28.10.2002

"Nach einem harten Fight sollte man sich wieder in die Augen gucken können"

Roger Schawinski meldet sich zurück. Ein Jahr nach dem Verkauf seiner Firmengruppe an die Tamedia rechnet der 57-jährige Medienpionier in seinem neusten Buch "TV-Monopoly. Die Inside-Story" nochmals mit allen ab: mit der SRG, mit Ringier und Tamedia und auch mit sich selber. Muss das sein? Im "persönlich rot", das diese Tage erscheint, erläutert "Schawi" seine Beweggründe. "pesoenlich.com" bringt einen Ausschnitt des Interviews:
"Nach einem harten Fight sollte man sich wieder in die Augen gucken können"

In Ihrem letzten Buch haben Sie sich mit der Frage des Alterns beschäftigt. Nun wenden Sie sich – ein Jahr nach dem Verkauf der Belcom AG – Ihrem Lieblingsthema, der schweizerischen Medienlandschaft, zu. Können Sie nicht loslassen?

Die Tatsache, dass ich nicht mehr jeden Abend auf dem Bildschirm erscheine, beweist das Gegenteil. Dadurch, dass ich meinen Betrieb verkauft habe, wurde ich gezwungen loszulassen. Viele Leute scheinen mich mehr zu vermissen als ich sie! (lacht) Ich werde immer wieder gefragt: "Was machst du eigentlich den ganzen Tag?" Dadurch, dass man mich nicht mehr pausenlos sieht, bin ich für viele inexistent geworden. Nein, ich will und kann diese Bedürfnisse nicht mehr erfüllen. Es geht mir zurzeit viel besser als früher. Ich suche mit meinem neusten Buch auch keinen Applaus. Nach einem langen Gespräch mit meiner Ehefrau Gabriella war mir vor einigen Monaten plötzlich klar: "Du musst deine Geschichte aufschreiben, du musst sie erzählen." Vor 20 Jahren habe ich bereits die Radio-24-Story veröffentlicht. Für mich ist es auch eine Pflicht, das Ganze ordentlich abzuschliessen.

Ihr Lieblingsgegner ist unverändert die SRG...

Die SRG ist ein politischer Betrieb. Dieser kennzeichnet sich nicht durch ein starkes Management und kreative Ideen, sondern durch einen starken Machterhaltungstrieb. Darin sieht Armin Walpen auch seine Aufgabe. Bis anhin ist dies gut gelungen.

Auch mit andern Medienmanagern gehen Sie hart ins Gericht. Den ehemaligen Tages-Anzeiger-Manager Kurt W. Zimmermann bezeichnen Sie als Zocker.

Zimmermann ist ein Gambler und Zocker. Er nimmt das Leben locker und spielerisch, im Geschäftsleben hingegen hat das Konsequenzen. Mit seiner Begeisterungsfähigkeit und Eloquenz initiierte er Projekte, die ein kühler Analytiker abgelehnt hätte. So stürzte er Kopf voran in das Internetabenteuer, gab sich als grosser Pionier, um nach dessen Scheitern auszusteigen und zu verkünden: "Das funktioniert nicht!" Er setzt einmal auf Schwarz, ein anderes Mal auf Rot, um anschliessend festzustellen: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!" Das ist nicht seriös. Mit dem Geld von anderen Leuten so zu spielen, ist immer etwas anderes als mit dem eigenen. Aber vielleicht wäre er mit seinem Geld auch anders umgegangen. Er hatte zweifelsohne zu viele Kompetenzen: Neben dem Internetprojekt war er auch der Mitbegründer von TV3 – für die Tamedia zwei Riesenflops. Bezeichnenderweise wurden diese initiiert, als die Gehälter und Boni am höchsten waren. Ich weiss, dass er selber Millionen abkassiert hat. So gesehen war er privat ein erfolgreicher Zocker.

Sie sprechen ihm im Buch jegliche TV-Fähigkeiten ab.

Nein, überhaupt nicht. Am besten war er als Journalist und Chefredaktor. Da hat er zweifelsohne brillante Fähigkeiten und auch Grossartiges geleistet.

Auch sein Vorgesetzter, der ehemalige Tamedia-CEO Michel Favre, wird von Ihnen stark kritisiert. Sie widmen ihm ein Kapitel und bezeichnen ihn als "den Käufer". Warum dieser Ausdruck, schliesslich hat er Ihnen die Belcom AG abgekauft?

Die Tamedia hat nicht nichts bekommen, sondern das grösste, älteste, profitabelste und prestigereichste Privatradio wie auch das grösste Privatfernsehen der Schweiz. Das ist sehr viel. Selbst haben sie so etwas nicht aufbauen können. Ich habe einen Haufen Geld bekommen. Es ist aber eine Tatsache: Sowohl Michel Favre wie auch Kurt W. Zimmermann verstehen nicht überaus viel von elektronischen Medien, wie TV3 beweist. Die beiden haben sich gegenseitig hochgeschaukelt und völlig kopflos gehandelt. Es war eine euphorische Zeit. Viele Verlage hatten das Gefühl, sie hätten den Einstieg in das Radio und das Fernsehen verpasst, sodass sie nun ins Internet investieren müssten. Kurt W. Zimmermann kämpfte dabei mit harten Bandagen; viele Partner wurden verärgert und vor den Kopf gestossen. Am Ende entpuppte sich das Ganze als Schimäre. Zimmermann sagte mir einmal: "Ich bin der Marktleader in einem nichtexistenten Markt" – und meinte damit das Internet. Beim Fernsehen dasselbe: Auch die Gründung von TV3 erfolgte ohne Strategie. Das Resultat kennen wir. Tamedia hat aber aus ihren Fehlern gelernt: Beinahe das gesamte Management – mit Ausnahme des Verwaltungsrates – wurde innerhalb eines Jahres ausgewechselt.

Nochmals: Die Tamedia hat Ihnen vor einem Jahr für 92 Millionen Franken die Belcom-Gruppe abgekauft. Ist es nicht heikel, nun die ganzen Verhandlungen auszuplaudern?

Ich habe in meinem Buch überhaupt keine Vertragsdetails veröffentlicht; im Gegenteil: Bei der Tamedia gab es während der Verhandlungen verschiedentlich Lecks. Nein, ich habe nie etwas ausgeplaudert. Ich halte mich strikt an die vertragliche Vertraulichkeit und die Geheimhaltungspflicht. Da bin ich konsequent!

In diesem Buch erscheinen die meisten Mitspieler wie Moritz Leuenberger, Armin Walpen, Peter Schellenberg, Kurt W. Zimmermann, Michael Ringier und Michel Favre als sehr egozentrisch. Wie egozentrisch sind Sie?

Ich habe versucht, meine Ängste und die Einschätzung der Lage sehr differenziert aufzuzeichnen. Ich hatte in den letzten Jahren wirklich sehr schwierige Zeiten.


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