01.07.2003

Studie

Kein Boom des digitalen Fernsehens bis 2007

Steinige Wege aus der Stillstandsfalle.

Ein Erfolgskapitel in der Geschichte des digitalen Fernsehens im deutschsprachigen Raum lässt weiter auf sich warten. Die Analysen und Prognosen des aktuellen Prognos-Themenreports "Digitales Fernsehen 2007" geben wenig Anlass zur Euphorie. In den deutschen Kabelnetzen ist der Umstieg von der analogen zur digitalen TV-Übertragung in den letzten zwei Jahren kaum voran gekommen. Der Ausbau der Netze stockt, die Nachfrage bleibt niedrig, eine einheitliche Strategie fehlt. Weniger schwierig gestaltet sich der Umstieg in Österreich und in der Schweiz, aber ein Boom ist auch in diesen Ländern nicht in Sicht.

Keine Aufbruchstimmung

Wer geglaubt hat, dass der Verkauf der restlichen Telekomkabelnetze und der Start des digitalen terrestrischen Fernsehens in Berlin einen neuen Schub für das digitale Fernsehen in Deutschland bringen würde, sieht sich getäuscht. Nach wie vor ist die Kabelbranche uneins über die Strategie, wie sich die zunehmenden Wettbewerbsnachteile gegenüber dem digitalen Satelliten-Direktempfang ausgleichen lassen. Nur 7 Prozent der Kabelhaushalte empfangen digital, und davon entfällt der Grossteil auf Premiere- Abonnenten.

Während die Kabelunternehmen in Österreich und in der Schweiz die Integration von Breitband-Internet- und Telefonie-Plattformen erfolgreich vorantreiben und so die Nachfrageschwäche beim digitalen Fernsehen ausgleichen, werden die Ausbaupläne in Deutschland verschoben, gestreckt oder reduziert. Die Altlasten aus der komplizierten Netz- und Eigentümergeschichte sind offensichtlich noch nicht bewältigt.

Kabel verliert Marktanteile in Deutschland

Die Verzögerung hat nach Ansicht der Basler Prognos AG Konsequenzen: Bis zum Jahr 2007 wird der Direkt-Satelliten-Empfang in Deutschland Marktanteile hinzugewinnen, die Kabelanschlussdichte wird leicht sinken. Und für den Fall, dass die Kabelunternehmen bis zum Jahr 2005 ihr Angebot nicht spürbar verbessern, beschreibt der aktuelle Prognos mediareport "Digitales Fernsehen 2007" noch ein anderes Szenario: "Low-User", also Personen mit wenig Interesse am Fernsehen, könnten sich mit dem Grundangebot des digitalen terrestrischen Fernsehens DVB-T zufrieden geben und auf ihren Kabelanschluss verzichten. Das würde den Anteil des Kabels weiter reduzieren, zumindest in den Gebieten, in denen ein schneller DVB-T-Ausbau geplant ist.

Ob die ehrgeizigen DVB-T Ausbaupläne allerdings wie geplant umgesetzt werden können, bezweiflen die Basler Medienexperten. Gegen eine Subventionierung des DVBT-Ausbaus im Rahmen eines Digitalisierungsfonds formiert sich Widerstand, auch in Österreich, wo vergleichbare Vorschläge auf dem Tisch liegen. Allerdings sind die medienwirtschaftlichen und medienpolitischen Fronten in Österreich nicht so verhärtet wie in Deutschland, weil der Wettbewerb zwischen dem öffentlichen und privatwirtschaftlichen TV-Sektor nicht so ausgeprägt ist. Das gilt auch für die Schweiz, wo die Vorreiterrolle der SRG beim DVB-T-Ausbau unbestritten ist.

Digitales Fernsehen auch 2007 kein Massenmarkt, Reichweite bleibt unter 40 Prozent

Die Entscheidung von Premiere, den vorhandenen Bestand von d-boxen zunächst nicht MHP-fähig aufzurüsten, bedeutet einen herben Rückschlag für eine der wenigen Innovationsqualitäten des digitalen Fernsehens im deutschsprachigen Raum. Der Marktimpuls, der von attraktiven Mehrwertanwendungen ausgehen könnte, bleibt aus. Im Jahr 2007 werden in allen drei Ländern weniger als 40 Prozent der Haushalte über digitale Empfangsmöglichkeiten verfügen. In Deutschland und Österreich überwiegt dabei deutlich der digitale Satelliten-Empfang, nur in der Schweiz liegt das Kabel vorne, weil mehr als 85 Prozent der Haushalte ohnehin Kabelanschluss haben.

Ein Markt für digitales Fernsehen wird nur im Kabel entstehen, weil über Satellit der überwiegende Teil der digitalen Programme unverschlüsselt und kostenlos empfangen werden kann. Nur im Kabel können digitale Programme überhaupt an Kunden verkauft werden. Eine grundlegende Veränderung der Marktstrukturen ist im Wettbewerb mit dem Satelliten-Empfang nicht zu erwarten. Von einem Massenmarkt wird das digitale Fernsehen deshalb auch im Jahr 2007 noch weit entfernt sein.


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