15.08.2016

Attacke in Salez

Polizei mit Fragen nach Terror-Hintergrund gelöchert

Die zurückhaltende Information der St. Galler Kantonspolizei wurde teilweise kritisiert. Deren Mediensprecher hält dagegen, das Kommunizierte müsse «absolut wahr und gesichert» sein.
Attacke in Salez: Polizei mit Fragen nach Terror-Hintergrund gelöchert
Stillstand am Bahnhof Salez-Sennwald: Inspektion der forensischen Experten nach der Attacke. (Bild: Keystone)

Nach der Attacke vom Samstag im Regionalzug von Salez haben ausländische Medien die St. Galler Polizei mit Fragen nach einem terroristischen Hintergrund gelöchert, wie die Nachrichtenagentur sda meldet. Mediensprecher Hanspeter Krüsi hat zwei «äusserst intensive, sehr anspruchsvolle» Tage hinter sich.

Journalisten wollten vom Sprecher der St. Galler Kantonspolizei wissen, ob der Täter im Zug «Allah» gerufen habe und ob die Opfer Kopftücher trugen. Grosser Druck kam von französischen Medien, die wissen wollten, ob es einen Bezug zu Frankreich gebe, wie Krüsi am Montag der sda sagte.

Auch Journalisten aus Deutschland, Belgien und den USA kamen entweder nach St. Gallen oder riefen Krüsi an. Die Tat von Salez – deren Hintergründe noch nicht bekannt sind – wurde mit der Attacke vom 18. Juli in einem Zug in Würzburg in Verbindung gebracht. Dafür habe er Verständnis, sagt Krüsi.

Zurückhaltend informiert

Die zurückhaltende Information der St. Galler Kantonspolizei, die teilweise kritisiert wurde, rechtfertigt der Mediensprecher: «Was wir sagen, muss absolut wahr und gesichert sein.» Die Polizei gebe keine Details bekannt, welche die Strafuntersuchung stören oder eine Nachahmung der Tat provozieren könnten.

Als «sehr emotional» schildert Krüsi, was er am Samstag in Salez sah und von Betroffenen erfuhr. Sein oberstes Ziel sei es gewesen, Ruhe zu bewahren und ausgewogen zu kommunizieren. Auf diese Weise habe er versucht, Spekulationen zu vermeiden und keinen Hype auszulösen.

Hetze auf Facebook und Twitter

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(Bild: ZHAW)

Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), bezeichnete auf Anfrage die Zurückhaltung der journalistischen Medien angesichts der lange unsicheren Informationslage als vorbildlich.

Dem stünden «Gerüchte, Hetzen und nicht ungefährliche Verschwörungstheorien gegenüber, die sich vor allem auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter Luft gemacht» hätten. In einer derart angeheizten Situation könnten Taten fahrlässig leicht dem Narrativ des islamischen Terrors zugeordnet werden, sagte Wyss der Nachrichtenagentur.

Um den Spekulationen nicht noch zusätzlichen Sauerstoff zuzuführen, sei die zurückhaltende Kommunikation der Polizei im Fall Salez richtig gewesen. Der Professor für Journalistik hätte sich aber von der Polizei noch stärker eine Prozesskommunikation gewünscht, in der «auf einer Metaebene laufend vermittelt wird, warum man nun noch nicht gesättigte Informationen weitergeben kann». Das hätte laut Wyss «vielleicht den grotesken Verschwörungstheoretikern etwas den Wind aus den Segeln genommen».

Nachahmungsgefahr

Aus der Rezeptionsforschung sei bekannt, dass eine detailgetreue Berichterstattung etwa über Suizide oder Amoktaten ein grosses Identifikationspotenzial für Nachahmungstäter habe. Deshalb werde in Journalistenkodices von Presseräten dazu aufgerufen, in solchen Situationen besonders zurückhaltend zu sein, erklärte Wyss. (sda/clm)


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