02.03.2017

Jahresmedienkonferenz 2016

«Wir müssen uns aggressiver um Bezahlbeziehungen bemühen»

Tamedia vermeldet einen Gewinneinbruch von 60 Prozent für 2016. CEO Christoph Tonini nennt im Interview seinen besten Deal des Jahres. Zudem spricht er über Sparmassnahmen im Print und deren Bedeutung für die Mitarbeitenden. Auch die neue Smart-App vom Newsnet kommt zur Sprache.
Jahresmedienkonferenz 2016: «Wir müssen uns aggressiver um Bezahlbeziehungen bemühen»
Christoph Tonini ist CEO von Tamedia. (Bild: Keystone)
von Michèle Widmer

Herr Tonini, letztes Jahr haben Sie eine Entschädigung von sechs Millionen Franken erhalten. Dieses Jahr sind es 2,7 Millionen. Sind Sie froh, dass Sie sich ab nun vielleicht weniger Fragen zu Ihrem Lohn anhören müssen?
Der Verwaltungsrat und ich waren uns damals völlig bewusst, dass diese Entschädigung zu den entsprechenden Fragen führt. Sie waren auch absolut berechtigt. Es war kein Entscheid für die sechs Millionen, sondern für unser Modell, dass sich der Bonusanteil der ganzen Unternehmensleitung dem Gewinn entsprechend erhöht. Deshalb ist die Gesamtentschädigung fürs letzte Jahr auf 2,7 Millionen gesunken. Das ist immer noch ein sehr hoher Lohn.

Das Local/Search-Geschäft 2015 hat Ihnen nicht nur die hohe Entschädigung beschert, sondern auch den Titel Medienmanager des Jahres. Welcher Deal war 2016 Ihr Glanzstück?
Der Verkauf der Finanzberatungsplattform Moneypark an Helvetia. Aber da habe ich eigentlich nicht viel dazu beigetragen. Die Veräusserung ist zu einer Bewertung über die Bühne gegangen, die mich selbst überrascht hat. Als Aktionär hätten wir sogar das Vorkaufsrecht gehabt, aber bei einer solchen Bewertung war der Entscheid für uns klar. (Anm. d. Red: Helvetia kaufte 70 Prozent der Anteile zu 107 Millionen Franken. Tamedia steigerte den Gewinn durch den Verkauf und die Neubewertung des Unternehmens dadurch um 25 Millionen Franken.)

Tamedia vermeldet über 60 Prozent weniger Gewinn. Nebst den wegfallenden Sondereffekten von 2015, haben auch die sinkenden Werbeerlöse im Print (- 11 Prozent) dazu geführt. Was bedeutet das für das Printgeschäft?
Der Gewinnrückgang ist vor allem auf den Sondereffekt durch Local/Search im Vorjahr zurückzuführen. Aber auch der Rückgang der Werbeeinnahmen im Printbereich ist höher ausgefallen, als wir in unseren langfristigen Prognosen angenommen haben. Dennoch beeinflusst das die kurzfristige Entwicklungen nicht. Wir würden in den kommenden Monaten genau das selbe machen, wenn die Werbeerlöse im letzten Jahr nur 7 anstatt 11 Prozent gesunken wären.

Sind im Printbereich weitere Sparmassnahmen geplant?
Der kontinuierliche «Verbesserungsprozess» geht weiter. Das sind Massnahmen, die wir schon fest beschlossen haben und die nun auch umgesetzt werden.

Was bedeutet das für die Mitarbeiter in den Redaktionen?
Bei all unseren Produkten müssen wir die Qualität halten, punktuell verbessern und gleichzeitig die Kosten senken. Für unsere Mitarbeiter ist das unglaublich anspruchsvoll. Auch wenn es aus Sicht des einzelnen Angestellten keine positive Botschaft ist, müssen wir da, wo sich Synergien nutzen lassen, Kooperationen eingehen. Die Zusammenarbeit mit der «Süddeutschen Zeitung» ist für die Redaktion nicht nur eine gute Botschaft, da in Zürich Stellen nicht mehr ersetzt wurden. Für den Leser allerdings, können wir die Leistung verbessern und Geld sparen.

Pietro Supino sorgte sich vor ein paar Monaten in einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» darüber, dass er künftig weniger Jobs zu vergeben habe. Das klingt nicht gut für die Tamedia-Mitarbeiter.
Tamedia wird in den nächsten fünf Jahren in der Publizistik weniger Stellen besetzen als heute, das trifft wohl für alle privaten Medienhäuser zu. Gleichzeitig müssen wir schauen, dass wir für die Transformation das entsprechende Knowhow entwickeln. Wir schicken Mitarbeitende in Schulungen und investieren in neue Kompetenzen. Wenn ein Mitarbeiter im Verlag seit 20 Jahren klassisches Dialogmarketing im Printbereich gemacht hat, ist der Wechsel in die digitale Welt eine echte Herausforderung. In der Summe können wir es uns nicht leisten, auszubauen, also führt das zu einer Reduktion von Stellen auf der klassischen Printseite. Das gleiche gilt übrigens auch für die Redaktionen. Wir suchen beispielsweise Journalisten, die mit Datenanalyse-Tools umgehen können. Dieser Verlagerung ist unaufhaltsam.

Sie haben die Kooperation von Tagi und SoZ mit der «Süddeutschen Zeitung» erwähnt. Wie schaut es mit der «Leading European Newspaper Allicance» (LENA) aus. Bleibt der Tagi in dieser Allianz?
Zum Lena-Verbund gehört auch die deutsche «Welt». Mit zwei deutschen Medien zu kooperieren ist nicht möglich. Also haben wir uns entschieden, dass die Partnerschaft mit der «Süddeutschen» höher zu bewerten ist. LENA besteht aber nicht nur aus diesem Text-Austausch.

Sprechen wir über die Westschweiz. Supino sagte an der Medienkonferenz, das Geschäft in diesem Landesteil sei äusserst attraktiv.
Tamedia wirtschaftet in der Romandie profitabel, hauptsächlich wegen «20 Minutes» und «Le Matin Dimanche». Aber: Je kleiner ein Raum, desto schneller wirken sich rückläufige Zahlen aus. Genf beispielsweise ist ein unglaublich kleiner Markt. Und weil die «Tribune de Genève»  in diesem kleinen Markt wirtschaftliche Probleme hat, arbeitet die Redaktion nun enger mit «24 Heures» zusammenarbeiten.

Wird Tamedia in den kommendn Jahren in der Westschweiz Titel einstellen?
Die Einstellung von «L’Hebdo» zeigt klar, in welche Richtung es geht. Wir verlegen in der Romandie mehr als zehn Zeitungen und Zeitschriften. Vermutlich können wir nicht alle Publikationen in der bisherigen Form  in die Zukunft führen. In den kommenden fünf Jahre müssen wir also davon ausgehen, ja.

Tamedia erwirtschaftet mehr als die Hälfte des Gewinns im Digitalgeschäft. Wie hoch wird dieser Prozentsatz im nächsten Jahr sein?
Eine neue Zielmarke haben wir uns nicht gesetzt. Es ist aber klar, dass sich das Geschäft weiter ins Digitale verlagern wird. Ich glaube es ist realistisch, dass in zwei Jahren der Gewinnanteil aus dem Digitalgeschäft zwei Drittel ausmachen wird.

Ein Digitalprodukt, das Tamedia immer wieder erwähnt, ist die 12-App. Hat sie die Gewinnschwelle eineinhalb Jahre nach Lancierung erreicht?
Es kommt immer auf die Betrachtung an. Bei der 12-App werden Artikel von anderen Medien wiederverwertet. Sieht man die Inhalte also als kostenlos an, ist die Gewinnschwelle rasch erreicht. Das Produkt wird nicht die Zukunft von Tamedia entscheiden, allerdings die Lerneffekte, die wir daraus schöpfen und die wir in weitere Angebote einbringen können.

Sie sprechen die Analyse der Leserrückmeldungen (Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?) an.
Diese und weitere Informationen helfen uns, herauszufinden, in welchem Moment sich ein Nutzer am ehesten in den Bezahlmodus überführen lässt. Anfangs ist der Betrag nebensächlich. Für mich wäre es ein Erfolg, wenn wir in einem Jahr 50’000 Digitalabonnenten hätten, diese aber in der Summe gleichviel wie die heutigen 25’000 bezahlen würden. Ist der Onlineleser einmal bereit, für unsere Nachrichten zu zahlen, ist der Betrag nicht mehr so wichtig. Wir müssen also aggressiver in den Bemühungen werden, möglichst viele solcher Bezahlbeziehungen aufzubauen.

Das Ziel ist, den heutigen 5-Prozent-Anteil von Digitalabonnenten innert Jahresfrist zu verdoppeln. Dazu haben Sie ein neues Team aufgestellt. Welche Fähigkeiten bringen diese Mitarbeiter mit?
Es ist ein kleines Team unter der Leitung von Marc Isler, der zuvor bei Hotelplan die digitale Entwicklung verantwortete und früher im Digitalgeschäft von Local/Search tätig war. Es geht darum, über E-Marketing Bezahlkundenbeziehungen aufzubauen. Das braucht ein relativ tiefes Verständnis, mit welchen Mechanismen man arbeiten muss. Wir lassen unsere Leute vom Verlag diesbezüglich unter anderem auch bei Google ausbilden.

Tamedia arbeitet an einer neuen Newsnet-App. Wird die Anwendung den Lesern personalisierte Nachrichten liefern?
Die sogenannte Smart-App soll die bestehende Tagi-App noch in diesem Jahr ersetzen. Auch unsere Anstrengungen hier zeigen, dass wir in eine Richtung gehen müssen, wo wir erkennen, was für unsere Nutzer von Interesse und Relevanz ist. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir den Lesern nicht nur Inhalte nach ihrem normalen Nutzerverhalten liefern, sondern wir sie auch positiv zu überraschen vermögen. Unser Ziel ist, mit der ersten Version im Sommer rauszugehen.

Was heisst mit einer «ersten Version»?
Wir müssen aufhören drei Jahre lang an einem Projekt zu arbeiten und dann mit einem grossen Knall zu starten. Schauen Sie sich den geplanten Radiokanal von 20 Minuten an. Ich habe da noch keinen detaillierten Businessplan gesehen. Aber die 20-Minuten-App wurde bisher 2,5 Millionen mal heruntergeladen, und zwar von einem tendenziell jungen Publikum, das musikaffin ist. Das Projekt kostet sehr wenig Geld, also versuchen wir es einfach. Nach sechs Monaten wissen wir, ob es ein Erfolg oder ein Flop war. Dieses Beispiel zeigt: Wir müssen viel agiler werden.

Apropos «20 Minuten»-App: Wann geht das Pendent dazu von «Heute» in Österreich an den Start?
Die Lancierung der «Heute»-App in Österreich ist im April geplant. Dadurch können wir schliesslich Inhalte, die keinen nationalen Bezug haben, besser austauschen.

Ist das Projekt Deutschland durch die Beteiliung an «Heute» vom Tisch?
Wir wollten in einem der beiden Länder aktiv werden. Schliesslich haben wir in Deutschland einen Test gemacht und gleichzeitig mit verschiedenen Playern gesprochen. Mir war klar, dass wir in Österreich bessere Chancen auf Erfolg haben, da wir auf bestehender Marke und Reichweite aufbauen können. Zudem wird die Marke durch die tägliche Printausgabe gepusht. Das ist wichtig, wie das Beispiel Watson hierzulande zeigt. Die AZ Medien geben nun viel Geld für Plakate aus. Trotzdem bleibe ich skeptisch

Zum Schluss noch zu Goldbach: Ist die geplante Kooperation eine Antwort auf die Fusion von Ringier, SRG und Swisscom zu Admeira?
Nein, es geht dabei nicht um Targeted TV, und wir tauschen mit Goldbach auch keine Technologien aus, beschäftigen keine gemeinsamen Mitarbeiter. Für uns liegt der Fokus der Zusammenarbeit rein operativ auf der Videovermarktung.

Warum vermarktet das Tamedia Advertising nicht selbst?
Unser Team hat vielfach nicht die Beziehung zu den klassischen Bewegtbild-Kunden. Und wenn es mit diesen Kunden im Dialog ist, dann steht für diese bei uns nicht Videowerbung im Vordergrund. Diesbezüglich ist Goldbach ganz klar besser aufgestellt.

Wird Tamedia bald noch in weiteren Bereichen mit Goldbach zusammenspannen?
Zurzeit ist das nicht geplant. Wir wollen das aber für die Zukunft auch nicht ausschliessen.



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Kommentare

  • Oliver Brunner, 03.03.2017 13:09 Uhr
    Es wäre schön, TA-Media würde sich auch wieder einmal Gedanken machen, wie man das publizistische Angebot verbessern könnte. Journalisten abbauen, immer mehr Blogs statt Recherche, Artikel bei deutschen Zeitungen einkaufen, immer mehr Artikel, die aus wenigen Sätzen und vielen Tweets bestehen, verleitet niemanden zum Bezahlen.
  • Franz Pospichal, 03.03.2017 08:30 Uhr
    Mit dem österreichischen Schmuddelblatt "heute", das Tamedia gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) herausgibt und dessen Haupteinnahme die Sponsor-Inserate der (SPÖ-regierten) Stadt Wien sind, wird sich Herr Tonini - zumindest auf dem publizistischen Sektor - keine Rosen holen.
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