19.11.2003

"Andreas Durisch, handelte Ihr Informant unmoralisch?"

Am vergangenen Wochenende veröffentlichte die SonntagsZeitung gestützt auf "gut informierte Kreise" den kumulierten Jahresverlust der Swiss. Am Montagmorgen gab der Aktienkurs um zwanzig Prozent nach, noch bevor die Fluggesellschaft die Zahlen in einer vorgezogenen Mitteilung bestätigt hatte. Der SonntagsZeitung könnte man nun vorwerfen, sie habe mitgeholfen, Börsenregeln zu verletzen. Wie sieht das Chefredaktor Andreas Durisch (Bild)? Und was hält er von unloyalen Mitarbeitern? Das Interview:
"Andreas Durisch, handelte Ihr Informant unmoralisch?"

Andreas Durisch, was war für Sie das wichtigste Ereignis der Woche?

Unser Interview mit Christoph Blocher, in dem er sagte, er ziele auch auf den Sitz von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ab.

Besitzen Sie Swiss-Aktien?

Nein. Ich halte keine Aktien von Firmen, über die wir schreiben. Das wird im übrigen auch durch die Regeln der Tamedia untersagt, die in diesem Haus nicht nur für Wirtschaftsjournalisten, sondern auch für Chefredaktoren gelten.

Ein Bericht der SonntagsZeitung dürfte am Montag einen zwanzigprozentigen Kursverlust der Swiss-Aktien bewirkt haben. Sind Sie stolz auf diesen Einfluss?

Es zeigt, dass die SonntagsZeitung gut gelesen wird und das man uns glaubt. Unsere Innformationen haben sich ja auch als zutreffend erwiesen. Stolz bin ich deswegen aber nicht. Ich sehe das eher als selbstverständlich an. Unser Ziel ist es nicht, den Aktienkurs zu bewegen, sondern die wunden Punkte eines Unternehmen rechtzeitig aufzudecken

Durch die vorzeitige Veröffentlichung von börsenrelevanten Informationen helfen Sie mit, das Kotierungsreglement der SWX zu umgehen. Finden Sie das nicht bedenklich?

Streng nach dem Buchstaben des Gesetztes stimmt das natürlich. Allerdings unterstehen wir ja nicht dem Börsenreglement. Genau betrachtet haben wir mit unserer Berichterstattung für alle die gleichen Voraussetzungen geschaffen: Am Sonntag findet kein Börsenhandel statt, jeder Anleger hatte die Chance, am Montagmorgen bei Börsenbeginn zu reagieren. Im Grunde genommen ist das so gerechter als bei Pressekonferenzen, die unter Tag stattfinden und wo einige Leute zwangsläufig früher informiert sind als andere.

Deshalb wird der Handel meist sistiert, oder die Information findet -- wie üblicherweise bei Tamedia -- nach Börsenschluss statt. Hätten Sie die Information als Chef einer wochentags erscheinenden Publikation demnach nicht veröffentlicht?

Ich wäre dann sicher anderes vorgegangen. Vermutlich hätten wir die Agenturen nach Börsenschluss mit einer Vorabmeldung bedient.

Ihr Primeur konnte nur dank einem illoyalen Informanten entstehen, der für seine Firma Konsequenzen bis hin zu einer Dekotierung in Kauf nimmt. Wie würden Sie mit einem Mitarbeiter verfahren, der Betriebsgeheimnisse preisgibt?

Ich würde sicher wissen wollen, warum jemand so etwas macht. Die Konsequenzen würden dann stark von den Umständen abhängen. Auch ich würde selbstverständlich versuchen, Informationslecks zu stopfen. Bei der Swiss scheint mir indessen weitaus dringlicher, den Geldabfluss zu stopfen!

Sie finden das Verhalten Ihres Informanten nicht unmoralisch?

Nein. Es deutet vielmehr darauf hin, dass nicht alle Leute damit einverstanden sind, wie die Swiss als Ganzes geführt wird.

Entspricht das auch Ihrer Einschätzung?

Im Rahmen eines solchen saloppen Kurzinterviews äussere ich mich nicht zu derart gewichtigen Themen.


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