28.05.2003

"Letztlich wird eine Ausdünnung des Zeitungsangebots unvermeidlich sein"

Die Espace Media Groupe hat am Dienstag ihren vergleichsweise positiven Jahresabschluss vorgestellt. Gleichentags bestätigte sie, dass mit der NZZ Gespräche über eine Kooperation zwischen Berner Zeitung und Bund laufen. "persoenlich.com" hat sich mit Albert "Polo" Stäheli (Bild), dem Vorsitzenden der Konzernleitung der Espace Media Groupe, über den Markt und die Konkurrenz unterhalten. Das Interview:

Der Espace Media geht es besser als manch anderem Schweizer Medienhaus. Wie lautet Ihr Rezept?

Das Rezept heisst, früh genug die nötigen Reorganisationen einzuleiten, transparent zu informieren und zusammen mit den Mitarbeitern -- bei allen Schmerzen -- auch die beschlossenen Massnahmen konsequent umsetzen. Dies ist uns gelungen. Das Management hat den Markteinbruch rechtzeitig antizipiert und erste Sparprogramme bereits im Frühjahr 2001 ausgelöst. Dadurch konnten wir einen grossen Teil des Rückgangs auffangen.

Dennoch haben Sie weitere Entlassungen angekündigt, nachdem 2002 bereits 105 Stellen gestrichen wurden. Wieviel Sparen erträgt die Qualität?

Ich habe das nicht angekündigt, das ist lediglich so interpretiert worden. Im Moment sind keine weiteren Entlassungen geplant, ausschliessen kann ich sie aber auch nicht. Generell gilt ein Anstellungsstopp, durch Fluktuation ergibt sich beim Personalbestand eine Tendenz nach unten. -- Zur Qualität: Die Grenze, bei der sie unter Sparmassnahmen leiden würde, ist noch lange nicht erreicht. Denn durch neue Technologien und die geschickte Integration von Akquisitionen können wir die Produktivität weiter steigern. Solches Potential besteht auch in jeder Grossredaktion, wenngleich es dort schwieriger zu orten und umzusetzen ist.

Wegen der sinkenden Anzeigeneinnahmen rechnen Sie mittelfristig mit einem Anstieg der Abopreise. Wie gross wird dieser sein?

Wenn die Anzeigenverluste mit dem gleichen Tempo weitersteigen, betragen die Anzeigenerlöse 2004 nur noch die Hälfte von 2000. Ohne Qualitätsverlust -- den wir nicht zuletzt auch wegen der Gratispresse vermeiden müssen -- wären wir rein kalkulatorisch gezwungen, beim Verkaufspreis 50 Prozent aufzuschlagen. Das wäre dann eine Absage an die herrschende "Quersubventionierung" des Lesermarktes durch die Anzeigen. Doch auch wenn ich hier ein gewisses Potential sehe, müsste die Preiselastizität erst noch genauer geprüft werden. Zudem benötigt eine derartige Umstellung herkömmlicher Geschäftsmodelle seine Zeit. Letztlich wird eine Ausdünnung des Zeitungsangebots unvermeidlich sein, und man wird neue Kooperationsformen suchen müssen.

Werden unter den Verlegern Preiserhöhungen diskutiert?

Im Verband Schweizer Presse ist das kein Thema, und auch nicht beim WAN, wo ich im Board einsitze -- zumal sich die Märkte der verschiedenen Länder zum Teil stark von einander unterscheiden. Ich persönlich vermute jedenfalls ein gewisses Potential. Die Espace Media versucht, die Toleranz für Preiserhöhungen immer mal wieder bei Marktanalysen zu sondieren. Letztlich bleibt das aber ein Trial-and-Error.

Gegenwärtig wird ein verlegerischer Zusammengang mit dem Bund erwogen. Wie gross schätzen Sie das Sparpotential ein?

Der Bund macht seit 15 Jahren Verlust, zuletzt 8.5 Mio. Franken, das hat die NZZ ja bekannt gegeben. Die grosse Frage lautet, ob und wie man diesen Verlust eliminieren kann, ohne die redaktionelle Eigenständigkeit aufzugeben. Unmöglich ist das nicht, es wird aber von allen Seiten einen grossen Effort brauchen. Das grösste Problem der Zeitungen sind die hohen Fixkosten, und genau dieses Problem würde eine Zusammenlegung zweier Verlage auf eine Infrastruktur entschärfen. -- Doch das sind Spekulationen, noch ist alles offen, und der Entscheid liegt schliesslich beim Verwaltungsrat der NZZ. Wir können mit jeder Lösung leben, selbst wenn der Bund nach drei Besitzern nun einen vierten erhalten sollte.

Für die Espace Media Groupe ergäbe sich bei einem Zusammengang zumindest der Vorteil, dass der Hauptkonkurrent eingebunden ist, ohne dass die Wettbewerbskommission einschritte...

Wir wollen publizistische Konkurrenz! Das hat nichts mit der Weko zu tun, die prüft keine politischen Aspekte wie etwa die Medienvielfalt. Und wirtschaftlich oder wettbewerbsrechtlich gesehen dürfte in einem so offensichtlichen Fall wie dem des Bund, vermutlich mit der sogenannten "failing company doctrine" gerechnet werden.

Ein Kampf tobt nicht nur um Bern, sondern auch um das Mittelland, wo Espace Media Groupe und Mittellandzeitung am Expandieren sind. Was geschieht, wenn sich die MZ den Bund einverleibt?

Erstens haben wir nur minimale Überschneidungen im Raum Solothurn. Zweitens fragt sich, ob die traditionelle Bund-Leserschaft eine Zeitung akzeptieren würde, deren Hauptteil nicht mehr in Bern gemacht wird. Und drittens müsste sich die MZ im Inseratemarkt dann preislich einiges einfallen lassen um im TLP noch eingermassen attraktiv zu bleiben, das ist keine leichte Problemstellung.

Sie sehen also keine Konkurrenzsituation mit der Mittellandzeitung?

Wir haben den Ehrgeiz zu wachsen. Das ist ein Must, um als eigenständige Mediengruppe im wirtschaftlich relativ schwachen Mittelland unabhängig bleiben zu können. An der Peripherie führt das selbstverständlich zu einem verstärkten Wettbewerb.

Die Wirtschaftskrise bewirkt eine neue Promiskuität in der Verlagsbranche. Wie wird sich die Mediensituation im Espace Mittelland in ein paar Jahren präsentieren?

Das kann ich höchstens in Form einer Hoffnung ausdrücken: Für Bern wünsche ich mir zwei publizistisch konkurrenzierende Zeitungen. Und für die Espace Media Groupe, dass sie eine Stärke erlangt haben wird, die es ihr erlaubt, den Raum Mittelland im Konkurrenzkampf mit anderen grossen Medienräumen im Osten und im Westen erfolgreich zu verteidigen.


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