11.10.2016

Kristallnacht-Tweet

Obergericht weist Beschwerde des Twitterers ab

Ein Online-Artikel über den Kristallnacht-Twitterer muss nicht gelöscht werden. Es genügt, wenn lediglich der Titel «SVPler wünscht sich Kristallnacht für Muslime» entfernt wird.

Ein Online-Artikel über den Kristallnacht-Twitterer muss nicht gelöscht werden. Es genügt, wenn lediglich der Titel «SVPler wünscht sich Kristallnacht für Muslime» entfernt wird. Das Zürcher Obergericht bestätigt damit ein Urteil des Bezirksgerichts Uster und folgt dessen Begründung.

Seit nunmehr vier Jahren beschäftigt er die Schweizer Gerichte, dabei möchte er eigentlich nur seine Ruhe haben: Nun ist der Kristallnacht-Twitterer erneut vor Gericht abgeblitzt – diesmal vor dem Zürcher Obergericht, wie aus einem Urteil hervorgeht.

Der Weg ans Obergericht war lang. Nachdem seine Strafanzeige gegen den Betreiber einer Website weder vor der Staatsanwaltschaft, dem Kantonsgericht Luzern noch dem Bundesgericht Gehör fand, gelangte er mit einer zivilrechtlichen Klage ans Bezirksgericht Uster. Er machte eine Persönlichkeitsverletzung geltend.

Das ehemalige SVP-Mitglied wollte, dass ein Artikel über ihn und seinen Tweet «Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht ... diesmal für Moscheen» vom Juni 2012 komplett von der Website des Beklagten gelöscht wird. Den entsprechenden Bericht hatte er im Juni 2014 entdeckt.

Sollte das Gericht seinem Anliegen nicht folgen, dann sollte wenigstens sein Name im Artikel nicht mehr genannt werden. Ausserdem forderte der Mann, der im Jahr 2015 vom Bundesgericht bezüglich seines Tweets wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden ist, Genugtuung und Schadenersatz.

Titel entfernen genügt

Das Bezirksgericht urteilte im Dezember 2015 jedoch, dass lediglich der Titel des Textes entfernt werden muss. Dann sei die Persönlichkeitsverletzung ausreichend beseitigt.

Die Löschung des gesamten Berichts erschien dem Bezirksgericht «unter Betrachtung der betroffenen Persönlichkeitsverletzung als nicht verhältnismässig». Wäre der Artikel gänzlich zu löschen, würde dies eine übermässige Eingrenzung der Rechte des Beklagten bedeuten, auf den stossenden Tweet des Klägers aufmerksam zu machen.

Auch der Name durfte gemäss Gericht im Text stehen bleiben. Der Kläger, der sich an einer Medienkonferenz und in einem Interview mit einer Tageszeitung zum Thema geäussert hatte, wende sich auch weiterhin über Twitter und seinen Blog an die breite Öffentlichkeit. Dort berichtet er über seine diversen Prozesse im Zusammenhang mit dem Kristallnacht-Tweet.

Schadenersatz und Genugtuung lehnte das Bezirksgericht ab. Einerseits weise die Website keinen hohen Bekanntheitsgrad auf. Andererseits sei auch das Selbstverschulden des Klägers zu berücksichtigen, der mit seinem Tweet scharfe Kritik provoziert habe.

«Relative Person der Zeitgeschichte»

Das Obergericht bestätigte nun das Urteil des Bezirksgerichts: Die Berufung erweise sich als offensichtlich unbegründet und sei abzuweisen.

Das Obergericht stützte sich bei seinem Urteil beispielsweise gerade bei der Namensnennung auf die Bundesgerichtsurteile über den Twitterer. Der machte zwar das «Recht auf Vergessen» geltend; das Bundesgericht hingegen stufte ihn als «relative Person der Zeitgeschichte» ein.

Dies gestattet gemäss Urteil per se zwar nicht die volle Namensnennung. In diesem Fall sei es aber der Mann selbst gewesen, der sich mit vollem Namen an die Öffentlichkeit gewandt beziehungsweise diese geradezu gesucht habe. (sda)



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Kommentare

  • Ernst Zuberbühler, 12.10.2016 22:22 Uhr
    Der Artikel ist nicht ganz korrekt. So ist es z.B. falsch, dass der Mann die Gerichte seit über vier Jahren beschäftigt. Richtig ist, dass die Geschichte die Sache auf über vier Jahre in die Länge gezogen haben. Der Kundige Leser weiss, dass die Geschichte bis zum Juni 2012 zurück geht. Die Zürcher Staatsanwaltschaft erhob aber erst im Dezember 2013 Anklage gegen den Mann. Die erste Gerichtsverhandlung gegen den Mann fand erst im Mai 2014 statt. Das Strafverfahren zog sich dann bis November 2015 in die Länge. Die zivilrechtlichen Streitigkeiten betreffend Persönlichkeitsrechte wurden aufgrund des Strafverfahrens zum Zeil sistiert oder aber in die Länge gezogen weil die Richter warteten, bis der Mann die Gerichtskosten in Raten abbezahlt hatte. Interessant ist auch, dass die Schweizer Medien über diese relativ belanglosen Zivilverfahren berichten, sie aber den skandalösen Bundesgerichtsentscheid 1B_219/2016 bewusst verschweigen. Dort wurde dem Mann in einem weiteren Strafverfahren, dass von gleichen Anwalt, der bereits wegen der Aussage auf Twitter gegen den ihn vorgegangen ist, ein Pflichtverteidiger verweigert. Dies mit der Argumentation, dass in einem Strafverfahren kein Pflichtverteidiger notwendig sei, wenn dieses von einem Staatsanwalt durchgeführt werde, da dieser belastende Umstände und entlastende Umstände gleichermassen berücksichtigen müsse. Das heisst mit anderen Worten, dass die Richter die amtliche Strafverteidigung, Artikel 29 der Bundesverfassung und Artikel 6 der EMRK in Frage gestellt haben ohne, dass dies von der Schweizer Presse kritisch beurteilt wurde. Das ist schon sehr auffällig. Hier wäre eine faire und ehrliche Berichterstattung wünschenswert.
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