07.06.2017

NZZ-Gruppe

CEO Veit Dengler geht per sofort

Er ist angetreten mit dem Ziel, als Branchenfremder die NZZ in die Zukunft zu führen. Nun geht der 48-Jährige bereits wieder, nach nicht ganz vier Jahren als Konzernchef. Ad interim wird Finanzchef Jörg Schnyder Vorsitzender der Unternehmensleitung. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.
NZZ-Gruppe: CEO Veit Dengler geht per sofort
Veit Dengler am Swiss Media Forum 2016 im KKL in Luzern. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)
von Christian Beck

Eine grosse Mitarbeiter-Info für alle Mitarbeitenden der NZZ-Gruppe, übertragen per Videostream im Intranet: Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod persönlich sprach am Mittwochnachmittag im Foyer an der Falkenstrasse Zürich über die künftige Strategie und überbrachte die Nachricht: CEO Veit Denger wird die NZZ verlassen – per sofort.

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«Ich gehe jetzt – und Servus», sagte Dengler nach seiner zweiminütigen Verabschiedungsrede. Es folgte ein langer Applaus.

Unterschiedliche Auffassung über die Strategie

Der Verwaltungsrat habe 2013 gemeinsam mit Dengler und der Unternehmensleitung eine neue strategische Ausrichtung erarbeitet, steht in einer anschliessend verschickten Medienmitteilung. Alle seien sich einig, dass der strategische Fokus auf Publizistik weiterhin richtig sei. Verwaltungsrat und CEO sind laut Mitteilung aber unterschiedlicher Auffassung darüber, wie die Strategie in der nächsten Phase umzusetzen ist. Vor diesem Hintergrund sind sie zum Schluss gelangt, dass eine andere Person diese Aufgabe übernehmen soll.

«Veit Dengler hat das Unternehmen erfolgreich auf die digitale Welt ausgerichtet, Prozesse und Führungsstruktur modernisiert und die richtigen Talente an Bord geholt – die Unternehmensleitung und alle Bereiche sind stark aufgestellt. Gleichzeitig hat er die Regionalmedien unter eine einheitliche Leitung gestellt und die Druckaktivitäten verschlankt», wird Etienne Jornod, Verwaltungsratspräsident der NZZ-Mediengruppe, zitiert. Jornod meinte mit letzterem die Schliessung der Druckerei in Schlieren, 125 Arbeitsplätze waren betroffen (persoenlich.com berichtete). «Diese Massnahmen haben sich zunehmend positiv in den unternehmerischen Kennzahlen niedergeschlagen. Nun geht es darum, die angestossenen Innovationsprojekte zu realisieren und weiterzuentwickeln», wird Jornod weiter zitiert.

Der Verwaltungsrat hat die Suche nach der geeigneten Person für die nächste Phase der Strategieumsetzung eingeleitet. Interimistisch wird CFO Jörg Schnyder die Unternehmensleitung führen, wie es in der Mitteilung heisst. Der Verwaltungsrat schenke der verbleibenden Unternehmensleitung das Vertrauen, hiess es an der Mitarbeiter-Info. Schnyder wolle zusammen mit der Unternehmensleitung Kontinuität gewährleisten, wie er sagte.

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Jörg Schnyder ist seit März 2009 Leiter Finanzen der NZZ-Mediengruppe und Mitglied der Unternehmensleitung.

Der neue CEO müsse die Strategie akzeptieren und bereit sein, diese umzusetzen, sagte Jornod an der anschliessenden Fragerunde vor den Mitarbeitern. «Er muss besessen sein von der Innovationskultur.» Es brauche eine Person, «welche die Journalisten gern hat». Journalisten würden bei der NZZ als Erfolgs- und nicht als Kostenfaktor betrachtet, so Jornod.

NZZ.at war umstritten

Der gebürtige Österreicher Dengler trat seine Aufgabe am 1. Oktober 2013 an (persoenlich.com berichtete). Zu den nach aussen bekanntesten und vielfach kritisierten Projekten gehörte NZZ.at, das Digitalprodukt der NZZ für Österreich. Dieses wurde im April, kurz vor der Generalversammlung, eingestellt. «Wir haben es ernsthaft versucht und hart dafür gearbeitet», verteidigte sich Dengler damals. Bei der Trennung von Dengler habe das Projekt NZZ.at keine Rolle gespielt, betonte Jornod vor den Mitarbeitern.

In die eher unruhigen vier Jahre mit Dengler als Konzernchef fiel auch der Abgang des bisherigen Chefredaktors Markus Spillmann. Unter Dengler wurden zudem die 14 NZZ-Regionaltitel von «St. Galler Tagblatt» und «Luzerner Zeitung» unter eine Führung gestellt.

Das letzte E-Mail von Dengler

«Ich habe ja ab und an ein E-Mail an euch alle geschrieben; heute bekommt ihr ein letztes Mal eines», schreibt Dengler an die «lieben Kolleginnen und Kollegen». Auch er skizziert nochmals kurz, weshalb es keinen Grund mehr gab, eine Trennung hinauszuzögern – im ähnlichen Wortlaut wie in der offiziellen Medienmitteilung. «Wie ihr hoffentlich bemerkt habt, war ich diese letzten vier Jahre nicht nur mit vollem Einsatz, sondern auch mit viel Herz euer CEO», heisst es im Mail, das persoenlich.com vorliegt. Er werde die vielen tollen Menschen, die er bei der NZZ-Gruppe kennenlernen durfte, vermissen.

Dengler wuchs in Österreich, Ungarn und Finnland auf. Der 48-Jährige verfügt über akademische Abschlüsse der Kennedy School of Government der Harvard-Universität und der Wirtschaftsuniversität Wien. In seiner Karriere hatte er nach Procter & Gamble verschiedene Führungspositionen bei McKinsey, T-Mobile und Dell inne. Während sieben Jahren war Dengler beim weltweit führenden Technologieanbieter Dell tätig, wo er den Geschäftsbetrieb in 32 Ländern in Ost- und Zentraleuropa verantwortete. 2012 arbeitete er als Senior Vice President des internationalen Geschäftsbereichs für Groupon.



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Kommentare

  • Erhard Lee, 07.06.2017 23:10 Uhr
    Ich meine, unter der Führung von Veit Dengler hat die NZZ viel erreicht. Es war Knochenarbeit. Das Umfeld der Medienunternehmen verändert sich enorm und es ist kaum absehbar, wo die Branche landet. In diesem Umfeld hat die NZZ-Gruppe eine ausgezeichnete Leistung erbracht. Nun ist es Zeit. eine neue höhere Stufe zu zünden! Danke Veit. Erhard Lee
  • Jürg Dedial, 07.06.2017 22:27 Uhr
    Eine der betrüblichsten Errungenschaften der Dengler-Ära ist der administrative Wasserkopf, den der Österreicher um sich herum aufgebaut hat. Diese Entourage, bestehend aus devoten Kofferträgern mit fetten Titeln und mageren Leistungsausweisen, ist massgeblich verantwortlich für die vielen Leerläufe bei der NZZ. Leidtragende war vor allem die Redaktion, das Kernstück der NZZ, die immer wieder mit dämlichen Sparübungen bedacht wurde. Wenn der Verwaltungsrat nun mit hochtrabenden Phrasen von Innovations-Besessenheit und immer neuen Strategien fabuliert, dient dies nur der Vertuschung eigenen Versagens. Er nützt nichts, wenn nur Dengler geht. Es wäre auch höchste Zeit für die Aufseher und deren Günstlinge.
  • Armin Keusch-Walter, 07.06.2017 21:17 Uhr
    Dengler muss gehen, aber der Drogist bleibt. Dabei waren die Millionen, die mit nzz.at in Österreich in den Sand gesteckt wurden, vom Verwaltungsrat voll abgesegnet, und das Chefredaktoren-Fiasko mit dem Blocher-Freund Somm war primär Jornods Werk. Die NZZ wird nicht zur Ruhe kommen, bevor nicht auch der Verwaltungsrat und sein Präsident ausgewechselt sind.
  • Karl-H. Walloch, 07.06.2017 19:38 Uhr
    Bin seit Jahren im Abo Leser des Weltblattes des Landes mit er großen roten Fahne mit weißem Kreuz. Spillmann war ein Chefredakteur von Format. Der Zugang zum Internet Angebot der Tante NZZ wahr häufig nicht möglich, auch die Ausgabe in Papier erreichte mich häufig nicht. Es gab mal bei NZZ, da erschien das Blatt mit 3 - in Worten drei - Ausgaben im Rotationsdruck. Aber das ist nicht die Zukunft der NZZ. Die Druckerei wurde verkauft, nun läßt man bei der Konkurrenz drucken. Ist das etwa Fortschritt? Mit hanseatischen Gruß K-H Walloch - Dokumentarfilmproduzent
  • Weingart Robert, 07.06.2017 16:42 Uhr
    Sofortiger Abgang...Ob er noch einige Wochen oder Monate Lohn kassiert fürs Nicht-mehr-Arbeiten?
  • Harry Bosch, 07.06.2017 15:20 Uhr
    Servus Dengler, die Karriere in Austria mit NZZ-Geld lanciert. Nach dem NZZ-Thron wartet nun die Politiker-Krone. Leider trägt Dengler wenige Orden nach Wien. Ohne die Provinz-Blätter in LU und SG wäre das Desaster noch viel grösser. Was hat er denn schon bewegt? Alles was angeschoben wurde, war auch wirtschaftlich ein schlechtes Geschäft. Digital gut aufgestellt? Aber sicher nicht. Auch im Personal hat er wenig Fortune, zusammengefasst vier verlorene Jahre. Wenn der VR jetzt so weiterfahren will, braucht es unbedingt Heinz Karrer. er bringt grosse Erfahrung an Niederlagen, mit, war schon in der Branche erfolglos, kein Gewinner und hat sonst ausser grossen Reden nur Milliardenverluste hinterlassen. Von seinen peinlichen Auftritten bei Economiesuisse nicht zu reden. Ein Mann ohne Fortune. Passt also und er such ja so dringend einen Job......
  • Oliver Brunner, 07.06.2017 14:12 Uhr
    V. Dengler war eine Fehlbesetzung. Er hat einen administrativen Wasserkopf aufgebaut. NZZ.at sollte seine politische Karriere vorberieten. Bereits als Groupon-Chef hat er seine Ziele nicht erreicht. Das Flagschiff NZZ ist beliebig geworden. Videofilmchen zu beliebigen Themen, Quiz, Bildstrecken kaum mehr vom Blick zu unterscheiden.
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