20.06.2016

Roger Schawinski

«Seine Beweisführung ist sackschwach»

Am Erscheinungstag seines Buches mit dem Titel «Ich bin der Allergrösste» wirft der «Tages-Anzeiger» Roger Schawinski vor, er hätte Wikipedia- und andere Textstellen ohne Quellenangabe zitiert. Im Interview kontert der Medienpionier und gibt die Kritik gleich zurück.
Roger Schawinski: «Seine Beweisführung ist sackschwach»

Herr Schawinski, der «Tages-Anzeiger» schreibt, Sie hätten in Ihrem neuen Buch aus Wikipedia und verschiedenen Zeitungsartikeln ohne Quellenangabe zitiert. Sind Sie ein Plagiator?
Es gibt einen kompilatorischen Teil, in dem ich veröffentlichte und allgemein bekannte Fakten verwende. Dies erwähne ich explizit. Zentral im Buch ist jedoch der originelle Teil mit vielen Primeurs, Begnungen, Zitaten und Einschätzungen. Der macht weit über 90 Prozent des Buches aus. Es ist ein Sachbuch, kein Fachbuch oder eine wissenschaftliche Arbeit, wo klare Zitierregeln gelten, die ich als Autor einer Dissertation genau kenne. Dort finden sich auf jeder Seite viele Fussnoten. In einem Sachbuch würde dies den Lesefluss massiv stören.

Sie unterscheiden zwischen wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Arbeit. Aber wäre es nachträglich nicht besser gewesen, auf die Quellen hinzuweisen?
Ich habe auf originäre Quellen ja immer hingewiesen. So nenne ich jeweils den Autor einer bestimmten wissenschaftlichen Aussage. Die vom Tagi-Redaktor aufgeführten Beispiele belegen das ja. Seine Beweisführung ist also sackschwach. Aber mit meinem Namen und einem riesigen Bild will man offensichtlich Aufmerksamkeit für den bedenklich schwächelnden Kulturteil holen. Nur vom Buch erfährt der Leser nichts. Das nenne ich Service.

Glauben Sie, dass durch diesen Artikel die Glaubwürdigkeit des Buches Schaden nimmt?
Das war die klare Absicht der Tagi-Autoren. Doch ihre Beweisführung ist verräterisch. Etwa wenn sie als angedachte Pointe meine Kritik an der in Zitatfragen mangelhaften Diplomarbeit von Doris Fiala bemühen, die sie an der ETH eingereicht hat.

Sie schreiben, dass Sie bei der Recherche Ihres Buches wie ein «Jäger und Sammler» vorgegangen seien. Was heisst das konkret?
Ich habe mich völlig korrekt verhalten. Auch im Tagi finden sich haufenweise Zweiverwertungen, und zwar täglich in fast allen Ressorts. Im People-Bereich etwa bedient man sich im Tagi ausschliesslich bei anderen Medien. Eigenrecherchen sucht man vergebens. Das spart Kosten und Mühe.

Nicht nur in der Schweiz, auch in Deutschland stösst das Buch auf grosse mediale Resonanz. Wie sind die Reaktionen?
Ja, es ist ein gewaltiges Echo. Und der «Spiegel» plant gar eine Titelgeschichte zum Thema Narzissmus.

Haben sich auch schon Betroffene wie Jörg Kachelmann, Joe Ackermann oder Sepp Blatter gemeldet?
Das Buch kommt ja erst heute raus.

Rechnen Sie mit Prozessen?
Nein.

Bild: Keystone


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KOMMENTARE

Kurt Balmer
21.06.2016 11:26 Uhr
Das Buch interessiert mich nicht, Schawinski wenig; die Kritik Schawinskis am Tagi Artikel trifft aber in allen Teilen zu: Trittbrettfahrer in der III. Klasse.
Peter Eberhard
21.06.2016 09:11 Uhr
Tja, tatsächlich alles Fragen, welche die Nation bewegen... Sorry, wen interessiert's? Gibt es keine relevanteren Themen?
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