14.02.2018

Kommerzielle Kommunikation

Der Bund kauft Native Ad bei «Watson»

Das Bundesamt für Kultur versucht sich im Geschäft mit bezahlten Inhalten. Beim Newsportal wurde ein Artikel bestellt, geschrieben von einer Top-Journalistin. Damit habe niemand ein Problem, sagt Chefredaktor Maurice Thiriet. Und gibt einen Einblick in die Native-Ad-Produktion.
Kommerzielle Kommunikation: Der Bund kauft Native Ad bei «Watson»
Der «Watson»-Artikel «Wieso Kultur lebensnotwendig ist» wurde vom Bundesamt für Kultur in Auftrag gegeben und bezahlt. (Bild: Christian Beck)
von Christian Beck

In einem Artikel geht «Watson»-Redaktorin Simone Meier der Frage nach, wieso Kultur lebensnotwendig ist. Die «Kolumnistin des Jahres 2017» schreibt über den Song «Ne me quitte pas», über den Film «Die göttliche Ordnung» und die Arbeitskleidung der Migros-Angestellten. Und eingestreut zwischen dem Artikel finden sich Hinweise auf den Ideenwettbewerb «Kulturerbe für alle». Meiers Artikel ist ein Native Ad, in Auftrag gegeben vom Bundesamt für Kultur (BAK). Gekennzeichnet wird dies mit dem Hinweis «Präsentiert von».


8000 Franken hat der Artikel bei «Watson» gekostet, heisst es am Mittwoch im «Tages-Anzeiger». «Es ist das erste Mal, dass das Bundesamt für Kultur ein Native Ad in Auftrag gegeben hat», sagt BAK-Kommunikationsleiterin Anne Weibel auf Anfrage von persoenlich.com. «Wir wollten für den Ideenwettbewerb vor allem auch ein jüngeres Publikum erreichen. Deshalb haben wir uns für ein Native Ad bei ‹Watson› entschieden.» Es sei auch eine Art Test, um zu sehen, wie gut die Resonanz überhaupt sei.

Dass Native Ads umstritten sind, war dem BAK bewusst. «Für uns war es sehr wichtig, dass man ganz klar sieht, dass es eine Native-Ad-Publikation ist», so Weibel weiter. «Watson» habe bei der Gestaltung des Textes freie Hand gehabt. «Wir haben uns überhaupt nicht eingemischt.» Auch seien keinerlei Auflagen gemacht worden. «Das war alles sauber», betont Weibel.

Nebst dem bezahlten Artikel bei «Watson» werden zudem Inserate bei der «Tribune de Genève», «20 Minuten» und in Fachzeitschriften wie zum Beispiel «Archäologie Schweiz» gebucht. Auf die Frage von Radio SRF 2 Kultur, weshalb das BAK überhaupt Werbung betreiben dürfe, sagte Weibel: «Es gehört zu den Aufgaben des Bundesamts für Kultur, über seine Tätigkeiten zu informieren.» Dies könne auch in Form von Inseraten oder eben bezahlten Inhalten sein. «Es gibt keine spezifischen Richtlinien in Bezug auf Native Advertising», so Weibel.

Native Ads als Teil des Geschäftsmodells

Bei Tamedia seien die Native-Ads-Teams von den Redaktionen getrennt, damit die journalistische Unabhängigkeit gewahrt bleibe, heisst es im Tagi-Artikel. Bei «Watson» werden Native Ads von Journalisten geschrieben. «Watson»-Autorin Simone Meier verweist für eine Stellungnahme auf ihren Chef, er sei dafür zuständig. «Ein Mann wirft sich schützend vor mich, ich mag das. Er hat ja Ferien und Zeit für sowas. Ich nicht. Ich muss den nächsten Artikel schreiben – kein Native», schreibt sie zurück.

«Niemand bei ‹Watson› hat ein Problem damit, Native Ads zu produzieren, es ist Teil des Geschäftsmodells», meldet sich Maurice Thiriet, Chefredaktor von «Watson», aus den Bergen. Die Journalisten würden jeweils den Kunden nicht kennen, die beworbenen Produkte dürften in den Native Ads nicht vorkommen. «Die Journalisten sind in der Gestaltung der Geschichten völlig frei. Ist ein Kunde mit dem Ergebnis nicht zufrieden, stornieren wir die Rechnung und publizieren die Story ohne Branding», so Thiriet zu persoenlich.com. Das wiederum sei nur möglich, weil die Native Ads im Gegensatz zu Promos oder anderem Paid Content allen journalistischen Qualitätskriterien entsprechen würden.

Einen Tag pro Monat

Im Schnitt einen Tag im Monat pro Mitarbeiter werde bei «Watson» für die Produktion von Native Ads aufgewendet, schätzt Thiriet. Kommt eine Kundenanfrage, sammelt die Redaktion Storyvorschläge, aus denen der Kunde auswählen kann. «In der Regel setzt derjenige Journalist das Native Ad um, der den vom Kunden ausgewählten Storyvorschlag gemacht hat.» Niemand werde gezwungen, ein Native Ad zu einem Thema umzusetzen, das ihn langweile. Dies deshalb, weil das zu erwartende Ergebnis schlecht wäre, und daran hätten weder Kunde noch User noch Redaktion ein Interesse.

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Native Ads würden in der Regel innert eines Tages produziert. «Aber es gilt wie bei allen Geschichten, dass sie dann fertig sind, wenn sie gut sind», sagt Thiriet weiter. Beteiligt seien ein Verkäufer, die Native-Ad-Verantwortliche innerhalb der Redaktion und der oder die Autorin – wobei es keinen Kontakt zwischen Kunden und Autoren gebe. «Die Redaktionsmitarbeiter machen Geschichten und erhalten dafür Lohn und Freiheit. Das einzige, was einen Journalisten am Ende des Tages interessieren muss, ist, ob er eine Geschichte gemacht hat, die auf unterhaltsame Weise Erkenntnisgewinn gebracht hat», so Thiriet.

Keinen Interessenskonflikt befürchtet

Dass nun das Bundesamt für Kultur auf diese Werbeform gesetzt hat, findet der «Watson»-Chefredaktor gut. «Auch Bundesämter sollten auf innovative und wirksame Werbemittel setzen, die grösstmögliche Publizität in der erwünschten Zielgruppe für das Anliegen und das eingesetzte Budget erzielen.» Einen Interessenskonflikt sieht Thiriet nicht. Auch wenn Journalisten mit ihrer Berichterstattung einen bestehenden oder potenziellen Kunden vergraulen würden – den Lohn würden sie trotzdem erhalten. «Den Ärger des Head of Sales kriegt dann der Chefredaktor ab, dessen Lohn wiederum nicht von Umsatzzielen abhängt und sich deshalb bisher noch immer für kritische Berichterstattung als Dienst am User und der Glaubwürdigkeit von ‹Watson› entschieden hat», sagt Thiriet.

Die Werbekunden hätten auch kein Interesse an Medien, die ihnen nach dem Mund publizieren würden, ist er überzeugt. «Der so verminderte Glaubwürdigkeitsgrad der Medien würde diese auch als Werbeplattformen abwerten.» Dies sei generell so, sonst würde in keinem Medium der Schweiz je eine kritische Geschichte erscheinen über Coop oder Migros oder Swisscom, die die grössten Werbebudgets verteilen.

 

 

 



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Kommentare

  • Oliver Brunner, 20.02.2018 14:58 Uhr
    Ich habe gewusst, dass Watson nicht gut läuft. Verleger Wanner sucht ja verzweifelt Geldgeber. Aber das man nun PR mit Steuergeldern macht, ist wohl der Todesstoss. Natürlich schadet das Picdumps, Foodporn und Katzenbilderstrecken nicht, aber das Portal posaunte ja immer was von "Journalismus". Das verkommt nun völlig zur Farce.
  • Erich Heini, 15.02.2018 07:17 Uhr
    Der "Watson"-Chefredaktor vernebelt und beschönigt. Bundes- und weitern -Aemtern, die mit Steuergeldern solchen Schabernack finanzieren, können fortan davon ganz offensichtlich nur mit einschneidenden Budget- und Personalkürzungen abgehalten werden. Andernfalls können wir uns etwa auch im Bereich des militärischen Beschaffungswesens mit 'NativeAds' konfrontiert sehen. Vielleicht auch, ohne es auf Anhieb zu merken. Oder auch bei Grossaufträgen anderer. Wann folgt die getürkte Story über die Bombardier-Züge ? Ist sie vielleicht schon erschienen ? Wie wäre es, ist auch noch zu fragen, wenn es die Heerscharen von Kommunikationsbeauftragten in den Aemtern mit Schreiben selber versuchen würden ? Denn u.a. dafür hat man sie ja wohl aus dem Journalismus abgeworben.
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