26.04.2003

"Jede Zeit braucht ihren Präsidenten"

Das Präsidium des Verbandes Schweizer Presse hat am Donnerstag Hanspeter Lebrument (Bild), Verleger der Südostschweiz, für die Wahl zum neuen Präsidenten des Verbandes nominiert. "persoenlich.com" wollte von Lebrument wissen, wie er seine Rolle als bekannter Unruhestifter mit der des Präsidenten unter einen Hut zu bringen gedenkt, wo er die grössten Probleme in der Schweizer Presselandschaft sieht und was er dagegen unternehmen will. Das Interview:

Herr Lebrument, Sie sind als neuer Präsident des Verbandes Schweizer Presse nominiert. Warum sind Sie darauf eingestiegen?

(lacht) Ich habe mir diese Entscheidung relativ gut überlegt, aber nach 40-jähriger journalistischer Tätigkeit ist es interessant, einmal auf nationaler Ebene mitzumachen.

Bis anhin haben Sie aber solche Interessen immer dementiert. Was war dann der entscheidende Punkt?

Ausschlaggebend war meine Funktion als Delegationsleiter der Postverhandlungen. Zudem beobachte ich seit längerem wie einschränkend sich das Wettbewerbsrecht auf die Medienlandschaft auswirkt. Medienvielfalt ist nicht zum Nulltarif zu haben. Ich glaube jedoch, dass man als Präsident auf solche negativen Entwicklungen stärkeren Einfluss nehmen kann.

In der Branche wurde immer wieder Michael Ringier als zukünftiger Präsident gehandelt. Nun sind Sie als enfant terrible und Unruhestifter in der Favoritenrolle. Überrascht?

Jede Zeit hat ihren Präsidenten -- oder solche, die sich für dieses Amt aufdrängen. Das Jahr 2000 war die Schweizer Presse auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Erfolgsgeschichte. Nur logisch, dass mit Hans-Heinrich Coninx ein Vertreter eines Grossverlages diese Funktion ausgeübt hat. Drei Jahre später hat sich die Situation erheblich geändert. Nun stehen Verleger im Vordergrund, die vielleicht ein bisschen vorsichtiger gewirtschaftet haben. Meine Meinung zu den Online-Projekten, dem Gesamtarbeitsvertrag oder -- dem soeben erwähnten -- Wettbewerbsrecht wurden damals als Querdänkergebahren interpretiert, heute ist sie aber gültige Mitte.

Sie haben Hans-Heinrich Coninx erwähnt. Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?

Wie gesagt, ich bin erst vom Präsidium nominiert, noch nicht aber gewählt. Das Wahlgremium kann im September diesen Vorschlag bestätigen oder noch andere Kandidaten ins Rennen schicken. Ein Wahlgremium muss man ernst nehmen. Sollte ich aber gewählt werden, möchte ich den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen. Coninx hat den Verband auf eine gute Weise umstrukturiert, so hat er die Unterschiede zwischen grossen und kleinen Publikationen, Zeitungen und Fachzeitungen aufgelöst und sogenannte Departemente eingeführt, die themenbezogen arbeiten. Das ist eine intelligente Lösung, die ich weiterverfolgen möchte. Aber natürlich übt jeder seine Tätigkeit anders aus.

Wie sieht Ihr Führungsstil aus?

Mit der Südostschweiz sind wir mit vielen anderen Zeitungen Kooperationen eingegangen. Dabei musste ich jeweils für ein eindeutige Resultate kämpfen.

Wie wird Sie Ihr neues Amt zeitlich beanspruchen?

Unser Gruppe besteht aus 11 Gesellschaften mit eigenen Chefs, wobei ich jeweils das Amt der VR-Präsidenten ausübe. Eines habe ich in den letzten 15 Jahren gelernt: mir Zeit zu nehmen. Und die Jüngeren in unserem Betrieb sind sicher auch nicht unglücklich, wenn ich mich vermehrt um Verbandsaktivitäten kümmere und weniger in ihr Business dreinschwatze.

Sie sind in den letzten Jahren immer wieder durch unkonventionelle Ideen, zum Beispiel eine Neuverteilung der Lokal-TV-Konzessionen, aufgefallen. Als Präsident würde Ihre rebellische Ader stark eingeschränkt...

Das glaube ich nicht, auch ein Präsident kann eigene, überraschende Ideen portieren. Konnte ich aber als Einzelkämpfer einen Vorschlag aus der Hüfte heraus machen, so bin ich nun gezwungen, mehrheitsfähige Ideen zu präsentieren. Meine Argumente müssen noch stärker sein, um andere zu überzeugen...

Wo sehen Sie die grössten Probleme in der Schweizer Presselandschaft?

Erstens müssen wir die staatlichen Medienkonzentrationsartikel auf Gesetzes- und Verfassungsstufe klar bekämpfen. Ausser im Grossraum Zürich gibt es in der ganzen Schweiz Medienkonzentrationen, das ist heute die Realität. Zweitens muss die Liebe zur Zeitung verstärkt werden. Dies betrifft vor allem den Anzeigenbereich. Wir müssen vermeiden, dass unsere Kunden auf jede vermeintliche Alternative -- ich denke zum Beispiel an das Internet -- ausweichen, um ihre Inserate zu schalten.

Wie wollen Sie das erreichen?

Die Gattungswerbung sollte vom Verband aus gestärkt werden. Aber vor allem ist dies eine psychologische Angelegenheit: Den Lesern, Konsumenten und auch Verlegern sollte auch in Zukunft klar sein, dass Zeitungen ganz klar das Führungsmedium sind.

Wie sehen Ihre Prognosen für den Schweizer Medienmarkt aus?

Eine schwierige Frage. Ich jedenfalls glaube, dass ein leichter Aufwärtstrend schneller kommt als wir denken. In Krisenzeiten hat man immer die Tendenz, den Glauben an eine baldige Erholung zu verlieren...


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