26.01.2014

Zürcher Radiokrieg

"DAB allein reicht nicht für den wirtschaftlichen Erfolg!"

Sagt Markus Ruoss, Radioexperte und Mitglied der Schweizer Medienkommission.
Zürcher Radiokrieg: "DAB allein reicht nicht für den wirtschaftlichen Erfolg!"

Der Zürcher Radiokrieg geht diese Woche in die entscheidende Runde. Bis Dienstag dürfte klar sein, wer das beste Angebot für das konkursite Radio 105 gemacht. persoenlich.com hat einen aussenstehenden Radiopionier zum ganzen "Fall" befragt. Der Zuger Markus Ruoss ist Radioexperte und Mitglied der Schweizer Medienkommission. Zudem war er von 1983 bis 2012 Mitbegründer und Hauptaktionär von Radio Sunshine bis 2012 und Radio-24 –Groppera-Zeiten als Inhaber der Ruoss AG technischer Dienstleister.

Herr Ruoss, wie beurteilen Sie als Aussenstehender den Kampf um Radio 105?
Dass es in der Schweiz möglich ist dass eine Radio-Lizenz  aus einer Konkursmasse auf diese Art "handelbar" geworden ist , finde ich persönlich sehr bedenklich, schadet der ganzen Branche und wirft auch Fragen zum damaligen Ausschreibungs-"Schönheitswettbewerb" mit nachfolgendem Hickhack im Raum Zürich auf. Damals kaufte das unterlegene NRJ die zweite Konzession von Scaglione. Es geht ganz offensichtlich nicht  primär  um die lobenswerte "Rettung", sondern um die Verbesserung der eigenen Position. Bei Radio 1 ist es offensichtlich, dass  eine Strategie "alt und jung aus einer Hand" Sinn macht. Bei NRJ (Radio Energy) will man durch die  "Übernahme" die Nummer-1-Position im Grossraum Zürich erreichen.

Wer hat die besseren Karten?
Ich denke, nur noch NRJ, Radio1, eventuell auch Joiz. Die andern haben wohl zu wenig zu gewinnen, haben zu wenig Synergiepotential und auch zu wenig einsetzbare Eigenmittel um Radio 105 - wohlverstanden als das, was es war - wirtschaftlich zum Fliegen zu bringen. Der kommende Sieger hat aber eigentlich noch gar nichts gewonnen. Der Aufbau eines erfolgreichen  Werbe-und Sponsoring-Verkaufs sowie die "Rückgewinnung" der Hörer auf UKW, Internet und DAB+, verlangt enorme Anstrengungen. Deswegen ist es eigentlich auch unwichtig, welcher "Güggel" zu welchem Preis den Zuschlag erhält. Das "Danach" ist der teure und anspruchsvolle Teil!

Woran ist Giuseppe Scaglione gescheitert?
Scaglione wollte zuviel auf einmal , hat dabei aber viel zu wenig und zu spät an die eigene aktive Werbevermarktung   gedacht . Wirklich schade für ein so gut und  innovativ aufgebautes Produkt in einem bezüglich des Zielpublikum viel zu kleinen Gebiet. Allein mit „Medienpreisen“ und begeisterten Hörern  ist der wirtschaftliche Erfolg noch längst nicht gesichert. Die gilt wohl auch   für andere Medienranglisten gelten kann.

 

Radio Energy liess durchblicken, dass man Radio 105 lediglich als DAB-Radio weiterführen könnte, wodurch sie keine Konzessionsprobleme haben. Ist ein solches Radio überhaupt wirtschaftlich überlebensfähig?
Aus Sicht als Verwaltungsrat der Swissmediacast AG (DAB+ Verbreiter im Auftrag der Veranstalter) begrüsse ich es natürlich sehr, dass aus Radio 105 ein fast DAB+ exklusives  Radio werden soll. Jedes DAB exklusive Programm mit  bekannter Marke, trägt  erheblich zur noch schnelleren Verbreitung von DAB+ bei. Auf Grund aller bisherigen Erfahrungen in Bezug auf DAB Exklusive Programme  glaube ich persönlich leider überhaupt nicht daran, dass auf diese Weise in absehbarer Zeit ein wirtschaftlicher Erfolg bei Weiterführung des bisherigen Programmkonzeptes  möglich sein wird. Dafür ist zurzeit die DAB+ only  Nutzung bei weitem noch nicht ausreichend um den wirtschaftlichen Erfolg sicherzustellen. In einigen Jahren wird das hoffentlich weit besser aussehen.

Aus den Semesterdaten der Konzessionsgebiete  (Mediapulse 1.Sem 13) kann hergeleitet werden dass die deutliche Mehrheit der 105 Hörer  aus dem Grossraum Zürich stammt und  der Anteil UKW  mindestens in der Gegend von rund der Hälfte ist. Vorerst ist UKW also noch nötig und DAB+ wird  mittelfristig zu einer Gebietsausweitung führen können. Eigentlich kann ich mir gar nicht vorstellen, dass jemand viel Geld ausgibt, nur um die Lizenz eines Mitbewerber stillzulegen oder an einen kaum überlebensfähigen Partner weiterzuverkaufen. Ich hoffe nicht, dass das BAKOM auf sowas reinfällt. Und dass es um den Brand gehen soll, den man übernehmen will, ist auch nicht sehr glaubwürdig. Schliesslich handelt sich um eine Lizenz aus Italien, die man dort direkt und wohl sogar günstiger erwerben könnte.

Braucht es DAB in Zeiten der Apps überhaupt noch?
Radio Apps  werden langsam und schrittweise wichtiger. Diese Apps gibt es nicht nur für Streaming  sondern auch für UKW und bald für alle möglichen Radio Empfangsvektoren inklusive DAB +.  Nachdem vor rund drei Jahren die Privatradiobranche die kostengünstige lokale terrestrische Radio-Digitalsisierungsvariante HD-Radio (zuerst durch Schawinski, dann durch Taaedia) abgelehnt hat, gibt es zur Zeit  keine  echte Alternative zu DAB+, was der Wunschvorgabe des Bundes entspricht. Schon bald sind fast alle Veranstalter auf DAB+ und die Arbeitsgruppe für digitale Migration (DigiMig) wird noch in der ersten Jahreshälfte von 2014 einen Branchenplan zur deutlichen Beschleunigung des Migrationsprozesses vorlegen.

Streaming wird sich hauptsächlich für den Empfang zu Hause  als Ergänzungs-Vektor entwickeln. Mobile und in-Car-Streaming  werden wohl noch über die nächsten rund zwei Jahre vor allem "gehypt" werden, haben aber auf die realen Nutzungsdaten noch länger sicher keinen relevanten Einfluss. Ausserdem kann es zum Verlust des Rundfunkprivilegs und zu deutlich steigenden Verbreitungskosten für die Veranstalter führen.

Interview: Matthias Ackeret

Mehr zum Zürcher Radiokrieg:
- "Radio 105: Alle Moderatoren haben bereits bei Schawinski unterschrieben"
- "Radio 105: Schawinski überboten"
- "Privatradios: Weiteren Sendern droht das Aus"

 

 



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