19.11.2002

"Die Schlacht ist lanciert -- und wir werden sie gewinnen"

Mit dem ab Frühling 2003 erscheinenden Express nimmt das Zürcher Verlagshaus Tamedia die Konkurrenz 20 Minuten ins Visier. Die Ende 1999 lancierte Pendlerzeitung hat bereits zahlreiche LeserInnen vom Tamedia-Produkt Tages-Anzeiger abgezogen. Martin Kall (Bild), Vorsitzender der Unternehmensleitung von Tamedia, schlug an einer Pressekonferenz vom Dienstagmorgen fast schon kriegerische Töne an. "persoenlich.com" hat nachgefragt. Das Interview:
"Die Schlacht ist lanciert -- und wir werden sie gewinnen"

Herr Kall, warum lancieren Sie jetzt eine neue Pendlerzeitung? Kommen Sie nicht zu spät?

Wir haben den Markt genau beobachtet, erst in diesem Jahr hat sich der Zweikampf zwischen Metropol und 20 Minuten entschieden. Jetzt kommt es wie beim America's Cup zur nächsten Ausscheidung: 20 Minuten ist der Herausforderer, wir hingegen sind seit 20 Jahren im Markt. Die Anderen müssen nun beweisen, ob sie uns in diesem Kampf das Wasser reichen können.

Das ist eine kämpferische Sprache. Sie verglichen die ganze Auseinandersetzung um die erfolgreichere Pendlerzeitung mit dem späten Kriegseintritt der USA im ersten Weltkrieg. Ob in einer Schlacht oder im America's Cup gibt es am Ende nur einen Sieger.

Das ist so. Zürich ist eine ziemlich grosse Stadt, aber es reicht schlussendlich nur für eine profitable Pendlerzeitung – und das ist am Ende die Unsrige. Wenn man Zürich mit grösseren Metropolen wie London oder Paris vergleicht, sieht man sofort, dass es hier nur Platz für einen Anbieter hat.

Trotzdem dürfte der Wettbewerb ziemlich hart werden. 20 Minuten hatte immerhin drei Jahre Zeit, um sich im Markt zu etablieren.

Ersten haben wir mit dem Zürich-Express bereits teilweise eine Pendlerzeitung gemacht, die wir seit 20 Jahren betreiben und die auch gratis verteilt wird. Zusätzlich geben wir auch das Tagblatt mit den relevanten städtischen Informationen heraus. Zweitens wird die neue Pendlerzeitung Express mit einer höheren Auflage als sein Mitkonkurrent erscheinen. Wir werden allein für Zürich so viele Exemplare drucken wie 20 Minuten für die gesamte Deutschschweiz. Zusätzlich kennen wir Zürich sowohl redaktionell wie von der Werbeseite her sehr gut. Das ist unser Heimmarkt, das ist unser Geschäft. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird.

Bis anhin verkehrten die Schweizer Verlage sehr kooperativ miteinander. Sie wählen eine kämpferische Sprache. Ist das die neue Tonart von Tamedia?

Wir können nicht warten, bis andere unseren Heimmarkt besetzen. Tamedia muss in seinem Stammgebiet eine aktive Rolle spielen. Wir hatten beim Zürich-Express eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der NZZ. Wir können jetzt aber nicht warten. bis jemand mit uns kooperiert. Sobald wir aber mit dem Express erfolgreich sind, werden andere Verlage bestimmt nachziehen.

Sie haben heute in der Pressekonferenz betont, dass der – Zitat Kall – "oft belächelte Zürich-Express, den niemand ernst nimmt" mehr Umsatz erzielt als 20 Minuten. Warum wird der Zürich-Express jetzt geopfert?

Der wird nicht geopfert, sondern weiterentwickelt. Wir nehmen das bisherige Team und stellen 20 neue Mitarbeiter ein. 99 Prozent Belegschaft wird also bei Express weiterbeschäftigt. Den ersten Schritt haben wir getan, als wir vor zwei Jahren den Zürich-Express lancierten. Jetzt gibt es nur noch einen Bewerber im Pendlermarkt, für uns das Signal unsere Strategie weiterauszubauen.

Aber der Chefredaktor Markus Hegglin wird ausgewechselt?

Die neue Redaktion wird doppelt so gross wie bisher. Damit ändert sich auch das Anforderungsprofil an den Chefredaktor. Ich bin guter Dinge, dass Herr Hegglin bleibt. Dass Projekt hat jetzt eine solche Dimension gewonnen, dass wir eine andere Person mit dieser Aufgabe betrauen wollen. Deren Name wird in den nächsten Tagen bekannt gegeben.

Konkurrenzieren Sie mit dem neuen Blatt nicht auch den Tages-Anzeiger, der in den letzten Jahren ständig an Auflage verloren hat?

Irgendwo betrifft es sicher auch den Tages-Anzeiger. Wir haben aber in den letzten Jahren festgestellt, dass trotz den verschiedenen Pendlerzeitungen 90 Prozent der Leser dem Tagi treu bleiben. Der Tages-Anzeiger bleibt immer noch die meistabonnierte Zeitung der Schweiz. Wir klagen beim Auflageschwund auf sehr hohem Niveau. Aber die Hauptschlacht wird zwischen den beiden Pendlerzeitungen entschieden.

Wie hoch sind die Kosten?

Dies ist geheim. Ich kann nur soviel sagen: Sie sind für die Tamedia überschaubar.

Wohin entwickelt sich Tamedia?

Das ist ein klares Bekenntnis zum Print. Mit dem bisherigen Zürich-Express erwirtschaften wir mehr Umsatz als die Belcomgruppe, 2/3 unseres Gesamtvolumens stammt aus den gedruckten Medien. Die Schlacht ist also lanciert.

Wann wird sie zu Ende sein?

Dann, wenn wir sie gewonnen haben!

(Interview: Matthias Ackeret).

Der Express:


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