23.02.2024

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Hopfen und Malz gewonnen

Sie wurde in der ganzen Schweiz diskutiert und mit Preisen überhäuft. Keine Kampagne bewegte im letzten Jahr mehr als jene der Migros zum Oui- oder Non-Bier von Wirz. Der Entscheid, weiterhin keine alkoholischen Getränke zu verkaufen, wie es in den Statuten der Genossenschaft einst festgeschrieben wurde, rückte deren Grundwerte in den Mittelpunkt des landesweiten Interesses. Wie lässt sich der Aufmerksamkeitsrausch toppen? Désirée Strassmann, Abteilungsleiterin Campaigning, und Frédéric Zürcher, Bereichsleiter Campaigning & Sponsoring (beide Migros), schenken im Gespräch über die Zukunft reinen Wein ein.
Ausgabe 01/02 2024: Hopfen und Malz gewonnen

Wie läuft das Migros-Bier?
Gut. Dass das Bier noch immer im Regal steht, zeugt davon, dass es auch kommerziell ein Erfolg ist. Das herbe Lagerbier ist sehr beliebt, und die Line Extension mit Tropical und Panaché schmeckt einer anderen Zielgruppe, die es leichter, luftiger, spritziger mag. Dieses Jahr kommen sogar noch spannendere Geschmäcker auf den Markt. Insgesamt macht uns das happy.

Was bedeutet «happy» in Zahlen ausgedrückt?
Wir stehen mit dem Migros-Bier im Moment auf Nummer zwei im Bierverkauf.

Im Juni 2022 stimmten die Migros-Genos­senschafter:innen über die Aufhebung des Alkoholverbots in den Migros-Filialen ab. Das hat massiv an den Migros-Grundsätzen gerüttelt. Inwiefern hat sie diese Debatte inspiriert, sich wieder stärker an den Grundwerten zu orientieren?
Nun, die Alkoholfrage wurde ja von der Basis, nämlich den Delegierten, gestellt – und nicht von einer Agentur oder von uns. Das Alkoholverkaufsverbot steht in den Statuten, und es war interessant zu beobachten, welche Debatten und Emotionen die Abstimmung ausgelöst hat. Jede:r wollte mitreden, und es war eindrücklich zu sehen, wie sehr sich unsere mehr als zwei Millionen Genossenschafter:innen mit der Migros und ihren Werten identifizieren. Zum einen beantworteten sie mit dem Abstimmungsergebnis die Frage klar und unmissverständlich, und zum anderen gibt es uns die Möglichkeit, uns im Bereich der alkoholfreien Getränke noch stärker von der Konkurrenz abzuheben – mit gesamthaft 99 Jahren Erfahrung in dem Bereich.

«Werben» Sie intern mit Auszeichnungen wie dem ADC-Gold-Würfel und dem ADC-Grand-Prix 2023 für mehr Einsatz seitens des Teams – im Sinne von: «Seht her, unser aller Einsatz lohnt sich»?
Auszeichnungen freuen uns natürlich. Dennoch ist Motivation etwas Individuelles. Manchen bedeuten diese Awards viel, für sie sind sie ein Sahnehäubchen für die geleistete Arbeit. Unsere Aufgabe besteht darin, eine Kampagne so passend und einprägsam wie möglich zu gestalten. Gewinnen wir wegen einer tollen Idee Preise, umso besser. Ein Award symbolisiert eine objektive Wertschätzung für unser Tun, unser Antrieb sind aber Kreativität, Motivation und Leidenschaft.

Was kann so eine erfolgreiche Kampagne toppen?
Das wird schwierig, weil sich das Thema optimal geeignet und die Umsetzung in ihrer Einfachheit alle erreicht hat. Bei jeder Kampagne setzen wir uns neue ambitionierte Ziele und schauen nach vorne. Generell lauten diese stets, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen, und wir sind zuversichtlich, dass es nicht die letzte brillante Kampagne war.

Die Migros ist immer noch der Lieblings-Retailer der Leute, aber sie gehen immer öfter mit der Konkurrenz fremd. Welche Kampagne oder Strategie könnte diese brenzlige Situation entschärfen?
Wir stehen in der Beliebtheitsskala mit Abstand auf Platz eins. Das freut uns enorm – ist aber keine Selbstverständlichkeit. Dessen sind wir uns sehr bewusst. Unsere Mitbewerber challengen uns und spornen uns gleichzeitig an, einfacher und effizienter zu werden, damit wir unseren Kund:innen günstige Preise zu unverändert guter Qualität anbieten können. So haben wir bereits Ende Januar die Preise bei rund 450 Produkten gesenkt.

In Österreich wirbt der Lieblingssupermarkt Billa seit 2007 unverändert erfolgreich mit dem «Hausverstand». Warum wechselt die Migros so oft die identitätsstiftenden Claims?
Weil wir uns wie die Kundschaft weiterentwickeln und damit auch unser Claim und die Kampagnen: Einfach gut leben. Ein M besser. Die Migros gehört den Leuten. Migros macht meh für d’Schwiiz. Damit bilden wir die Transformation ab. Akustisch sind wir konsistent: Unseren Jingle haben wir gefühlt seit eh und je.

Das breite Engagement der Migros ist das Thema der letztjährigen Werbung. Was hat den Anstoss für «Migros macht meh für d’Schwiiz» gegeben?
Dieser neue Claim bringt auf den Punkt, dass die Migros immer schon viel für Land und Leute getan hat und noch immer tut. Dieses Engagement wollten wir vergegenwärtigen.

Wer mit der Unternehmensverantwortung wirbt, muss sie über die gesamte Lieferkette hinweg beachten. Sonst könnte ein riesiger Reputationsschaden drohen. Wie sichern Sie dieses Versprechen ab?
Die Migros hat Spezialisten, die das sehr komplexe Thema verantworten. Unser wichtigster Standard ist der amfori BSCI, den die Migros 2003 mitgegründet hat – mit dem Ziel, die sozialen Bedingungen in den weltweiten Lieferketten zu verbessern.

Die Migros Supermarkt AG hat inzwischen den operativen Betrieb aufgenommen. Was ändert sich für Sie in der Kommunikation, was bleibt gleich?
Die Migros bleibt die Migros – auch in ihrer genossenschaftlichen Struktur. Über einzelne Schritte wird regelmässig informiert. Wir werden schneller und effizienter sein, und den Benefit, der sich daraus ergibt, geben wir an den Kunden oder die Kundin weiter in Form von günstigeren Preisen. Für uns im Marketing beeinflusst der Umbau unseren alltäglichen Job kaum, wir sind weiter bestrebt, typische Migros-Werbung zu gestalten.

Apropos preiswert. 2023 hat die Billigkonkurrenz enorm zugelegt. Was setzen Sie dem Trend in der Marketing-Kommunikation entgegen? Eine Spar-Kampagne?
Wir stellen stets den Menschen ins Zentrum unseres Handelns. Wir leben in anspruchsvollen Zeiten, in denen die Inflation, die gestiegenen Energiekosten, die höheren Mietzinse usw. die Preise in die Höhe treiben. Dies fliesst natürlich auch in unsere Kommunikationsmassnahmen ein, wie etwa in der M-Budget-Januarloch-Kampagne. Darum sind wir froh um unsere Eigenmarken, weil diese nicht nur eine günstige Kopie eines teuren Markenartikels sind, sondern in der gleichen Qualität produziert werden. Zudem ist unsere Regionalität ein Asset. Die Migros arbeitet mit Tausenden Produzenten vor Ort zusammen und kann darum das grösste regionale Sortiment im Vergleich zur Konkurrenz anbieten. Das generiert Nähe, Relevanz und Bodenständigkeit.

Der Noch-Genossenschaftsleiter in Zürich sagt, dass Migranten die Migros nicht verstehen. Ihnen fehle die Story dazu. Sind Menschen mit Migrationshintergrund eine Zielgruppe, der Sie sich in der Kommunikation noch zu wenig gewidmet haben, und wie könnte man sie erreichen?
Wir kommunizieren generell immer mit der ganzen Schweiz in den vier Landessprachen. Dass wir Menschen mit Migrationshintergrund besser oder anders erreichen müssen, weil sie nicht als «Migros-Kinder» aufgewachsen sind, liegt auf der Hand. In der Sortimentierung machen wir das schon besser mit vielen Produkten, die nicht aus der traditionellen Schweizer Küche stammen. Bei den Marketingmassnahmen können wir hier sicher noch zulegen.

Was machen Sie mit mehr Herz als alle anderen?
Wir hören oft, dass das Zwischenmenschliche gelebt und besonders geschätzt wird. Die Migros bewegt und steht nicht nur für Lebensmittel, unzählige Eigenmarken und andere Produkte, sondern auch für ganz viele Emotionen. Das ist ein Privileg.


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