertrauen. Man muss sich im Vorfeld gut kennenlernen.

Ist es realistisch, jeden Kunden im Vorfeld der Zusammenarbeit gut kennenlernen zu wollen?
Nun, dieser Anspruch verlangsamt natürlich den Salesprozess. Es gibt durchaus Kunden, denen geht das zu langsam. Andersherum lehnen auch wir Kunden ab, wenn wir merken,  dass es nicht passt. Damit können wir leben, denn unsere Freude ist grösser, wenn wir den Erfolg eines Kunden direkt beeinflussen können. Dieses Modell funktioniert nicht für jeden, aber es gibt Kunden, die diese Arbeitsweise schätzen und spezifisch nach solchen Modellen suchen.

Wird die Zusammenarbeit so nicht komplizierter und intransparenter?
Im Gegenteil, dieses Modell erlaubt eine sehr grosse Transparenz, denn der Kunde bezahlt nur das, was wir auch tatsächlich liefern. Und er hat Zugang zu sämtlichen Statistiken und Daten. Dadurch ist er über den Stand der Dinge immer im Bild. Wir sprechen mit unseren Kunden beispielsweise deutlich weniger über klassische monatliche Reportings und detaillierte KPI. Sogar die Budgetdiskussion wird sekundär, weil der Kunde ja weiss, dass wir nur mitverdienen, wenn wir Leistung erbringen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren sechs Partnern ist aussergewöhnlich. Im Prinzip besteht Ihre Firma aus sieben Einzelfirmen.
Ich habe lange im Angestelltenverhältnis in Agenturen gearbeitet. Obwohl ich viel lernen konnte, wurde es mir bald zu eng. Ich konnte nicht entscheiden, mit welchen Kunden ich zusammenarbeite, von wo und wann ich arbeite. Da war es naheliegend sich selbstständig zu machen. Allerdings bin ich ein Teamplayer. Deshalb habe ich eine Firma aufgebaut, die keine Angestellten hat, sondern Partner. Jeder von uns hat eine eigene Einzelfirma.

Weshalb dann der Zusammenschluss?
Wir arbeiten zusammen, damit wir grössere und spannendere Projekte bewältigen können. Aber jeder ist unabhängig und kann frei entscheiden, ob er an einem Projekt mitarbeiten will oder nicht, und auch von wo aus er das tun will.

Home Office wurde von vielen Tech-Firmen enthusiastisch angepriesen, erwies sich dann aber als schwieriger als gedacht. Wie handhaben Sie es, wenn Sie einen Auftrag auszuführen haben und Ihr Geschäftspartner am anderen Ende der Welt sitzt und einen ganz anderen Rhythmus hat?
Natürlich ist jedes einzelne Projekt für sich jeweils bindend. Ich denke dieser Trend des Digital Nomad wird sich weiter verstärken. Die Generation Y definiert sich mehr über Freiheit und die Möglichkeit der Entfaltung als über Statussymbole. Wir kommunizieren über Onlinetools und sind so im Prinzip ständig gemeinsam verbunden. Wir skypen regelmässig und haben fix ein Mal pro Woche ein Teammeeting per Videochat. Zudem haben wir ja gemeinsame Ziele und die verbinden uns mehr, als eine gemeinsame Büroküche.

Haben Sie überhaupt ein gemeinsames Büro?
Ja, und das wird auch genutzt zum Arbeiten, aber eigentlich dient es vor allem dem Empfang von Kunden. Ich arbeite meist zwei Tage pro Woche in unserem Büro und die restlichen drei von zuhause aus. Das braucht natürlich einiges an Disziplin, aber dafür kann ich sehr viel mehr von meiner zwei Monate alten Tochter miterleben und meine Frau entlasten, als wenn ich täglich noch mindestens zwei Stunden pendeln müsste.

Sie haben die Disziplin angesprochen. Welche Schwierigkeiten birgt dieses Modell ausserdem?
Ein Nachteil ist es sicher, dass das Team über weniger klassische Sicherheiten verfügt. Es gibt keinen fixen Lohn: Ist die Auftragslage schlechter, ist jeder auch in der Verantwortung, neue Aufträge zu akquirieren. Und es braucht untereinander viel Vertrauen, denn ein Konflikt über die Distanz zu klären ist sicher schwieriger, als wenn man im selben Büro sitzt. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir zusammen harmonieren.



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Kommentare

  • Harald Mueller, 07.08.2016 16:15 Uhr
    zu "Glaube auch nicht, dass das vorgestellte Modell für den durchschnittlichen Präsenzzeit-Angestellten funktioniert." Wie lange wird es die noch geben? Das Modell find ich per se Klasse. Man kann es auch anders regeln in dem alle Kollegen Gesellschafter einer Firma sind.
  • Daniel Reinhard, 07.08.2016 12:50 Uhr
    angestellte arbeiten nun mal anders, wenn der chef anwesend ist, zitat im Kommentar von frau abächerli. sie hat wohl etwas nicht ganz begriffen, dass es sich im falle von Wortspiel, nicht um eine Firma mit angestellten und einem Chef handelt, sondern einer gruppe von Einzelfirmen, wo jeder sein eigener Chef ist und jeder also eigenverantwortlich mündig für sich arbeitet frei und einzeln und trotzdem projektbezogen gemeinsam. "einzeln frei wie ein Baum, gemeinsam wie ein Wald" wie es in einem Gedicht des türkischen Autors Nazim Hikmet heisst
  • Yvonne Gut, 05.08.2016 14:18 Uhr
    So wie ich das verstanden habe, sind es eben gerade nicht Angestellte, sondern Unternehmer, die sich da zu einer Wertschöpfungs-Gemeinschaft zusammenschliessen. Und Unternehmer können mit der Cheflosigkeit umgehen, weil sie das müssen. Glaube auch nicht, dass das vorgestellte Modell für den durchschnittlichen Präsenzzeit-Angestellten funktioniert.
  • Martin Bauer, c/o der Navigator, Agentur für Dialogmarketing, 05.08.2016 14:10 Uhr
    Frau Abächerli: Ah, ich befürchte, Sie haben den Artikel nicht ganz verstanden. Denn: Hier geht es um Networking zwischen gleichberechtigten Partnern. Auch unsere Agentur arbeitet mit diesem Modell, notabene bereits seit 11 Jahren - und sehr erfolgreich.
  • matthias wiemeyer, 05.08.2016 10:19 Uhr
    @ Frau Abächerli: Das ist alles nur eine Frage der Interessen. Wer nur ungern arbeitet oder sich schlecht behandelt fühlt, macht sich locker wenn der Chef nicht guckt. Aber wenn alle nur an der Leistung verdienen, die sie selbst beitragen, kann man duch Nichtstun nur verlieren. Ausserdem gibt es bei Wortspiel offenbar keinen klassischen Chef, weil jeder seine Einzelfirnma hat. Ich glaube, das ganze funktioniert genau so lange, wie den Beteiligten klar ist, dass sie in ihrem Zusammenschluss erfolgreicher sind und mehr Spass an der Abeit haben, als wenn jeder allein loszöge.
  • Jonas Kamber, 05.08.2016 09:58 Uhr
    Frau Abächerli, das kommt sehr auf die Angestellten (oder in seinem Fall Partner) an. Ich habe 3 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet, in dem unser 5er-Team 100% im Homeoffice/Remote gearbeitet hat. Was ist passiert? Man definierte sich und die Anderen mehr über den Output der Arbeit und weniger über die "Anwesenheitszeit". Ich würde es nie wieder anders machen wollen.
  • Nils Hitze, 05.08.2016 09:49 Uhr
    Kopf Tisch. Ja Angestellte arbeiten anders und zwar schlechter. Die meisten Chefs und Abteilungsleiter fürchten den Kontrollverlust und kommen nicht damit klar dass ihre klassische "Kontrollrolle" eben nicht besonders effizient ist und sie neue Modelle finden müssen. http://workdifferent.com/remote-automattic/
  • martina abächerli, 04.08.2016 20:57 Uhr
    ich halte nichts von home office. angestellte arbeiten nun mal anders, wenn der chef anwesend ist, als wenn er ausser haus ist. das dürfte dem herr vetter schon bald auch bekannt werden;)
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