04.03.2024

Medienkompetenz

«Orientierungslosigkeit in sozialen Medien ist gross»

20 Minuten zeigt in einem vierteiligen Webinar auf der Plattform CheckNews, wie journalistische Video-Storys produziert werden. Basil Honegger, Leiter Video, sagt, warum das Gratismedium der richtige Partner ist, um Jugendliche zu sensibilisieren.
Medienkompetenz: «Orientierungslosigkeit in sozialen Medien ist gross»
Basil Honegger, Leiter Video bei 20 Minuten, ist von den Beiträgen der Jugendlichen positiv überrascht. (Bild: zVg)

Die Augen des Interviewpartners sollen gut sichtbar sein, man soll Emotionen suchen und darauf achten, dass keine Leute ins Bild laufen. Tipps wie diese bekommen Schülerinnen und Schüler im Webinar zur Produktion von journalistischen Videos. Basil Honegger, Leiter Video von 20 Minuten, hat es in Zusammenarbeit mit der Plattform CheckNews in den letzten Monaten durchgeführt. Die Teilnehmenden erhalten unter anderem auch einen Einblick in Recherche, Storytelling, Kameraeinstellungen und Schnitt. Gut 80 Schülerinnen und Schüler haben das Training live absolviert. Die vier Teile stehen nun online kostenlos zur Verfügung. Sie richten sich an Oberstufenklassen.

Basil Honegger, im Webinar unterrichten Sie Schulklassen, wie man journalistische Videos dreht. Will CheckNews die nächste Generation von TikTokern ausbilden?
Nein, das Ziel ist ganz klar, die Medienkompetenz der Jugendlichen zu fördern, indem sie den Wert der journalistischen Produkte erkennen. Wenn wir den Schülerinnen und Schülern zeigen, wie man nach journalistischen Kriterien eine Videoreportage konzipiert und realisiert, lernen sie gleichzeitig auch, wie sie Meinungsbeiträge von geprüften, journalistisch aufbereiteten Stücken unterscheiden können. Sie lernen zu hinterfragen, weil sie realisieren, worauf sie achten müssen.

Wenn man von Medienkompetenz spricht, geht es oft um kritisches Denken und darum, Fake News von echten Inhalten unterscheiden zu können. Warum ist es wichtig, dass Jugendliche lernen, Video-Storys selbst zu entwickeln?
Die Jugendlichen sind an Videos grundsätzlich sehr interessiert. Sie leben in einer Welt aus TikTok, Instagram und Snapchat, die grossmehrheitlich aus Bewegtbildern besteht. Viele wissen jedoch nicht, dass sie nicht jeden und alles ohne Einwilligung filmen können oder dass es Urheberrechte für Musik oder Videos gibt. Dies war auch Teil der Webinare. Und wenn sie sich bei der Herstellung eines Videos mit Fragen zur Wahl von Interviewpartnern, Ausgewogenheit oder der Verlässlichkeit einer Information auseinandersetzen, fördert das gezielt kritisches Denken.

Wie ist es zur Zusammenarbeit mit dem Fög und der IQES-Plattform gekommen?
Das Fög hat zusammen mit IQES (Instrumente für die Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation an Schulen) das Projekt CheckNews lanciert und 20 Minuten betreffend Artikelverwendung angefragt. Da Förderung der Medienkompetenz für 20 Minuten schon immer ein wichtiges Thema war, kam im Gespräch die Idee auf, die Kollaboration zu erweitern und gemeinsam das Webinar zur Videoproduktion zu entwickeln. IQES online hat in Zusammenarbeit mit anderen Medien weitere Webinare durchgeführt. 20 Minuten wird zudem beim Webinar «Fake News erkennen auf TikTok & Co» als Partnerin auftreten.

«Wir haben auf TikTok einen Fact-Checking-Kanal eröffnet»

Im ersten Teil des Webinars erwähnen Sie in Bezug auf das Thema Faktenlage, dass auch 20 Minuten auf den falschen Travis Scott am Openair Frauenfeld reingefallen ist und darüber berichtet hat. Warum ist 20 Minuten trotzdem der richtige Partner für CheckNews?
Das Prüfen von Informationen und Bildern ist zentraler Bestandteil im journalistischen Alltag. Es gibt so viel Propaganda, Kampagnen und gezielte Desinformation wie noch nie. Nehmen Sie zum Beispiel den Gaza-Konflikt oder den Tod Nawalnys. Ohne unabhängige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind Fakten zu solchen Ereignissen oft nur extrem schwer oder fast gar nicht überprüfbar. Vor allem bei gezielten Täuschungen kann es dabei vorkommen, dass auch mal Fehler passieren.
Der falsche Travis Scott war auch eine solche vorsätzliche Täuschung, auf welche neben 20 Minuten auch andere Medien hereingefallen sind. Wichtig ist, dass man allfällige Fehler transparent kommuniziert und die korrekten Fakten nachliefert.
20 Minuten hat die jüngste Leserschaft der Schweizer Medienhäuser, arbeitet am intensivsten mit Inputs und Themen aus den sozialen Medien und hat grosse Erfahrung dabei, die Faktenlage in diesem Umfeld einzuordnen. Also auf den Kanälen, wo die Jugendlichen unterwegs sind. Dies sind in meinen Augen beste Voraussetzungen für CheckNews.

20 Minuten verfolgt eine «Social Media First»-Strategie. Laut aktuellem Jahrbuch «Qualität der Medien» des Fög postet 20 Minuten die meisten Videos auf Instagram und TikTok. Ist das das Format der Zukunft?
20 Minuten war schon immer eine Art «Einstiegsmedium», das News und Zeitungen auch für ganz junge Menschen zugänglich machte. Der Medienkonsum hat sich in den letzten Jahren stark verändert. 20 Minuten hat relativ früh auf Social Media gesetzt und Erfahrungen gesammelt, wie man News auch auf Plattformen wie TikTok sinnvoll erzählen kann. Wir stellen fest, dass die junge Zielgruppe für auf sie zugeschnittene News offen ist. Zudem schätzen sie, dass sie bei 20 Minuten auch auf Social Media recherchierte News erhalten.
Die Orientierungslosigkeit der jungen Userinnen und User in den sozialen Medien ist gross. Und es ist eine grosse Chance für uns als Nachrichtenportal, Orientierung in diesem Dschungel zu bieten. Weil das Bedürfnis junger Menschen nach dem Aufdecken von Fake News so gross ist, haben wir auf TikTok einen Fact-Checking-Kanal eröffnet.

«Man merkt, dass es für viele Jugendliche heutzutage normal ist, vor einer Kamera zu sprechen.»

Was ist auf dem Kanal zu sehen?
Darin haben wir ausgewählte Faktenchecks zu Themen aus den sozialen Medien, deren Ursprung oder Richtigkeit nicht klar ist oder auch stark bezweifelt wird, gesammelt publiziert, wie zum Beispiel zum Gaza-Konflikt.

@20minuten Faktencheck ? #20min #faktencheck #news #palestine ♬ original sound - 20 Minuten

Die heutigen Jugendlichen, die mit dem Smartphone in der Hand aufgewachsen sind, haben vermutlich nicht auf das Webinar gewartet, um Videos für die sozialen Medien zu drehen. Wie schätzen Sie ihre Video-Kompetenzen ein?
Ich war positiv überrascht über die Beiträge der Jugendlichen. Man muss bei Videobeiträgen ja an so viele verschiedene Details denken, aber sie haben das wirklich toll hinbekommen. So habe ich beispielsweise dynamische und kreativ geschnittene Einführungssequenzen für Protagonisten gesehen, die ich jederzeit wieder in Videos nutzen würde. Auch bei den Moderationen vor der Kamera merkt man, dass es für viele Jugendliche heutzutage normal ist, vor einer Kamera zu sprechen. Sie haben viel ausprobiert und ich hatte den Eindruck, dass sie sich intensiv mit den Themen und deren Umsetzung auseinandergesetzt haben.

Gab es Bereiche, in denen Sie hingegen gemerkt haben, dass die Teilnehmenden noch Lücken haben?
Es ist natürlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. So fehlten an gewissen Stellen Handlungen, welche über Videobilder erzählt wurden. Etwas, das übrigens auch vielen erfahrenen Videojournalistinnen und -journalisten passiert. Auch das Storytelling oder die Interviews hatten noch Verbesserungspotenzial. Aber alles in allem haben die Jugendlichen wirklich eine tolle Leistung abgeliefert.

Welche Feedbacks hat das Webinar von den Teilnehmenden erhalten?
Das IQES und wir haben ein sehr positives Feedback auf die Webinare erhalten. Auch Lehrpersonen haben gesagt, dass ihnen nicht bewusst war, wie viele Überlegungen hinter einem solchen journalistischen Video stecken. Ganz besonders gefreut hat mich persönlich das Feedback zweier Jugendlicher, welche bei ihrer Recherche auf widersprüchliche Informationen gestossen sind. Dank eines Interviews mit einer Fachperson und einer offiziellen Statistik des Bundes konnten sie den Sachverhalt jedoch verifizieren. Sie hatten also mit einer journalistischen Herangehensweise ein Erfolgserlebnis.

Alle vier Teile stehen jetzt gratis auf der Plattform IQES zur Verfügung. Ist die Idee, dass Klassen das Webinar nun selbstständig absolvieren?
Ja, die Idee hinter CheckNews ist, dass eine offene Lernumgebung für selbstständiges und kooperatives Lernen geschaffen wird. Die Angebote sollen den Lehrpersonen die nötigen Werkzeuge an die Hand geben, um den Schülerinnen und Schülern Medien näherzubringen und Medienkompetenz im Unterricht gezielt zu fördern. In Zeiten der News-Deprivation bei Jugendlichen ist diese Initiative des Fög und von IQES sehr wichtig und auch wir Journalistinnen und Journalisten müssen einen aktiven Beitrag dazu leisten.

 


Das CheckNews Portal auf IQES online ist ein Unterrichtspool für Schulen im deutschsprachigen Raum. Es bietet Lehrpersonen sowie ihren Schülerinnen und Schülern offene Lernumgebungen für selbstständiges und kooperatives Lernen. Die CheckNews-Materialien stehen als offene Bildungsressourcen allen Interessierten kostenlos zur Verfügung.


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