24.11.2014

Migros

"Ich gehe mit etwas Wehmut, aber auch mit Stolz"

Mediensprecher Urs Peter Naef spricht über seine 13 Jahre beim MGB.
Migros: "Ich gehe mit etwas Wehmut, aber auch mit Stolz"

Eine Ära geht zu Ende: Diese Woche wird Urs Peter Naef, Mediensprecher und Leiter der Externen Kommunikation des Migros-Genossenschaft-Bundes (MGB), pensioniert. Der 60-jährige Schaffhauser verkörperte während 13 Jahren den "orangen Riesen" gegen aussen. Zuvor war er bei Jelmoli und der Swissair in der gleichen Funktion tätig. Naef war einer der bekanntesten und beliebtesten Pressesprecher der Schweiz. Gegenüber persoenlich.com schildert er die heikelste Situation und seine Pläne für die Zukunft.

Herr Naef, während 13 Jahren waren Sie das "Gesicht der Migros", diese Woche werden Sie pensioniert. Mit welchem Gefühl verlassen Sie im Büro am Limmatplatz in Zürich?
Mit tiefer Dankbarkeit. Dankbar für die spannende Zeit bei einem der tollsten Unternehmen, dankbar für die Begegnungen mit vielen interessanten Menschen, dankbar für die Chance, die man mir gegeben hat. Und natürlich auch mit etwas Wehmut, aber auch Stolz: In den vergangenen 13 Jahren bekam die Kommunikation in der Migros einen völlig anderen Stellenwert. Vor meiner Zeit, war die Migros nicht bekannt dafür, dass sie viel, schnell und offen kommuniziert. Das hat sich radikal verändert. Und das war nur möglich, dank einem professionellen Team, das wir in den Jahren zusammen geschweisst hatten. Die Arbeit mit diesen Menschen und vielen anderen in der Migros wird mir fehlen.

Wenn Sie zurückschauen, was war für Sie die schwierigste Situation in Ihrer Migros-Tätigkeit?
Davon gab es einige. Schwierig waren immer die Themen, bei denen es um Mensch, Tier und Umwelt ging. Mindestlöhne, Anstellungsbedingungen, Preiskampf, Produkt-Qualität und -Sicherheit, Tierhaltung, Lebensmittelproduktion, Arbeits- und Produktionsbedingungen im Ausland, um nur einige zu nennen. Oft fühlten wir uns durch die Medien, den Konsumentenschutz und die Öffentlichkeit zu Unrecht an den Pranger gestellt. Uns wurde unterstellt, dass wir alles nur aus Gier nach Marge machen und um den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dann muss man hin stehen und die Firma verteidigen. Das fällt einem natürlich viel einfacher, wenn man das für ein Unternehmen wie die Migros tun darf. Denn die Migros hat eine einmalige Geschichte und ist seit der Gründung bis heute vom Gedankengut von Gottlieb und Adele Duttweiler geprägt.

Und was war intern besonders schwierig?
"Müssen wir das kommunizieren?" oder "Warum willst du das nicht kommunizieren?", sind Fragen, die wir immer wieder hören. Da gilt es dann dafür zu kämpfen, intern zu überzeugen, dass richtig kommunizieren eben gut und wichtig ist. Wir sind wie Anwälte, die im Unternehmen die Bedürfnisse der Medien und der Öffentlichkeit vertreten. Als Mediensprecher muss ich aber auch ehrlich versuchen, die Anliegen des Unternehmens so unter die Leute zu bringen, dass sie Verständnis für die Vorgänge in der Migros haben. Dazu gehört manchmal auch, dass man Fehler zugibt. Dieser Spagat ist nicht immer einfach.

Haben sich die Bedürfnisse der Medien in den letzten Jahren stark verändert?
Die Medien sind in den letzten 10, 15 Jahren viel boulevardesker geworden. Oft zählt nur die schnelle Schlagzeile und nicht die vertiefte Recherche. Die Medien verlangen nach schnellen Antworten, denn sie stehen im Konkurrenzkampf um die News.

Sie haben vorher für die Swissair und Jelmoli gearbeitet. Inwiefern hat sich die Migros von den andern beiden Arbeitgebern unterschieden?
In einer Sache ganz bestimmt nicht: Es sind die Menschen, die Mitarbeitenden, die diese Unternehmungen zu Ikonen machen oder gemacht haben. Jedes dieser Unternehmen war die Nummer 1 der Branche in der Schweiz. Jelmoli, das war die sexy Welt der Departement Stores, meiner ersten Begegnung mit dem Detailhandel. Swissair, das war das Aushängeschild der Schweiz, die Verbindung und preferred Carrier der Schweizer in die weite Welt hinaus, ein Gütesiegel. Die Migros dagegen ist unser Alltag. Es gab keine Jelmoli- oder Swissair-Kinder – aber es gibt die Migros-Kinder. Konnten die beiden anderen Firmen Teile meiner Bedürfnisse abdecken, so kann ich mit der Migros mein ganzes Leben bestreiten: Ich kann die Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen (Migros-Läden), ich kann mein Geld anlegen (Migros-Bank), ich kann in den Urlaub fahren (Hotelplan), ich kann mich weiterbilden (Klubschulen) und Kultur geniessen (Kultur-Prozent), ich kann mein Auto betanken und meinen Heizöltank füllen (Migrol).  

Bei der Swissair haben im Herbst 2001 das Grounding miterlebt. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Dass sich das Leben nicht immer planen lässt. Bei der Swissair, dachte ich, hatte ich meinen Traumjob gefunden. "Hier werde ich pensioniert", sagte ich damals zu meiner Frau. Von einem Tag auf den anderen war’s vorbei! Ich erlebte hautnah mit, wie ein ganzes Land völlig überrascht, schockiert und wie gelähmt war. Als Mediensprecher musste ich damals viel einstecken. Da bekam ich eine dicke Haut, die mir auch in der Migros-Zeit nützte. Das Grounding, aber auch das tragische Unglück von SR111 in Halifax, haben mir gezeigt, dass Unternehmenskommunikation eben nicht nur aus schönen PR-Geschichten besteht.

Was zeichnet eigentlich einen "guten“ Kommunikationsmitarbeiter aus?
Er – alles was jetzt kommt gilt natürlich auch für Sie! – muss offen, schnell, flexibel, ehrlich, authentisch und vertrauenswürdig sein. Er muss für die Sache kämpfen gegenüber den Medien genau so, wie gegen interne Widerstände. Er muss Verständnis für die Medien und die Medienarbeit haben. Er muss seinen Job lieben. Und er muss in einer Sprache reden, die die Öffentlichkeit versteht.

Wie sieht Ihre Zukunft aus? Machen Sie sich – wie viele Ihrer Kollegen – selbständig?
Zunächst freue ich mich an meinem zweiten Enkelkind, das am vergangenen Samstag zur Welt kam. Ich bin noch zu jung, um nur noch das Rentnerdasein zu pflegen. Ich will noch etwas machen. Nach der Pflicht kommt nun die Kür: Ich werde mir leisten, nur noch das zu tun, was mir Spass macht. Ich habe jedoch nicht vor, nun eine Firma zu gründen. Aber ich will meinen grossen Erfahrungsrucksack jetzt denen zur Verfügung stellen, die davon profitieren wollen. Ich habe ein paar Pläne und Angebote – ich freue mich also auf eine spannende Zukunft.

Interview: Matthias Ackeret, Bild: zVg



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