26.02.2003

Die 100 Tage von Peter Hartmeier

Drei Monate ist es her, seit Peter Hartmeier (Bild) überraschend die Nachfolge des Tages-Anzeiger-Chefredaktors Philipp Löpfe antrat. Wie präsentiert sich die Grossbaustelle heute? Welche Ziele wurden verfehlt? Und wie ist das nun genau mit Löpfes Zukunft? "persoenlich.com" hat mit Peter Hartmeier gesprochen. Das Interview:

Sie sind rund hundert Tage im Amt. Wie weit ist der angekündigte Kulturwandel gediehen?

Wenn ich mir die Zeitung von heute Mittwoch ansehe, dann haben wir ein Ziel klar erreicht: Aktualität, gestützt durch die notwendigen Hintergrundinformationen und klare Meinungen. Leider sind wir nicht jeden Tag so gut wie heute.

Woran liegt das?

Wir wissen zwar, was wir wollen: einen Zürich-Bund, der Tagesgespräche auslöst etwa oder einen ersten Bund mit den gesellschaftlichen und politischen Themen von Grossstädtern. Aber wir sind manchmal zu wenig streng mit uns. Allerdings sind unsere neuen Nachrichtenchefs Hanspeter Bürgin und Rita Flubacher auch erst seit wenigen Tagen im Amt. Jetzt müssen wir konsequenter werden.

Nach Ihrem Amtsantritt haben Sie für die Stimmung auf der Redaktion den Ausdruck "Besorgnis" gewählt. Wie steht es heute?

Die Redaktion ist sich bewusst, dass die Zeitungsbranche als Ganzes und der Tages-Anzeiger im Besonderen in einer ganz schwierigen Situation ist. Sie ist deshalb bereit, konsequent ihren Weg zu gehen und keinem Konflikt auszuweichen -- wir sind hart in der Kritik untereinander. Bereits ist so etwas wie ein Neuanfang da.

Bis jetzt spürt der Leser Ihre Präsenz in der Zeitung nicht sehr stark. Was hält Sie ab, welche Ziele haben Sie noch nicht erreicht?

Ich habe einen Haufen Ziele noch nicht erreicht. Mein Hauptgewicht liegt im Moment auf der grundsätzlichen Weiterentwicklung der Zeitung: dem Ersten, Sechsten und Blauen Bund sowie dem Züritipp. Was meine Präsenz angeht, so äussere ich mich nur, wenn ich -- erstens -- über die thematische Kompetenz verfüge und -- zweitens -- eine Stellungnahme des Chefredaktors vonnöten ist. Ich habe aber festgestellt, dass man sowohl intern als auch extern erwartet, dass ich mehr schreibe. Drängen lasse ich mich jedoch nicht.

Nach Gesellschaftsbund und Ausgehbeilage steht Inzwischen also auch die Struktur des ersten Bundes zur Diskussion. Womit sind Sie unzufrieden?

Wir müssen die Blattarchitektur, den Anfang unserer Zeitung überarbeiten, die Balance zwischen Aktualität, Hintergrund und Meinung neu definieren. Damit befasst sich jetzt eine Arbeitsgruppe.

A Propos Umstellungen: Wann fällt der definitive Entscheid über den Erscheinungstag des Züri-Tipp?

Wir entscheiden dieser Tage, ob die Ausgehbeilage am Donnerstag erscheinen wird. Ich bin aber zuversichtlich.

Die angekündigten Einzelgespräche mit Ihren RedaktorInnen haben Sie aus Zeitgründen abgesagt. Wie kann man führen, ohne seine Leute zu kennen?

In erster Linie führe ich die Redaktion über die Redaktionsleitung, also die Stellvertretenden Chefredaktoren, die Ressortleiter und die Nachrichtenchefs/Blattmacher. Dann bin ich -- wenn immer möglich -- täglich an allen drei Redaktionskonferenzen dabei und nehme auch an möglichst vielen Ressortsitzungen teil. Dass gleiche gilt für unsere vierzehntägliche "Grosse Konferenz", an der alle Mitarbeiter, von der Redaktion bis zur Technik, zusammentreffen und wo ich über Entwicklungen und Entscheide informiere. Zudem verfasse ich im Turnus mit meinen Stellvertretern alle drei Wochen eine Blattkritik, die in unserem Intranet veröffentlicht wird. Und schliesslich ist meine Türe offen für jeden Redaktor, der mich sehen will. Bis im Herbst werde ich mit allen einmal persönlich gesprochen haben.

Um Philipp Löpfes Zukunft herrscht offenbar Unklarheit: Uns wurde von der Tamedia sein Ausscheiden aus der Redaktion bestätigt, gegenüber der Werbewoche dementierte Löpfe aber definitive Entscheide. Was ist Sache?

Philipp Löpfe und ich haben gemeinsam entschieden, dass er nicht Mitglied der Redaktion bleibt. Darüber hat nie Unklarheit geherrscht. Löpfes Aussagen sind vielleicht falsch verstanden worden.

Der Arbeitsmarkt ist gerade in der Medienbranche voll guter Leute ohne Anstellung. Warum dauert die Suche nach einem neuen Verlagsleiter beim Tages-Anzeiger so lange?

Da sage ich nur "No comment", allerdings mit deutlich positivem Unterton. Man wird nächstens mehr hören.


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