22.01.2003

Chronik einer angekündigten Wahl

Der Regionalrat der SRG hat den Vorschlag seines Ausschusses wie erwartet angenommen und die derzeitige Publisuisse-Direktorin Ingrid Deltenre (Bild) zur Nachfolgerin des abtretenden Fernsehdirektors Peter Schellenberg gewählt. Aus der heftigen Kritik am Wahlverfahren sollen Konsequenzen gezogen werden, wie SRG-Generaldirektor Armin Walpen am Mittwochnachmittag vor versammelter Journalistenschar versprach.
Chronik einer angekündigten Wahl

"Ich sehe noch keinen weissen Rauch aufsteigen", verkündete René Bardet gestern kurz nach 13 Uhr in Anspielung an das traditionelle Signal bei Papstwahlen. Man möge sich noch etwas gedulden. Während der Pressechef von SF DRS also mit den zahlreich angereisten MedienvertreterInnen auf die Verkündung des Resultats wartete, erhielten die Redaktionen bereits das offizielle Communiqué, welches die Wahl von Ingrid Deltenre zur Nachfolgerin des Fernsehdirektors Peter Schellenberg bekanntgab. Auf die ungewöhnliche Kommunikationspolitik hingewiesen, ergriff ein erschrockener René Bardet sein Mobiltelefon. Kurz darauf lagen die verschickten Medienmitteilungen auch an der Pressekonferenz auf.

Diesen Lapsus als symptomatisch zu bezeichnen, wäre unfair -- immerhin entspricht er aber dem Urteil zahlreicher KritikerInnen, die das Wahlverfahren wiederholt als "intransparent" und gar "dubios" angeprangert hatten. (Dass JournalistInnen, welche SRG-ExponentInnen zitieren möchten, deren vor Publikum gemachten Aussagen zur Zensur vorlegen müssen, gemahnt ebenfalls mehr an Sowjet-Praktiken denn an Bestrebungen zur Offenheit.)

Gegen die im Vorfeld geäusserten Vorwürfe verwehrte sich SRG-Generaldirektor Armin Walpen (Bild) gemeinsam mit Hans Fünfschilling, dem Präsidenten des Regionalratsausschusses, vehement. Überhaupt seien viele Unwahrheiten publiziert worden, rügte Fünfschilling. Eine Liste davon habe er jedoch nicht angefertigt, wich er einer entsprechenden Frage aus. Walpen wiederum spekulierte: "Ich glaube, das einiges nicht passiert wäre, wenn statt einer Frau ein Mann kandidiert hätte."

Gegen die im Vorfeld geäusserten Vorwürfe verwehrte sich SRG-Generaldirektor Armin Walpen (Bild) gemeinsam mit Hans Fünfschilling, dem Präsidenten des Regionalratsausschusses, vehement. Überhaupt seien viele Unwahrheiten publiziert worden, rügte Fünfschilling. Eine Liste davon habe er jedoch nicht angefertigt, wich er einer entsprechenden Frage aus. Walpen wiederum spekulierte: "Ich glaube, das einiges nicht passiert wäre, wenn statt einer Frau ein Mann kandidiert hätte."

Trotz Abwiegelungen und Beteuerungen scheint selbst die SRG mit ihrem Wahlverfahren nicht mehr ganz glücklich. Obwohl Hans Fünfschilling die statutarische Korrektheit und Transparenz des Ablaufs unterstrich, bezeichnete er es als "unüblich", dass der Regionalratsausschuss als Verwaltungsrat seinen Vorschlag vom Regionalrat bestätigen lassen müsse. Und Armin Walpen konzedierte, dass es im Verfahren "Momente gebe, die untersucht werden" müssten. Nach zehn Jahren sei es bestimmt richtig darüber nachzudenken, ob Verbesserungsmöglichkeiten bestünden.

Unzufrieden ist auch der Regionalrat. So lag der beträchtlichen Verlängerung der seiner Wahlsitzung offenbar eine intensive Diskussion des Gremiums über sich selber und seine Rolle zugrunde. Der Rat habe nun beschlossen, über seine Verantwortung und Strukturen "zu reden", gab Fünfschilling bekannt. In welche Richtung eine allfällige Änderung des Verfahrens gehen wird, konnte -- oder wollte -- aber weder er noch Walpen sagen.

Einigkeit herrschte beim Regionalrat dem Vernehmen nach bezüglich der Kandidatin Deltenre. Sie sei vom vollzählig erschienenen, 20-köpfigen Gremium bei zwei Enthaltungen mit 18 Stimmen gewählt worden, verkündete Präsident Fünfschilling stolz. Entgegen verschiedenen Vermutungen sei Ingrid Deltenre der Findungskommission nicht von Walpen, sondern von ihm vorgeschlagen worden, eröffnete er später. Nach Prüfung der 33 Kandidaturen und einem stufenweisen Auswahlverfahren sei der Ausschuss von Deltenre so überzeugt gewesen, dass man auf einen Zweiervorschlag verzichtet habe.

Die Kritik, Ingrid Deltenre fehle es an journalistischer Erfahrung, parierte Walpen mit dem Hinweis auf andere erfolgreiche Direktoren der SRG wie Gilles Marchand (TSR), Bernhard Cathomas (TvR) oder Remigio Ratti (RTSI), die ebenfalls nie als Journalisten gearbeitet hätten. Entscheidend, so Walpen, sei letztlich die Persönlichkeit.

Deltenre selber unterstrich ihr Interesse für das Publizistische. Illustriert wird dieses im abgegebenen Lebenslauf durch die Rubrik "Veröffentlichungen", wo neben redaktionellen Verantwortlichkeiten für Verlagspublikationen verschiedene Beiträge für Unterrichtsmittel, Festschriften und Fachzeitschriften aufgeührt sind. Ausserdem sei Deltenre als Verlagsleiterin von Cash "massgeblich" für das Konzept des damals ausgebauten "Invest"-Bundes verantwortlich gewesen.

Für die Qualität des Produkts am wichtigsten hält die kommende Chefin die publizistische Unabhängigkeit, wie sie erklärte. Der Kern des Service public von SF DRS liegt für sie einerseits im Leistungsauftrag und andererseits in der Solidarität mit anderen Sprachregionen. Im Bezug auf die Zukunft lobte sie Peter Schellenbergs Programmkurs sowie seine Positionierung der beiden Sender und kündete an, die Strategie fortzuführen, zu verfeinern und zu verbessern. Über die konkrete Ausgestaltung konnte sie ebensowenig sagen wie Armin Walpen. "Wir sind zwar nicht in keiner Turn-around-Situation, doch nützt sich auch das Beste mal ab und muss weiterentwickelt werden", unkte der SRG-Generaldirektor und betonte gleichzeitig, der Generationenwechsel mit Ingrid Deltenre sei ihm wichtig.

Dieser Wechsel wird am 1. Januar 2004 vollzogen sein, wenn Schellenberg das Fünfzigjahre-Jubiläum des Schweizer Fernsehens hat miterleben können und Deltenres Nachfolge bei der Publisuisse geregelt sein wird.

(Alain Egli).

Kurzbiographie Ingrid Deltenre


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