30.10.2002

Schawi gegen Zimmi

Zweite Runde im Streit um Schawinskis neues Buch

Kurt W. Zimmermann: "Als Bösewicht bin ich in guter Gesellschaft".

Der Streit um das Schawinski-Buch "TV-Monopoly. Die Inside-Story" geht weiter. Nachdem Roger Schawinski in der neusten Ausgabe von "persönlich" das ehemalige Tamedia-Geschäftleitungsmitglied Kurt W. Zimmermann (Bild) als "Gambler und Zocker" tituliert hat, nimmt dieser gegenüber "persoenlich.com" zu den Vorwürfen Stellung. Zimmermann ist heute Inhaber der Consist Consulting AG. An der Bilanz-Jubiläumsfeier vom Dienstagabend sind sich die beiden Kontrahenten übrigens begegnet, ohne aber miteinander zu sprechen. Das Interview:

Der Streit um das Schawinski-Buch "TV-Monopoly. Die Inside-Story" geht weiter. Nachdem Roger Schawinski in der neusten Ausgabe von "persönlich" das ehemalige Tamedia-Geschäftleitungsmitglied Kurt W. Zimmermann (Bild) als "Gambler und Zocker" tituliert hat, nimmt dieser gegenüber "persoenlich.com" zu den Vorwürfen Stellung. Zimmermann ist heute Inhaber der Consist Consulting AG. An der Bilanz-Jubiläumsfeier vom Dienstagabend sind sich die beiden Kontrahenten übrigens begegnet, ohne aber miteinander zu sprechen. Das Interview:

Kurt W. Zimmermann, Roger Schawinski attackiert Sie in seinem neusten Buch und in der neusten Ausgabe von "Persönlich" als "Gambler" und "Zocker". Was werden Sie ihm bei der nächsten Begegnung mitteilen?

Ich denke, wir erleben nun die etwa 20. Aufführung des immer gleichen Stücks mit dem Titel "Schawinski gegen den Rest der Welt". Diesmal habe offenbar ich die unverhoffte Ehre, die Rolle des Bösewichts spielen zu dürfen. In der Ahnengalerie bisheriger Bösewichter wie Pierre Arnold, Peter Schellenberg, Roger de Weck, Armin Walpen oder Moritz Leuenberger bin ich da in ganz guter Gesellschaft.

Trotzdem: Gambler und Zocker sind keine schmeichelhaften Ausdrücke.

Ich weiss nicht, wie er auf diesen Ausdruck kommt. Wer die Tamedia auch nur einigermassen kennt, weiss, dass eine Gamblermentalität in dieser eher konservativen Firmenkultur keinen Platz hat. Ach, das ist halt eine klassische Schawinski-Provokation, um auf sich aufmerksam zu machen. Man darf nicht vergessen, zur Zeit ist er auf Promotionstour für sein neustes Buch. Sein Konzept ist wie immer: In eher unflätiger Weise zieht er über quasi alle verfügbaren Exponenten der Medienindustrie her.

Und was hat er speziell gegen Sie?

Als langjährigem Tagi-Mann kommt mir eine spezielle Rolle im delikaten Verhältnis Schawinski-Tamedia zu. Die zwei hat immer eine Hassliebe verbunden, die auf Rogers Seite oft allerdings mehr von Hass geprägt war. Schawinski musste nun einsehen, dass von seiner sogenannten Pionierleistung eher wenig Substanz geblieben ist - TeleZüri zum Beispiel ist ein Sanierungsfall. Dass dabei ein gewisser Frust hochschwappt, ist nachvollziehbar, dass dieser Frust in einen schon fast verzweifelten Rundumschlag mündet, ist hingegen eher stillos.

Ist das nicht ein bisschen salopp ausgedrückt; schliesslich handelt es sich bei TeleZüri und Radio 24 um um die grössten elektronischen Privatsender der Schweiz?

Das stimmt. Aber 92 Millionen Franken für das marode TeleZüri und für Radio 24 waren zuviel.

Sie waren, wie man weiss, skeptisch gegen den Kauf. Heisst das, Ihr ehemaliger Chef Michel Favre hat schlussendlich einen Fehler gemacht?

Ich kann das nicht kommentieren, bei den Verhandlungen mit Schawinski war ich bereits nicht mehr dabei. Die Tamedia hat immerhin hinterher sehr schnell reagiert und für die Belcom einen zusätzlichen Abschreiber verbucht. Das zeigt, dass auch aus ihrer Sicht zuviel bezahlt wurde.

Nochmals zu "Gambler und Zocker". Hat Sie diese Bezeichnung getroffen und wie reagieren Sie?

Ich finde es eher unter der Gürtellinie. Seit ich 1977 erstmals mit Schawinski zusammengerbeitet habe, ist mir allerdings sein wiederkehrender Verlust an verbaler Selbstkontrolle einigermassen vertraut geworden. Ich gehe darum nicht so weit wie andere Medienmanager, nun den Kontakt zu Schawinski abzubrechen. So ernst nehme ich sein Mundwerk denn doch wieder nicht.

Schawinski begründet seine Aussage mit der Tatsache, dass mit dem Geld von Tamedia und seinen Aktionären viele Flops wie TV3 oder das Internet produziert wurden.

Roger verlor im TV-Bereich massiv Geld – und dies war aus seiner Sicht ja bekanntlich eine unnachahmliche unternehmerische Pionierleistung. Wenn andere wie Tamedia oder die NZZ-Gruppe im gleichen Segment nicht reüssierten, waren das Kretins. Ich glaube, es gibt für diese verbalen Klimmzüge zwei Erklärungsebenen. Zum einen hat es Schawinski nie verwunden, dass TV3 unter Jürg Wildberger drei- bis viermal so hohe Einschaltquoten wie sein Tele24 ereichte, zum anderen haben wir es womöglich mit einem Casus von leicht überdurchschnittlichem Selbstdarstellungsdrang zu tun.

Trotzdem stellte Schawinski ein grösseres Bedürfnis nach Tele24 fest.

Einschaltquoten lügen nicht. Entscheidender Fakt jedoch ist: Nationales Privatfernsehen in der Schweiz ist für die nächsten paar Jahre gescheitert.

Schawinski schreibt, dass der ehemalige Tamedia-CEO Michel Favre und Sie nichts von Fernsehen verstünden.

Michel und ich haben bekanntlich nicht den Talk täglich moderiert sondern wir haben den strategischen Job gemacht. Wir hatten den Auftrag, das längstens bekannte Klumpenrisiko von Tamedia im Zeitungs-Inseratemarkt durch Diversifikation auf andere, elektronische Werbeplattformen langfristig zu relativieren. Die heutige, sehr schwierige Situation der grossen Zeitungshäuser zeigt auf, dass man diese Überlegungen von 1997/98 auch im nachhinein als plausibel bewerten kann.

Schawinski redet jedoch von einer überhasteten Lancierung von TV3.

Das mag eher für sein Tele 24 gelten, das ich als damaliger Verwaltungsratskollege von Schawinski als ziemliche Hauruck-Übung empfand. Tamedia indessen hatte noch kaum je ein Projekt so lange und sorgfältig geplant wie TV3. Wir wollten SF1 konkurrenzieren, indem wir auf die Zielgruppe der jungen Zuschauer fokussierten. Diese Überlegung zumindest ist, auch aus der Distanz betrachtet, nicht schlecht aufgegangen.

Aber letztlich hat TV3 dennoch gefloppt

In der Analyse dieser Fallstudie lohnt sich eine gewissen Differenzierung. Fernsehen, so war klar, konnte in der Schweiz nur mit den Gewinnen aus dem Printgeschäft vorfinanziert und musste also quersubventioniert werden. Das ist bei Startups branchenüblich. Als dann das Printgeschäft im Frühjahr 2000 einbrach, hatte TV3 keine Überlebenschance mehr, obwohl der Sender in den Erwartungen lag und auch sein vorgegebenes Budget finanziell erreichte. Die Print-Krise, vor allem die Einnahmenrückgänge beim Tages-Anzeiger, waren das Todesfanal. Ich hätte mich in dieser Lage noch früher vom Sender mit seiner bestehenden Aktionärsstruktur getrennt, konnte mich aber nicht durchsetzen.

Auch das Internet-Geschäft mit Winner und Moneycab kostete über 20 Millionen Franken.

Tamedia machte im Internetbereich exakt dasselbe wie die Publigroupe, die NZZ, Edipresse oder internationale Medienhäuser. Wir traditionellen Zeitungsleute setzten damals auf Schadensbegrenzung angesichts eines neuen Inhalts- und Werbekanals. Die Inhalte haben sich im Netz noch rasanter als erwartet durchgesetzt, nicht aber die Businessmodelle. Wir stehen hier vor dem seltenen Beispiel eines weltweiten, ökonomischen Grundlagenirrtums.

Internet, mehr als Fernsehen, galt als Ihr gehätscheltes Kind.

Ich habe das Internet langezeit als sehr starke Bedrohung und erst später als mögliche Chance für Verlagshäuser wahrgenommen. Ins Internetbusiness einzusteigen war, wie immer bei Tamedia, ein kollektiver Entscheid. Unser Verwaltungsrat hat uns in diesen verrückten Jahren nach 1995 sehr stark ermutigt, hier aktiv zu werden. Das stand etwa im Gegensatz zur Lancierung von Facts; dort hatte die Geschäftsleitung gegen einen nüchtern kalkulierenden Verwaltungsrat Überzeugungsarbeit zu leisten. Solche Balance muss auch sein in einem gutgeführten Haus.

Wie sieht denn Ihre Bilanz der Tamedia-Zeit aus? Sind Sie mehr auf der Soll- oder Haben-Seite?

In meiner Zeit - besser: die Zeit von Michel Favre - hat Tamedia die besten Resultate der Unternehmensgeschichte geschrieben, so können wir – trotz TV3 und Internet - nicht alles falsch gemacht haben. Ich persönlich habe zusammen mit meinen Kollegen hochrentable Projekte wie die SonntagsZeitung, Facts, Alpha, die neue Annabelle oder den renovierten Tages-Anzeiger betreuen dürfen. Unter dem Strich ist für das Haus auch der finanzielle Saldo jener Periode äusserst positiv.

Schawinski unterstellt Ihnen aber, dass Sie lediglich privat erfolgreich waren und Millionenbeträge abgezockt hätten.

Wir hatten sehr gute Resultate und haben nach dem üblichen Tamedia-Bonus-System auch gut verdient. Ich wundere mich manchmal etwas über diese Hosentaschen-Spekulationen. Cash hat beispielsweise geschrieben, das Tagi-Management habe durch den Börsengang viel Geld verloren, nach Schawinski wiederum haben wir uns bereichert.

Aber hat das Management im nachhinein kein schlechtes Gewissen, schliesslich haben viele Tamedia-Aktionäre sehr viel Geld verloren?

Alle leiden unter der aktuellen Börse. Und das Management leidet unter diesem Kurssturz aller Medienaktien natürlich gehörig mit, da es eine Menge Tamedia-Aktien besitzt. Michel Favre zum Beispiel ist neben den Familienmitgliedern der wohl grösste Einzelaktionär. Auch ich halte immer noch einiges an Tamedia-Aktien.

Werden Sie diese jetzt verkaufen?

Die Frage stellt sich nicht; ich bin an eine Sperrfrist gebunden.


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