25.09.2013

Fög

Die Qualität der Medien schrumpft weiter

Am Mittwoch war es wieder soweit: Das von Kurt Imhof geführte Forschungsinstitut für Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) präsentierte in Bern das diesjährige Jahrbuch "Qualität der Medien". Wie bereits in den Vorjahren zeichnen die Forscher ein düsteres Bild. Qualitätseinbussen erleiden fast alle - Zeitungen ebenso, wie das Schweizer Radio- und Fernsehen SRF und bei den Online-Portalen haben es weder blick.ch, 20min.ch oder tagesanzeiger.ch, noch nzz.ch in den grünen Bereich auf der Hitliste geschafft. Positiv hingegen: Die Boulevardzeitungen verbessern sich seit 2010 stetig.
Fög: Die Qualität der Medien schrumpft weiter

Rund 300 Seiten dick ist das diesjährige Jahrbuch "Qualität der Medien". Hatte man mit der Ausgabe 2010 noch stattliche 2,2 Kilogramm nach Hause zu schleppen, war es dieses Jahr nicht einmal mehr halb so viel Gewicht. Das Buch nimmt ab, ähnlich wie auch die Medienqualität schrumpft – dies zumindest in den Augen der Autoren. Während das Jahrbuch aufgrund der Auslagerung der Verteifungsstudien dieses Jahr dünner ausfällt, sind es bei den Medien Spardruck und die Konzentrationsprozesse, die sich negativ auf die redaktionellen Inhalte auswirken.

Am Mittwoch präsentierten die Co-Autoren Kurt Imhof und Mark Eisenegger anlässlich einer Medienkonferenz im Hotel Schweizerhof in Bern die Ergebnisse ihrer aufwändigen Forschung, die in den vergangenen Jahren jeweils über die Branche hinaus heftige Diskussionen ausgelöst hatten. Das bereits zum vierten Mal vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (Fög) veröffentlichte Jahrbuch macht deutlich, dass die Berichterstattung der Schweizer Medien weiterhin vielfach episodenhaft und oberflächlich bleibt. Vertiefung und Einordnung seien seit Beginn der Forschung 2010 bis heute kontinuierlich gesunken, so die Forscher.

Gratiszeitungen fallen hinter Boulevardzeitungen zurück
Fast alle Medientypen mit überdurchschnittlichen Qualitätswerten erleiden im Vergleich zum Vorjahr Qualitätseinbussen – auch die Abonnementszeitungen und die Sendungen von Schweizer Radio und Fernsehen SRF -  also z.B. die Vorzeige-Sendung "Echo der Zeit", obwohl Radio SRF noch immer das beste Resultat aller untersuchten Medientypen aufweist. Ein besonders schlechtes Zeugnis stellt das Jahrbuch den Gratis- und den Online-Angeboten der Boulevard-Medien aus. Laut Fög hätten sich demgegenüber aber die Boulevardzeitungen seit 2010 kontinuierlich verbessert. Die Qualität der Gratiszeitungen on- und offline falle damit im Jahr 2012 erstmalig hinter die der Boulevardzeitungen zurück.

(Abb.1) Punkto Nachrichtenqualität steht das öffentliche Radio an der Spitze, gefolgt von den überregionalen Abonnementszeitungen wie der "Neue Zürcher Zeitung", "Le Temps" oder "Tages-Anzeiger" (grün markiert). Die Online-Portale schaffen es dagegen nicht in die Hitliste der Titel mit höchster Qualität. Sie rangieren im Mittelfeld oder weiter unten (gelb oder rot markiert).

Softnews auf dem Vormarsch 
Abgenommen habe auch die Relevanz der Nachrichten: Softnews rückten 2012 im Vergleich zum Vorjahr etwas stärker in den Vordergrund (siehe Abb. unten). Eine Erklärung mag sein, dass das vergangene Jahr durch prominente Sportereignisse wie Olympia geprägt war, vorletztes Jahr waren es hardfactslastige Ereignisse wie etwa Fukushima oder der Arabische Frühling, so die Begründung von Studien-Co-Autor Eisenegger.

 

(Abb. 2) Agenden qualitätshoher und -niederiger Medien

183 Millionen Franken tiefere Werbeeinnahmen
Sorgen bereitet den Forschern die Entwicklung der Informationsmedien von Presse, Radio und TV. Sie seien einem Nutzungsschwund ausgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr seien allein bei der Informationspresse die Werbeerlöse 2012 um 183 Millionen Franken zurückgegangen. Die Informationsmedien seien aber ein unverzichtbares Element der Demokratie, konstatieren die Forscher. Aus ihrer Sicht lässt sich unter den heutigen Bedingungen das bestehende Angebot aber in Zukunft nicht sichern. "Die Versprechungen des Internets haben sich bislang nicht erfüllt", sagte Eisenegger.

Medienkonzentration online noch stärker als offline
Die Medienkonzentration habe sich weiter verschärft und präge auch den Onlinemarkt. Nur die drei grössten Verlagshäuser sind – neben der SRG SSR – bislang in der Lage, nutzungsstarke Newssites zu betreiben. Es zeige sich bei den Newssites – entgegen den Hoffnungen, die ins Internet gesetzt wurden – nicht eine höhere, sondern gegenüber den Printmedien eine geringere publizistische Vielfalt: Die Titelzahl der nutzungsstarken Online-Newsangebote ist um 40 Prozent geringer als im Printsektor, so die Erhebungen des Jahrbuchs.

Online ist schlechter als Print
Es bestätige sich zudem erneut, dass die Qualität der Online-Informationsmedien in der Regel niedriger sei, als bei den entsprechenden Printmedien. So ist in der obenstehenden Rangliste (Abb. 1) die Print-Ausgabe der "Neuen Zürcher Zeitung" auf Platz 3 klassiert, während Nzz.ch nur auf Platz 12 rangiert. Dieser grosse Unterschied erstaunt, zumal auf Nzz.ch seit dem Zusammenschluss der Redaktionen und den Relaunch im Juni 2012 Print- und Online-Inhalte identisch sind. "Die Methodik sieht vor, dass jeweils nur die Frontseiten codiert werden. Daneben wirke sich im Onlinebereich der hohe Aktualitätsdruck stark negativ auf die Einordnungsleistung aus", antwortet Kurt Imhof auf eine entsprechende Frage.

Tamedia kontrolliert 41 Prozent
Treibende Kraft hinter dem Konzentrationsprozess im Print- wie Onlinebereich ist Tamedia. In der Suisse Romande kontrolliert das Medienhaus mittlerweile 68 Prozent des Pressemarktes, in der Deutschschweiz sind es 36 Prozent, in der gesamten Schweiz 41 Prozent. Tamedia konnte seine Marktanteile auch im Onlinebereich in allen Sprachregionen am deutlichsten steigern: In der Deutschschweiz erzielt Tamedia einen Anteil von 23 Prozent, gefolgt von Swisscom (Bluewin.ch) mit 20 Prozent und Ringier mit 17 Prozent.

 

(Abb. 3) Konzentration im deutschschweizer Online-Markt

In der französischen Schweiz erreichte Tamedia sogar einen Online-Marktanteil von 32 Prozent, gefolgt von Microsoft Advertising Schweiz (msn.ch) mit 26 Prozent und Swisscom mit 21 Prozent. Diese Zahlen zeigen zudem, dass die Hauptkonkurrenz der Verleger im Onlinebereich nicht die SRG SSR ist, sondern branchenfremde Anbieter, die neben Servicedienstleistungen (z.B. Webmail) auch News anbieten.

Verband Schweizer Medien kritisiert das Fög
Nicht verschont von der Kritik blieben auch die Verleger und Chefredaktoren, denen die Forscher vorwerfen, immun gegen Kritik zu sein. Der "Mythos von der besten Zeitungslandschaft aller Zeiten" sei langfristig aber fatal. Der Appell der Forscher: Die Medienzunft müsse die Standards im Journalismus wieder stärken. Für den Verband Schweizer Medien stellt das Jahrbuch grundsätzlich kein "brauchbarer Gradmesser" für den Zustand der Medien dar. Die Lektüre lasse an dessen Objektivität und wissenschaftlicher Seriosität zweifeln, teilte der Verband in einer Mitteilung mit. Zudem sei nominelle Titelvielfalt kein hinreichendes Qualitätskriterium.

Das Jahrbuch 2013 "Qualität der Medien Schweiz Suisse Svizzera" wird durch die Stiftung Öffentlichkeit und Gesellschaft finanziert. Neben der Hauptstudie wurden am Mittwoch zwei Vertiefungsstudien veröffentlicht. Diese behandeln einerseits das Twitterverhalten von Journalisten (persoenlich.com berichtete), andererseits Medien-Konzentrationsprozesse im internationalen Vergleich.


Untersuchungsanlage und Methodik: Diese Untersuchung der Qualität der Medien vollzieht sich auf zwei Stufen. Erstens wird die publizistische Versorgung – d.h. die Auflage bzw. die Nutzung, die Einnahmen und die Besitzverhältnisse der Informationsmedien in der Schweiz – untersucht. Im Jahre 2012 erreichen 148 Medientitel die für diese Untersuchung erforderliche Abdeckungsrate von 0.5 Prozent der sprachregionalen Wohnbevölkerung. Von diesen Titeln werden jeweils in einem zweiten Schritt die 39 bedeutendsten Titel aller Mediengattungen (Presse, Radio, Fernsehen, Newssites) in den drei grossen Sprachregionen einer inhaltlichen Validierung auf der Basis der Qualitätsmerkmale Vielfalt, Relevanz, Aktualität und Professionalität unterzogen. Ergänzend wird für 12 Medientitel des Privatrundfunks in diesem Jahrbuch eine vertiefte Qualitätsvalidierung durchgeführt.

Weiterführende Informationen finden Sie auf: www.foeg.uzh.ch. (pd/sda/eh)

Bild: Keystone, Abb.: Fög

 

 



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