Urs Paul Engeler verliert seine feste Akkreditierung und darf das Bundeshaus künftig nur mittels Zutrittsausweis über den Hintereingang betreten. Im Interview mit persoenlich.com lässt der legendäre Bundeshausjournalist Frust ab. "Es wird alles mühsamer, ärgerlicher", sagt er. Eine Schweinerei sei der Zeitpunkt des Entscheids; genau zwei Wochen vor der spannendsten Session seit langem.
Der 65-Jährige ist nicht der einzige, der den sogenannten C-Ausweis verliert. Rund einem dutzend Journalisten ergeht es gleich, darunter sind laut Engeler Namen wie Niklaus Ramseyer (Tagi, SoZ und BaZ) und Werner C. Hug, der diverse Fachmedien beliefert.
Neue behördliche Verordnung
Der Entscheid der Bundeskanzlei gründet auf der neuen Verordnung über die Akkreditierung von Medienschaffenden für das Medienzentrum und über die Zutrittsberechtigung vom Medienzentrum (MAkkV) vom 30. November 2012. Sie kommt dieses Jahr erstmals zur Anwendung. Gemäss der Verordnung kann nur akkreditiert werden, wer "hauptberuflich im Umfang von mindestens 60 Prozent einer Vollzeitstelle über das Geschehen im Bundeshaus" berichtet und diese journalistische Tätigkeit für Medien ausübt, die einem breiten Publikum zugänglich sind.
Im Fall von Engeler weist Bundesrats-Sprecher André Simonazzi auf Anfrage von persoenlich.com hin, dass Engeler die Akkreditierung nicht entzogen, sondern nicht erneuert worden sei. "Die Bundeskanlzei muss zum Ende der Legislatur auch diejenigen Akkreditierungsnachweise erneuern, deren Gültigkeit nach vier Jahren abläuft", fügt er an.
"Machtmittel zur Steuerung der Berichterstattung"
Diese neue Regelung wird Engeler zum Verhängnis. Der "Handelszeitung"-Autor arbeitet seit seiner Pensionierung nur noch in einem 50 Prozent-Pensum. Zuvor war er für diverse Medien wie die "Weltwoche", "Facts" und die "Basler Zeitung" tätig. Im Jahr 2011 erhielt er die Auszeichnung "Journalist des Jahres".
Engelers Teilverbannung aus dem Bundeshaus sorgte in der Branche für heftigen Wirbel. Am Dienstagmorgen kritisierte die "Handelszeitung" den Entscheid der Bundeskanzlei in einem Statement als falsch und formalistisch: "Die Bundesbehörden wirken mit ihren Akkreditierungs-Entscheiden diskriminierend", schreibt Chefredaktor Stefan Barmettler im Beitrag.
Im jetzigen Regime entscheide die Verwaltung letzlich darüber, wer für welches Medium zum inneren bundespolitischen Zirkel zugelassen werde und wer draussen bleiben muss. Dieses Machtmittel zu direkten Steuerung der Berichterstattung werde offenbar eingesetzt.
Ähnlich äussern sich Journalistenkollegen auf Twitter. Sie zeigen sich solidarisch und wittern zum Teil politische Motivationen hinter dem Entscheid.
Engeler hat meine volle Solidarität - was sich Bundeskanzlei leistet, geht so nicht: https://t.co/tUwFcCUqCQ #Bundeshaus #Journalismus
— Christof Moser (@christof_moser) 16. November 2015
Ein Unbequemer wird wegspediert: Urs Paul Engeler verliert die Bundeshaus-Akkreditierung | https://t.co/k2HmODBlzo: https://t.co/I6M0nyRvTa
— Mirjam Jauslin (@mirjamjauslin) 16. November 2015
"Diese Vorwürfe entbehren jeder Grundlage", wehrt Simonazzi ab. Die Bundeskanzlei habe ihren Entscheid gemäss den Kriterien der MAkkV gefällt und dem Gesuchsteller gegenüber detailliert begründet. Er sei auch darüber informiert worden, dass der Entscheid angefochten werden könne.
Ob Engeler dies macht, wird sich zeigen: "Ich weiss nicht, ob ich nach der 32-jährigen Akkreditierung diese Lächerlichkeit noch anfrechten will", sagt er persoenlich.com-Interview.
Text: Michèle Widmer, Bild: Keystone