04.09.2015

Swisscom/SRG/Ringier

Werber beurteilen das Joint Venture

In einer Umfrage reagieren sie erfreut, äussern sich aber auch kritisch.
Swisscom/SRG/Ringier: Werber beurteilen das Joint Venture

Der freie Markt stehe in Gefahr: Verleger und einige Politiker laufen Sturm gegen das Werbe-Joint-Venture von Swisscom, SRG und Ringier. Was aber denken die Werber? Sie applaudieren und freuen sich auf die neuen Angebote, wie die Umfrage von persoenliclh.com zeigt. Doch: Einige Experten fragen sich, ob die drei Firmen tatsächlich in der Lage sind, die vielen Daten so auszuwerten, dass qualitativ hochstehende Targeting-Möglichkeiten vorliegen.

Geri Aebi, Präsident Leading Swiss Agencies und CEO der Wirz-Gruppe

"Der Versuch ist grundsätzlich positiv zu bewerten, im digitalen Zeitalter ein schlagkräftiges Schweizer Gegengewicht zu den globalen Giganten Google, Facebook & Co. zu bilden. Der Markt für datenbasierte Kommunikation ist exponentiell am Wachsen und die klassischen Werbeformen – gestern die Printanzeigen, heute die Werbespots – müssen mit dramatisch sinkenden Volumen rechnen und sind darum entsprechend gefordert, sich zu verändern. Allein zum Stichwort Targeting bietet die neue Allianz da einiges an Potenzial.

Wo ich skeptisch bin? Das Joint Venture birgt allein schon einiges an politischen Sprengstoff, wie die Reaktionen der vergangenen Wochen gezeigt haben. Der umgehende Eklat mit den Verlegern ist dabei ein schlechtes Signal. Als Leading Swiss Agencies werden wir die Entwicklung auf jeden Fall mit Aufmerksamkeit und Interesse verfolgen.
 
Es ist eine durchaus legitime Frage, ob ein Kampf gegen die digitalen US-Giganten überhaupt zu gewinnen ist. Ihn in dieser Form aufzunehmen, ist aber unternehmerisch auf jeden Fall ehrenwert und ambitioniert. Unabhängig von der gesellschafts- und verbandspolitischen Diskussion können sich Agenturen und Auftraggeber grundsätzlich über jede starke Alternative am Markt freuen, die ihnen zusätzliche Möglichkeiten der Zielgruppen-Ansprache eröffnet – und werden die entsprechenden Angebote bestimmt auch nutzen wollen."

 

Maximilian Plank, Geschäftsführer von Plan.net Suisse  

"Potenzial hat vor allem die unglaubliche Datenmenge, welche durch das Joint Venture zusammen getragen wird. Die Kundendaten der Swisscom und der SRG/Publisuisse sind von hoher Qualität, denn sie erreichen damit einen grossen Teil der Bevölkerung. Ringier bietet mit ihrem breiten Angebot an Classified- und E-Commerce-Produkten ein grosses Know-how im Bereich des Nutzerverhaltens. Diese Konzentration von Daten wird einmalig sein im Schweizer Markt und das neue Unternehmen wird dadurch automatisch zum wichtigsten Ansprechpartner für Werbetreibende im Schweizer Markt. Das vielfältige Angebot wird es möglich machen, alle Altersklassen und spezifischen Zielgruppen gezielt anzusprechen - ein Vorteil, den nur die wenigsten Medienanbieter mitbringen und zur Bündelung von Werbebudgets führen wird.

Dass Ringier als privates Unternehmen von den Ressourcen der zwei staatsnahen Betrieben profitieren kann, macht mich skeptisch. Alles, was über Jahre aufgebaut wurde, unter anderem mit Geld vom Staat/Bevölkerung, wird nun auch einem Privatunternehmen zur Verfügung stehen und es wird damit (privater) Gewinn erwirtschaftet. Der Entscheid von Weko und Bakom wird in dieser Hinsicht mit viel Spannung erwartet. Wenn die neue Firma bewilligt wird, hat sie eine enorme Marktmacht und wird die Verhältnisse im Schweizer Markt entscheidend mitbestimmen. Die Auswirkungen lassen sich natürlich noch nicht im Detail abschätzen, jedoch wird es für kleinere Anbieter immer schwieriger werden mit dem Angebot von Swisscom/SRG/Ringier mitzuhalten. Interessant dabei: Das Joint Venture versucht in der Schweiz eine ähnliche Stellung einnehmen, wie es Facebook und Google bereits auf globaler Ebene geschafft haben.

Wer aber die neue Allianz an Google oder Facebook misst, vergleicht Äpfel mit Birnen. Der Erfolg von Google und Facebook liegt nicht nur in der Vermarktung und den vorhandenen Kundendaten, sondern vor allem am Angebot. User werden nicht stärker die Portale der am Joint Venture beteiligten Firmen nutzen, entsprechend werden die globalen Player auch weiterhin einen grossen Teil des Kuchens erhalten. Die Verteilung der Werbegelder orientiert sich hauptsächlich an der Mediennutzung und nicht an einem Zusammenschluss von Verkaufsabteilungen. Die neu geschaffenen Möglichkeiten im Targeting werden den einen oder anderen Auftrag bringen, an den sie ohne das Joint Venture nicht heran gekommen wären. Es wird jedoch nicht dazu führen, dass Social-Media oder die Angebote von Google an Bedeutung verlieren."

 

Curdin Janett, "Werber der Jahres 2015" und CEO von Publics Schweiz

"Für mich ist ganz klar, dass die Swisscom von diesem Joint Venture profitiert und Ringier profitiert ebenfalls. Wo und wie genau die SRG begünstigt sein soll, ist für mich momentan noch etwas schleierhaft. Sollten die drei Partner es schaffen, attraktive Produkte anzubieten, werden wir Werbeagenturen und die Auftraggeber diese sicher mit Interesse anschauen. Ein guter Schachzug war es zudem, Martin Schneider zum CEO zu machen. Schneider ist kompetent, sehr verlässlich und in der Branche sehr gut verankert. Daneben irritiert mich das gewählte Timing: Gerade jetzt wo die Service-Public-Diskussion immer intensiver geführt wird, ist die Bekanntgabe dieser Kooperation für die SRG heikel. Auch muss sich jetzt erstmal zeigen, ob das Bakom und die Weko dieses Joint Venture überhaupt bewilligen. Ob es eine Konkurrenz zu Google und Facebook sein kann, lässt sich schwer abschätzen, weil viele wichtige Details wie etwa die Ausgestaltung der Produkte noch nicht bekannt sind."

 

Tobias Zehnder, Gründer der Digital-Marketing-Agentur Webrepublic

"Generell ist es noch sehr früh, um eine fundierte Einschätzung abzugeben, da viele Details noch unbekannt sind. Als daten-getriebene Agentur sind wir selbstverständlich immer interessiert an neuen Angeboten im Markt – und theoretisch verfügt diese Allianz über sehr interessante und umfangreiche Daten. Wie sie diese nutzen kann, um effektives Targeting zu gewährleisten, muss sich noch weisen.

Wo wir skeptisch sind? Das Aggregieren von Daten aus unterschiedlicher Quellen ist eine grosse Herausforderung; relevante Erkenntnisse aus diesen Beständen zu ziehen erst recht. Wir sind gespannt, wie dies über drei Akteure hinweg gelingen und wie reibungslos diese Zusammenarbeit sein wird. Bei derartigen Angeboten ist es zentral, dass die Performance transparent ausgewiesen wird – nur so kann ein Anbieter das Vertrauen der Werbekunden gewinnen.

Und was die globale Konkurrenz betrifft: Googles Kerngeschäft, Search-Marketing, wird davon kaum betroffen sein. Auch im Bereich internationaler und plattformübergreifender Kampagnen wird die Allianz kaum für Umschichtungen sorgen. Im Bereich nationaler Kampagnen, kann der Eintritt eines neuen grossen Players den Markt durchaus beleben. Er kann bestehende Lösungen ergänzen und vor allem im sehr stark fragmentierten Display-Markt interessante Optionen bieten. Ein wichtiger Faktor wird dabei sicherlich auch die Preisgestaltung und Positionierung als Reichweiten- oder Premium-Kanal sein. Wir sind gespannt zu sehen, wie kompetitiv das neue Netzwerk im Bezug auf Kosten und Inventarqualität sein wird."

Umfrage: Edith Hollenstein

 


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