08.03.2013

NZZ

Multimedia-Reportage kostet Blut, Schweiss und Tränen

"Was die ´New York Times` kann, wollen wir auch können", sagte sich die "Neue Zürcher Zeitung" und stellte ein so komplexes Digitalprojekt auf die Beine, wie es bisher noch kein anderes, privates Schweizer Medienhaus getan hat. Die Leser sind von "Fukushima" begeistert. Doch der Aufwand "war gewaltig" und habe "Blut, Schweiss und Tränen gekostet", wie NZZ-Nachrichtenchef Luzi Bernet im Interview erklärt. Wird solch innovatives Storytelling nun zum Standard bei der Alten Tante? Persoenlich.com hat sich Details erklären lassen:
NZZ: Multimedia-Reportage kostet Blut, Schweiss und Tränen

Herr Bernet, am Freitag veröffentlichte die NZZ erstmals eine multimediale Reportage. "Keine Zeit für Wut" erzählt die Geschichten von vier Personen, zwei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima. Ein sehr ansprechendes, aber wohl auch ein sehr intensives Projekt. Autor Marcel Gyr bezeichnete seinen Aufwand auf "4 Wochen Arbeit. 55'000 Zeichen."
Ja, der Aufwand für diese Multimedia-Reportage war gewaltig und ich muss sagen: Diese Angelegenheit hat uns Blut, Schweiss und Tränen gekostet. Insgesamt waren in unterschiedlicher Intensität über 20 Leute involviert, wie Sie auf fukushima.nzz.ch/#epilog sehen können. Dabei hatten die drei Autoren, Marcel Gyr, Christoph Bangert und Mitsuhiro Shoji, besonders grossen Anteil – sie recherchierten zwei Wochen lang in Fukushima und realisierten anschliessend Text und Bild. Sylke Gruhnwald, unsere Datenjournalistin, trug während dieser Zeit unterschiedliche Daten zusammen und bereitete diese grafisch auf. Zudem arbeiteten zwei Videojournalisten, eine Sprecherin, ein Korrektor und mehrere Redaktoren mit. Für die technische Umsetzung wurden wir durch die Firma Interactive Things unterstützt, deren Mitarbeiter rund zwei Wochen lang bei uns im Haus waren, um die Inhalte technisch aufzubereiten.

Luzi Bernet, Nachrichtenchef der NZZ, erklärt das Projekt.

 

Dies bedeutet auch finanziell einen enorm hohen Aufwand. Oder wurde Fronarbeit geleistet?
Klar, auch die Kosten sind hoch. Bezahlen mussten wir die Reisespesen und alle Externen, sprich die Firma Interactive Things sowie weitere Dienstleister. Alle Internen leisteten ihren Beitrag innerhalb ihrer Anstellung bei der NZZ. Jedoch muss ich schon sagen: Der Aufwand, den die Leute leisteten, war enorm und überstieg ihr reguläres Pensum bei Weitem. Es wurden unzählige Überstunden geleistet.

Gibt es bereits eine erste Erfolgsauswertung? Wie hoch sind die Klickzahlen und welche Feedbacks haben Sie bekommen?
Verlässliche Zahlen gibt es leider noch nicht  die Multimedia-Reportage wurde aus technischen Gründen auf einer separaten Website eingerichtet, was die Auswertung etwas verkompliziert. Das Echo war - das tönt jetzt etwas unbescheiden  hervorragend. Wir haben vor allem via Social Media zahlreiche Reaktionen erhalten, aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Übersee; von Fachkollegen und "normalen" Nutzern. Sie waren praktisch durchs Band positiv. Eine kleine Auswahl an Reaktionen haben wir gestern auf unserer Webseite zugänglich gemacht.

Welche Funktionen würden Sie selber als besonders innovativ bezeichnen?
Einerseits finde ich die animierte Darstellung der Strahlenbelastung (vgl. unten) sehr gelungen. Zudem finde ich die Art und Weise spannend, wie die Protagonisten durch die Videobeiträge zu Wort kommen und damit sehr lebendig und nah erscheinen (Anm. d. Red. vgl. z.B. Video "die Schulleiterin").

Animierte Grafik zur Strahlenbelastung.

 

Ähnliche Erzähltechniken nutzt das Projekt "Snow Fall". Orientierten Sie sich bei "Fukushima" am Beispiel der "New York Times"?
(lacht). Ja, dieses Projekt entdeckten wir und wollten es selber ausprobieren.

Im Umfeld der Reportage ist keine Werbung platziert. Warum war es nicht Ihre Absicht, die Arbeit zu monetarisieren?
Bei "Fukushima" geht uns nicht primär darum, Geld zu verdienen – sonst hätten wir ein anderes Thema wählen müssen. Wir wollten in einem ersten Durchlauf die digitalen Möglichkeiten austesten, um daraus zu lernen und einzelne Elemente künftig bei anderen, kleineren Geschichten einsetzen zu können. Und, indem wir unser Leistungsspektrum präsentieren und zeigen, wozu wir fähig sind, hoffen wir bei der Werbewirtschaft als attraktives Werbeumfeld wahrgenommen zu werden.

Eine solch grosse, aufwändige Multimedia-Reportage wird es also nicht so schnell wieder geben?
Selbstverständlich werten wir das Projekt aus und entscheiden dann in welchem Ausmass wir diese Erzähltechniken künftig einsetzen werden. "Fukushima" war extrem aufwändig, daher glaube ich nicht, dass diese Art Reportage jetzt sofort zum NZZ-Standard werden wird. Doch eben: In angepasster Form wird man künftig ähnliche erzählerische Elemente in anderen Berichten antreffen. 

Zwei Wochen auf Reportage im Tsunami-versehrten Teil von Odaka: NZZ-Reporter Marcel Gyr (Mitte), der Fotograf Christoph Bangert (rechts) mit Übersetzer und Chauffeur Mitsuhiro Shoji (links).

Das Team zu Besuch in Iitate an der Grenze zur Sperrzone.

Interview: Edith Hollenstein, Bilder: NZZ/zVg



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